Dören: Sicherheit muss Priorität haben

Bela Dören im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Nach Ansicht des ehemaligen Kölner Baudezernenten Bela Dören ist der Einsturz des Kölner Stadtarchivs auch die Folge einer Deregulierung im Baurecht. In Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern sei es inzwischen zulässig, dass der Bauträger auch mit der Bauaufsicht betraut werde, sagte Dören.
Birgit Kolkmann: Der Kölner Archiveinsturz bleibt vorerst ohne personelle Konsequenzen, jedenfalls bis kommenden Dienstag, dann entscheidet der Aufsichtsrat der Kölner Verkehrs-Betriebe, ob zum Beispiel der Technische Vorstand Walter Reinarz seinen Hut nehmen muss. Ihm wird vorgeworfen, wichtige Informationen verschwiegen zu haben. Kölns Oberbürgermeister Schramma (CDU) fühlt sich ebenfalls hintergangen. Am Montag hat er ein Disziplinarverfahren gegen den Baudezernenten Bernd Streitberger eingeleitet, der bereits im September von Grundwasserproblemen an der Baustelle gewusst haben soll. Sein Vorgänger ist Bela Dören, der ebenfalls schwere Vorwürfe erhebt. Ihn begrüße ich in der "Ortszeit", guten Morgen, Herr Dören!

Bela Dören: Guten Morgen, Frau Kolkmann!

Kolkmann: Sind denn die Verantwortlichen bei der KVB, den Kölner Verkehrs-Betrieben, also den Bauherren, zu suchen?

Dören: Also zunächst muss man ja sagen, dass in Deutschland der öffentliche Nahverkehr und auch die Baukultur einen hohen Stellenwert hat und hier irgendetwas versagt hat. Es haben zwei wirklich gravierende Eingriffe stattgefunden. Das eine ist, dass die Ingenieure oder die Bauüberwacher offensichtlich Fehler gemacht haben, das ist das eine. Und das Zweite ist, dass leider die Aufsichtsfunktion, die in Deutschland eigentlich durchaus sehr intensiv geregelt ist, ebenfalls versagt hat.

Kolkmann: Genau das aber überrascht. Wie konnte sie denn versagen?

Dören: Ja, es gibt die rechtliche Möglichkeit in Nordrhein-Westfalen und - wie ich mich habe jetzt auch erkundigen können - theoretisch auch in anderen Bundesländern, nämlich in Hamburg und Berlin, dass diese Bauaufsicht dann mit der Aufgabe der Bauausführung dann auch an den Aufgabenträger übertragen werden kann. Das ist sicherlich dann sehr sinnvoll - solche Beispiele gibt es, wenn Sie an den Schornsteinbereich oder an andere Bereiche denken -, wo Dinge, die vormals in öffentlicher Hand waren, dann an die übertragen werden, die dazu die ausführenden Dinge machen. Das hat es in der Vergangenheit gegeben, aber bei so einer großen Maßnahme, wo es um so viel Geld und auch um die Sicherheit geht, da ist sicherlich nicht gut, dass in einer Hand die Verantwortung und die Kontrolle liegt.

Kolkmann: Das kann man sich überhaupt nur sehr schwer vorstellen, dass Bauvorhaben von den Bauherren selber kontrolliert werden. Nun hat sich auch noch herausgestellt, und das hat die Stadt Köln gestern mitgeteilt, dass an der Baustelle entgegen der wasserrechtlichen Erlaubnis auch 23 Brunnen gebohrt worden sind. Genehmigt waren aber nur vier. Wenn man sich dann selber kontrolliert, dann kann ja keiner kommen und sagen: Hör mal, das darfst du aber nicht.

Dören: Ja, gut, das ist genau das systemimmanente Problem, dass wenn Kontrolle und Verantwortung und auch die Ausführung in einer Hand liegt, dann macht man Fehler.

Kolkmann: Warum machen die Städte denn das? Haben sie nicht selbst genug Kapazitäten?

Dören: Also ich hätte das nicht gemacht, muss ich deutlich sagen. Das ist aus einer Zeit entstanden, wo man deregulieren wollte, wo man auch der Meinung war, dass Dinge im privaten Bereich effektiver und besser geregelt werden könnten wie beim Staat. Und da muss man einfach wirklich noch mal drüber nachdenken, was ist eigentlich die Zielrichtung, was ist die Zielrichtung hoheitlichen Handelns. Da kann man durchaus der Meinung sein, dass also eine Bauausführung sicherlich in Hand von Firmen und meinetwegen auch die Planung teilweise in der Hand von Firmen belassen oder verlagert werden kann, aber die Kontrolle, die hoheitliche Kontrolle, das Vertrauen der Menschen, hier ist jemand unabhängig tätig, das muss tatsächlich beim Staat bleiben oder bei der Stadt und darf nicht einer Abwägung oder Interessenskonflikten ausgesetzt werden. Da muss immer die Sicherheit die höchste Priorität haben.

Kolkmann: Das ist eine klare Forderung, aber noch mal die Frage. Sie sprachen ja eben auch den schlanken Staat an, der ja in den letzten Jahren noch so sehr propagiert worden ist. Haben denn die Städte und Kommunen genügend Personal, um dann die wichtigen Vorhaben, sagen wir mal die ganz wichtigen Vorhaben auch alle selbst zu kontrollieren.

Dören: Also ich bin der Meinung, sie haben das. Man kann das nicht mit zwei, drei Mitarbeitern machen, das ist völlig klar. In der Stadt Köln gibt es und gab es ein Amt, was mit 60 bis 100 Mitarbeitern bestückt war. Diese waren auch sehr fachkundig. Wenn sich Dinge im technischen Bereich ändern, muss man eventuell dann auch noch weiter Mitarbeiter einstellen, junge Leute auch heranziehen, die sicherlich an den Universitäten neue Dinge gelernt haben. Also in der Regel ist der Staat oder die Stadt - es sind ja zumeist große Städte, die solche Bauvorhaben ausführen - natürlich in der Lage, das zu machen.

Kolkmann: Gibt es denn auch Städte, die den anderen Weg beschreiten und sagen, wir geben diese Aufgaben nicht aus der Hand?

Dören: Ja, zum Beispiel in München und in Nürnberg, diese Städte sind weiterhin selbst die Bauherren und kontrollieren selbstverständlich dann auch ihre eigenen Baustellen.