"dOGUMENTA" in New York

Die Kunst kommt auf den Hund

Auf der "DOGumenta" Ausstellung in Frankfurt am Main (Hessen) wirft am 06.11.2012 ein Besucher-Paar mit Hund Schatten auf eine Wand.
Auch der Hund mag Kunst - oder nur, wenn man sie essen kann? © picture alliance / dpa / Nicolas Armer
Jessica Dawson im Gespräch mit Martin Böttcher · 05.08.2017
Knochengemälde, eine Skulptur zum Anpinkeln - bei der "dOGUMENTA" in New York dreht sich alles um den Hund. Weil es Zeit sei, der Hunde-Community etwas zurückzugeben, meint Jessica Dawson, die die Schau kuratiert hat - zusammen mit ihrem Hund Rocky.
Martin Böttcher: Können Sie uns kurz erzählen, was genau dort zu sehen ist, auf der dOGUMENTA?

Jessica Dawson: Nun, auf der dOGUMENTA werden Sie zehn brandneue Kunstwerke sehen, die wir bei einer Gruppe von Künstlern in Auftrag gegeben haben. Alle von ihnen haben zum ersten Mal für diese neue Publikum Kunst gemacht, für ein Publikum aus Hunden. Die Arbeiten greifen Aspekte aus der vierbeinigen Community auf, Themen, die sich von denen unserer Spezies und der Kunst darüber unterscheiden. Die Kunstwerke werden am Ufer des Hudson Rivers in New York, hier in Lower Manhattan, gezeigt.

Zum Verzehr geeignet: Kunstwerk aus Hundekuchen

Böttcher: Vielleicht können Sie mir noch mal kurz ein oder zwei Ihrer Lieblingsstücke – etwas davon erzählen. Denn erst mal hört es sich etwas komisch an - eine Ausstellung für Hunde.
Dawson: Ja, ich kann verstehen, wie Sie darauf kommen. Aber tatsächlich ist es ziemlich toll, wie unterschiedlich die Werke der Ausstellung geraten sind. Zum Beispiel basiert ein Kunstwerk auf dem Oxidation-Painting von Andy Warhol, als das, auf das er bekanntermaßen uriniert hat. Inspiriert davon hat unser Künstler eine eher minimalistische Skulptur entworfen. Auf ihrer Oberfläche befinden sich Farbpigmente, die die Hunde ruhig "markieren" dürfen, so wie sie das ja gerne machen. Dadurch wird sich die Farbe dieser Oberfläche verändern. Dieses Objekt orientiert sich also an einem bestehenden Thema aus der Kunst, die sich an Menschen richtet.
Ein anderes Kunstwerk kommt von einer Konditorin. Sie macht diese großartigen Kuchen, die an das viktorianische Zeitalter erinnern. So wird ein Bankett für die Hunde entstehen, aus Trockenfutter und Leckerlis. Und jetzt können Sie sich schon vorstellen, dass sich daraus eine gewisse Spannung zwischen Hundehalter und Hund ergibt. Denn die Hunde dürfen das Futter, oder wie ich besser sagen sollte: das Kunstwerk, ja fressen. Aber werden es ihnen ihre Besitzer auch erlauben?

Der Hunde-Community etwas zurückgeben

Böttcher: Ist das denn trotzdem eine Hausausstellung für Hunde, oder ist es auch eine Ausstellung für die Hundebesitzer?
Dawson: Der Idee nach richtet sie sich an Hunde. Wir dachten, dass es Zeit wäre, der Hunde-Community etwas zurückzugeben. Mein Hund Rocky hat die Ausstellung inspiriert, er ist einer der Kuratoren. Er hat mir sehr viel übers Betrachten beigebracht, dass ich dachte: Lass diese Ausstellung für Hunde sein. Aber natürlich erwarten wir einen Dialog zwischen Hund und Herrchen. Wir denken, dass man auch über die Grenzen der Spezies hinweg voneinander lernen kann. Und klar: Die Ausstellung kann auch solchen Menschen ein Zugang zu zeitgenössischer Kunst ermöglichen, die ansonsten vielleicht nicht in eine Kunstgalerie gehen würden.

"Hunde haben einen besseren Blick auf die Dinge"

Böttcher: Es geht also nicht um Kunst für Hunde oder Kunst über Hunde, sondern um Kunst für Hunde. Aber ist das nicht ein bisschen Perlen vor die Säue geworfen? Was wissen Hunde schon von der Kunst?
Dawson: Das ist ein sehr interessanter Punkt, denn Hunde haben einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Und in manchen Fällen, würde ich sagen, einen besseren. Wenn ich zum Beispiel mit meinem Rocky in eine Galerie gehe, dann hat der eben nicht vorher die Kritik in der New York Times gelesen, auch nicht die Pressemitteilung. Er lässt die Kunst ganz unmittelbar auf sich wirken. Wenn sie ihm nicht gefällt, dreht er sich um und geht. Rocky fragt sich nicht: Oh, sollte mir das eigentlich gefallen, weil die New York Times davon geschwärmt hat? Ein Hund ist also weniger voreingenommen als ein Mensch.
Böttcher: Aber als was sehen Sie sich denn? Als Hundefreund, als Künstlerin oder als ernsthafte Ausstellungsmacherin?

Draufpinkeln "ein großes Kompliment"

Dawson: Ich bin all das. Die Liebe meines Hundes, das, was er mir beibrachte, hat die Ausstellung inspiriert. Und ich selbst komme ja aus der Kunstwelt, bin seit Jahrzehnten Kritikerin, hatte zehn Jahre lang eine Kolumne in der Washington Post. Mich hat all das geprägt: Kunstgeschichte, Hundehaltung, alles.
Böttcher: Wie ist das denn? Die Hunde gehen da rein, die haben vorher keine Kunstkritik gelesen, die wissen nichts über diese Ausstellung. Aber gibt es irgendwelche Reaktionen, die Sie von den Hunden erwarten? Wäre da irgendwas, was Sie besonders freuen würde?
Dawson: Wir glauben, dass jede Form von Reviermarkierung ein großes Kompliment wäre. Wenn die Hunde pinkeln, ist das so, als würden sie sagen: Das hier würde ich gerne auf einer Auktion kaufen. Das würden wir also sehr begrüßen. Die Hunde dürfen aber natürlich tun und lassen, wonach ihnen ist. Das gesamte Kuratorenteam, Mica Scalin, ich und auch Rocky, wissen nicht, was genau passieren wird. Und das macht es extrem spannend für uns. Eine tolle Gelegenheit, um etwas zu lernen. Das ist jetzt das erste Mal, aber es werden weitere Ausstellungen folgen. Mal sehen, worauf die Hunde anspringen und wie sie darauf reagieren.
Böttcher: Und was die Hundebesitzer machen.
Dawson: Yes, also for sure. That'll be amazing.
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