Dokumentarfilm: "Dirigenten - jede Bewegung zählt"

Das Geheimnis des Dirigierens

Von Heidi Mottl · 29.01.2016
Alle zwei Jahre bewerben sich mehr als 500 Dirigenten und Dirigentinnen am Georg-Solti-Dirigentenwettbewerb in Frankfurt am Main. Der oder die Auserwählte macht Karriere. Götz Schauder hat über das Auswahlverfahren den Film "Dirigenten – jede Bewegung zählt" gedreht.
"Wenn man normalerweise ins Konzert geht, dann erwartet man irgendwie ein großes, musikalisches Erlebnis, aber ich find's persönlich total spannend zu sehen, wie kommt es zu diesem Ergebnis und woran arbeiten eigentlich die Orchester so hart. "
"Das ist das, was mich fasziniert, wenn ein Dirigent einen unglaublich zarten Duft erzeugen kann, den man meint zu riechen, obwohl es natürlich rein in der Einbildung ist."
"Das bietet wirklich nur so nen Wettbewerb, dass man die Person und Persönlichkeiten, und die Veränderungen, die jeder mitbringt und auf das Orchester überträgt, da wirklich beobachten und sehen kann und das fand ich total spannend, plus der Frage, wer wird es denn dann?"
Alle zwei Jahre bewerben sich mehr als 500 junge Dirigenten und Dirigentinnen aus aller Welt darum, beim Internationalen Georg-Solti-Dirigentenwettbewerb zugelassen zu werden. 24 von ihnen werden ausgewählt, die dann vor zwei Profi-Orchestern und einer Jury bestehen müssen. Wer das Finale in der Alten Oper gewinnt, dem steht das Tor zu einer internationalen Karriere weit offen.
Der Filmemacher Götz Schauder hat 2008 fünf der Teilnehmer von ihrer Ankunft in Frankfurt bis zum Finale begleitet. Der Weg dahin führt über zwei Ausscheidungsrunden, in denen die Kandidaten zeigen müssen, dass sie auch unter Druck ihre musikalischen Vorstellungen umsetzen können.
"Die Zeit ist kurz, man muss zeigen, in 20 Minuten, oder wie lang die Jury gibt,und du bist raus oder du machst eine Karriere."
Zwei Profiorchester – das HR Sinfonieorchester und das Frankfurter Museums- und Opernorchester – stehen den Teilnehmern zur Verfügung. Während die Nachwuchskräfte vor der Tür darauf warten, auf die hoch dekorierten Musiker losgelassen zu werden, gibt es noch ein paar Instruktionen der Jury ans Orchester:
"Wir machen so: Bei jeder Orchestergruppe kommen vier Kandidaten dran, jeder hat ne halbe Stunde, und denken Sie dran, die stehen unter einer wahnsinnigen Spannung, die müssen in einer halben Stunde alles zeigen, also ich möchte nicht in deren Haut stecken, und noch etwas: Bitte spielen Sie wirklich so, wie die dirigieren."
Musizieren ist zu einem großen Teil Handwerk
Der Film zeigt, Musizieren ist zu einem großen Teil Handwerk, das sich erlernen lässt, schwieriger zu lernen ist die suggestive Körpersprache eines Dirigenten, doch das aller Schwierigste ist der Umgang mit den Musikerpersönlichkeiten, die der Dirigent da vor sich hat. Den fünf Protagonisten steht die Anspannung deutlich ins Gesicht geschrieben, bevor sie das erste Mal vor das Orchester treten – und auch die Erleichterung, wenn die 20 Minuten vorüber sind.
"So und nun die nächste Kandidatin ist Alondra de la Parra, aus Mexiko, sie wohnt in den Vereinigten Staaten und ist 27 Jahre alt."
Alondra de la Parra, die einzige porträtierte Dirigentin, leitete zu Drehbeginn in New York bereits ihr eigenes Orchester und galt in den USA als Shootingstar. Ihr Enthusiasmus und die Ernsthaftigkeit, mit der sie probt, wirkt ansteckend; leider wird im Film nicht geklärt, warum ausgerechnet sie nach der ersten Runde rausfliegt.
Der deutsche Hoffnungsträger Andreas Hotz führt ebenfalls mit präzisem Schlag das Orchester durch die musikalischen Klippen; seine ausschweifenden, didaktischen Erklärungen finden dagegen weniger Anklang:
Jury: "Er macht einen großen Fehler." Bis. "Sehr ermüdet."
Probenmitschnitte, Interviews und kleine Randgeschichten sind im Film, der auf jeglichen Kommentar verzichtet, geschickt arrangiert und zusammengebaut. "Dirigenten – Jede Bewegung zählt" zeigt unterhaltsam, und auch für musikalische Laien nachvollziehbar, warum die Person am Pult eigentlich so wichtig ist, und worum in den Proben gerungen und manchmal auch gestritten wird.
"Das ist so ein bisschen wie der Flug auf die andere Seite des Mondes, weil normalerweise wenn man ins Konzert geht, wenn man nicht in der Loge sitzt zumindest, sieht man ja den Dirigenten nur von hinten. Da kann man zwar auch viel von ablesen, aber diese direkte Interaktion sieht man eben nicht."
Am Ende steht das glamouröse Abschlusskonzert des Gewinners, bei dem dann auch effektvoll eine Träne rollt. Im Abspann des Films ist zu lesen, wie sich die Karrieren der Protagonisten entwickelt haben, und es scheint, dass ein schlechteres Abschneiden beim Wettbewerb keinesfalls zu einem uninteressanteren Lebensweg geführt hat.
Es gibt einige Stellen in "Dirigenten", an denen man sich ein kritisches Nachhaken oder mehr Biss gewünscht hätte, aber auf jeden Fall macht der Film Lust auf den nächsten Konzertbesuch – dann aber mit Podiumsplätzen und direkter Sicht auf den Dirigenten.
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