Doku über Mary Bauermeister

Eine Künstlerin und der Schatten der Männer

09:08 Minuten
Die Künstlerin Mary Bauermeister trägt ein Tuch um den Kopf, sie betrachtet eines ihrer Kristall-Objekte. Die Ausstellung, in dem ihr Gesicht auch zu sehen ist.
Wegbereiterin für die Entwicklung Kölns als Kunststadt: Mary Bauermeister und eines ihrer Kristallobjekte bei einer Ausstellung 2012 in Bonn. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Carmen Belaschk im Gespräch mit Massimo Maio · 01.09.2021
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Mary Bauermeister ist eine wichtige Künstlerin, die aber erst zuletzt wieder mehr Aufmerksamkeit erfährt. Bekannt war sie eher in anderen Rollen, etwa als Frau des Komponisten Karlheinz Stockhausen. Carmen Belaschk widmet ihr nun eine Doku und kommt ihr sehr nah.
"Mary Bauermeister war eine Göttin hier", sagt ein New Yorker Galerist. Dann habe sie sich verliebt: "Sie ging nach Europa und war ein Niemand." Ihre Liebe war der Komponist Karlheinz Stockhausen, die New Yorker Fast-Schon-Ikone wurde seine Frau und bekam mit ihm zwei Kinder.
Während der Galerist das als geradezu sinnbildlich "für die weibliche Tragödie in der Kunst" sieht, will Filmemacherin Carmen Belaschk nicht von einem Lebensthema Mary Bauermeisters "Anerkennung als Künstlerin in der Männer-Kunstwelt" sprechen: "Aber es hat schon eine Rolle gespielt, weil es Folgen für ihren Erfolg hatte."

Lintgasse 28, Köln

Die Regisseurin hat den Dokumentarfilm "Mary Bauermeister - Eins und Eins ist Drei" über die Künstlerin gemacht, die für Köln und auch für die Kunstgeschichte in Europa sehr wichtig wurde: Sie bezog 1960 in Köln in der Lintgasse 28 eine Wohnung im Dachgeschoss, wo Konzerte, Ausstellungen und intermediale Veranstaltungen stattfanden, die heute als "Prä-Fluxus-Veranstaltungen" eingeordnet werden und erheblich zur Entwicklung der Kunstszene in der Domstadt beitrugen.
"Mary wurde schon sehr früh als Organisatorin in der Lintgasse gefeiert", sagt Belaschk. Davon würden die meisten Menschen auch heute noch sprechen, wenn sie über Bauermeister redeten. Auch werde die 86-Jährige fälschlich als Fluxus-Künstlerin eingeordnet.
Am Ende stimmt es also schon: "Mary wurde immer so ein bisschen die Aufmerksamkeit von den Männern um sich herum weggenommen", sagt Belaschk. Ihre ganz eigenen Erfolge habe sie tatsächlich nach der Kölner Zeit gefeiert: "In Amsterdam und in New York, wo sie dann auch heraustreten konnte und nicht mehr im Schatten ihres Mannes oder anderer männlicher Künstler stand."

Große Offenheit bei Mary Bauermeister

Die Filmemacherin nennt ihre Protagonistin konsequent mit dem Vornamen; Regisseurin und Protagonistin sind sich so nah gekommen, dass Belaschk sogar mit der Kamera bei der Weihnachtsfeier dabei war: "Mary Bauermeister war tatsächlich von Anfang an sehr offen und hat mich von Tag eins an sehr viel mit einbezogen", sagt Belaschk.
"Das hat sich auch manchmal darin geäußert, dass ich sehr, sehr viele Kunstwerke von A nach B geschleppt haben und immer wieder in Prozesse mit einbezogen wurde", schildert sie. Sie habe das alles sehr sympathisch gefunden, "weil ich dadurch natürlich auch das Gefühl hatte, dass wir sehr ehrlich miteinander sind".
Sie habe ohnehin schon sehr früh den Eindruck gehabt, dass Bauermeister sich öffnen könne, erinnert sich die Filmemacherin. Den Impuls zu dem Film sei von einem Interview mit Bauermeister ausgegangen:
"In diesem Interview war sie gleich sehr frech, sehr schlagfertig. Ich habe gleich gemerkt, dass sie kein Blatt vor dem Mund nimmt." Das habe ihr sehr gut gefallen. "Ich habe sofort gespürt, dass Mary Bauermeister eine Person ist, der man auch nah kommen kann und die sich nicht zu sehr versteckt."

Raum für Sohn Simon Stockhausen

"Natürlich versteckt sich jeder ein bisschen", macht Belaschk klar. Eine Kamera habe auch Grenzen bei so großer Offenheit, wie sie Bauermeister an den Tag gelegt habe. "Ich möchte behaupten, dass man niemals die ganz ehrliche Version von einer Person in einem Dokumentarfilm bekommt. Aber nichtsdestotrotz fand ich es ganz beeindruckend, wie viele Einblicke ich doch bekommen konnte."
Im Film geht es vor allem um das Hier und Jetzt. Bauermeisters Sohn Simon Stockhausen bekam auch viel Raum, was anfangs allerdings gar nicht geplant gewesen sei: "Simon ist so ein Counterpart", sagt Belaschk. "Ich fand es von Anfang an faszinierend, dass die beiden eine doch recht innige, aber gleichzeitig auch reibungsintensive Beziehung zueinander pflegen", erklärt sie. "Er zeigt auch noch mal eine ganz andere Sicht auf Mary Bauermeister."
Belaschk hat Bauermeister auch den Rohschnitt des Films gezeigt: "Es war mir wichtig, was sie davon denkt." Anfangs habe Bauermeister damit gehadert. "Dann war ich natürlich ein wenig enttäuscht." Als Filmemacherin wolle man natürlich, dass die Künstlerin das Produkt auch toll finde. Allerdings wisse sie eben auch, dass alle Menschen ihre eigenen Sichtweisen hätten. "Sie sieht sich selbst natürlich anders als ich."
(mfu)
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