So absurd wie die Realität in Israel

Aufregung im Internet, offizielle Untersuchung, Parlamentsdebatte: Im Theaterstück "The Hearing" dokumentiert die Regisseurin Renana Raz den Fall des Lehrers Adam Verete. Eine Schülerin hatte sich über seine angebliche Anti-Israel-Propaganda beschwert.
Ein Tagungsraum im Kunstmuseum von Tel Aviv. Zuschauer und Darsteller sitzen an einen Konferenztisch. Ein Text wird verlesen: Das in Israel vermutlich am häufigsten auf Facebook "gelikete" Dokument des letzten Jahres. Es ist ein Brief, indem sich die Schülerin Saphir Sabah aus Haifa über ihren Lehrer Adam Verete bei dessen Dienstherrn, dem israelischen Erziehungsminister über angebliche Diffamierung der israelischen Armee und über die Pro-Palästina Haltung des Lehrers beschwert. Der rechte Abgeordnete Michael Ben-Ari veröffentlichte den Brief auf seiner Facebook Seite und löste eine Medien-Kampagne aus:
"Nowadays we don't have debates",
sagt die Regisseurin Renana Raz.
"Es gibt keine wirklichen Debatten. Höchstens Fernseh-Diskussionen in denen sich jemand von der Linken und der Rechten anschreien."
Wochen später, der Lehrer hatte mittlerweile schon zahllose Drohungen in den sozialen Medien erhalten, fand eine Anhörung statt.
Ein inspirierender Schock
"I had the feeling someone wrote a play."
Die Original-Tonaufnahme hörte sich für Renana Raz an wie ein Theaterstück mit absurden Zügen. Als der Lehrer von seinem Engagement für ein unabhängiges Palästina erzählt, fragen der Direktor und die Beisitzer: "Palästina? Was soll das sein? Das gibt es doch gar nicht."
"Das hat mich echt schockiert. Als Rechter kann ich sagen, dass die Palästinenser nie einen Staat haben werden, aber ihre Existenz zu leugnen? Was habe ich davon, Schülern die Auseinandersetzung damit zu verbieten? Spätestens wenn sie zur Armee gehen, werden sie kapieren, um was es hier geht."
In der Anhörung wird klar, dass Verete die Schüler dazu aufforderte, die Armee an ihrem eigenen moralischen Ansprüchen zu messen, nichts weiter. In einer normalen Theateraufführung dieses Dokuments hätten die Schauspieler einfach die gängigen Klischees vom besonnenen Pädagogen und dem polternden Direktor wiederholt, sagt die Regisseurin. In ihrem Stück "Hashimua” lässt Renana Raz die Anhörung nicht spielen, sondern von den Darsteller nachsprechen.
Über Kopfhörer verfolgen sie die Originalaufnahme des Lehrers, die sie wie Simultanübersetzer in verteilten Rollen wiedergeben. Der Text steht im Mittelpunkt und verlangt volle Konzentration. Raz macht es ihrem Publikum nicht leicht. Um jede Identifikation zu unterlaufen, tauschen die Darsteller immer wieder die Namensschilder und die Rollen.
David Grossman als Vorbild
"Hashimua"- "Die Anhörung" ist fast eine Metapher zur Lage der Nation Israel. Denn so wie Verete seine Haltung gegenüber den Schulbehörden verteidigen muss, werden Künstler wie Renana immer wieder wegen ihrer Kritik angegriffen. Die Kulturministerin hat ein Gesetz in die Knesset eingebracht, um staatliche Subventionen an eine Art Loyalitätserklärung zu Israel koppeln. Was die Regisseurin davon hält? Sie zitiert den Schriftsteller David Grossman:
"David Grossman, unser bekanntester Schriftsteller hat das besser beschrieben als ich: Nur ein faschistisches Regime verlangt von seinen Bürgern, ihre Loyalität zu erklären, aber in einer Demokratie geht das nicht. Als Individuum ist man nur seiner Kunst verpflichtet und sich selbst."
Sie selbst kann sich nicht vorstellen, dass das Gesetz tatsächlich verabschiedet wird:
"There are still laws and courts in Israel."
Vor Gericht hätte die Verordnung keine Chance und die Aufführungsgeschichte ihres Stücks lässt sie optimistisch bleiben. Gerade eben hat das Bildungsministerium, dessen Vertreter in ihrem Stück kritisiert werden, genau diese Produktion als tauglich für Schulaufführungen bestimmt.