Dokumentarfilm "SPK Komplex"

"Aus der Krankheit eine Waffe machen"

Das Schild mit der Aufschrift "Psychiatrische Ambulanz" hängt an der Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
Das Sozialistische Patientenkollektiv wollte "das System Psychiatrie auf den Kopf stellen". © picture alliance / dpa/ Maurizio Gambarini
Gerd Kroske im Gespräch mit Shanli Anwar · 19.02.2018
1970 gründete sich die antipsychiatrisch ausgerichtete Gruppe SPK. Sie wollte das Arzt-Patienten-Verhältnis grundlegend ändern. Später radikalisierte sie sich, ihr wurde Nähe zur RAF vorgeworfen – aber sie veränderte auch die therapeutische Praxis. Ein Film zeigt nun die Geschichte des SPK.
Der Arzt Wolfgang Huber gründete 1970 in Heidelberg mit Patienten das "Sozialistische Patientenkollektiv", kurz SPK. Die antipsychiatrisch ausgerichtete Gruppe kritisierte die damalige Behandlung von psychisch Kranken als "Verwahr-Psychiatrie" und verknüpfte innovative Therapiemethoden mit politischen Forderungen.
Hubers Experiment fand bald viele Anhänger, führte aber auch zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Uni Heidelberg und der baden-württembergischen Landesregierung bis hin zu dem Vorwurf, eine terroristische Vereinigung zu sein.
Über das SPK und seinen Werdegang hat Regisseur Gerd Kroske einen Dokumentarfilm gedreht, der bei der Berlinale gezeigt wird. Es sei teilweise sehr schwer gewesen, Zeitzeugen für seinen Film "SPK Komplex" zu finden, erzählt Kroske im Gespräch:
"Das ist heute noch angstbesetzt, die Leute wollten nicht vor der Kamera sprechen."

Anti-Psychiatrie

Huber habe damals als einer der ersten Gruppentherapien angeboten und sei schnell in Konflikt mit der Uni-Leitung geraten. Nicht nur die Presse habe Huber angegriffen, sondern auch seine Uni-Kollegen, erzählt Kroske.
Das SPK war als antipsychiatrische Gruppe Teil einer internationalen Bewegung, die das klassische Arzt-Patienten-Verhältnis aufbrechen wollte. Die Institution Psychiatrie sollte aufgelöst werden.
Eine These des SPK war, dass die psychischen Erkrankungen gesellschaftsbedingt seien. Demzufolge gelte es, die krankmachende Gesellschaft zu gesunden. So radikalisierte sich die Gruppe, die teilweise auf 500 Mitglieder anwuchs. Sie geriet zudem schnell in Verdacht, die terroristische Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF) zu unterstützen.
Gerd Kroske, Regisseur des Films "SPK Komplex", der auf der Berlinale 2018 in der Sektion "Forum" läuft
Gerd Kroske, Regisseur des Films "SPK Komplex", der auf der Berlinale 2018 in der Sektion "Forum" läuft© Gerd Kroske
Ab Juni 1971 wurde das SPK zu einer terroristischen Vereinigung erklärt und Huber, seine Frau und weitere Mitstreiter wurden verhaftet und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Aber was ist von der Grundidee des SPK übrig geblieben, das Arzt-Patientenverhältnis grundlegend zu ändern?
Gerd Kroske: "Vieles von dem, was die damals probiert haben, ist inzwischen therapeutische Praxis geworden: alles, was systemische Behandlungsmethoden sind, also Krankheiten weiter zu fassen, als nur ein reines Symptom festzustellen; und bis dahin, dass diese Art von Großpsychiatrien in Deutschland so nicht mehr existieren."
(abu)
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