Antisemitismus auf der Documenta

Der Skandal geht einfach weiter

07:40 Minuten
Eine Frau im Bildvordergrund steht vor dem Gemälde des Künstlerkollektivs Taring Padi in Kassel auf der Documenta.
Documenta in der Kritik: Bei der Kunstschau in Kassel ist eine Retrospektive der Werke des Kollektivs Taring Padi zu sehen. © imago / Rüdiger Welk
Günther Jikeli im Gespräch mit Marietta Schwarz |
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Auf der Documenta ist ein weiteres Bild mit antisemitischem Inhalt entdeckt worden. Der Antisemitismus-Forscher Günther Jikeli geht mit der Leitung der Kunstschau hart ins Gericht.
Im Juni wurde auf der Documenta das comicartige Banner des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi wegen antisemitischer Inhalte aus dem Verkehr gezogen. Im Streit um das Kuratorenteam Ruangrupa trat bald darauf die Documenta-Leitung zurück. Nun ist ein weiteres Bild von Taring Padi mit antisemitischen Inhalt aufgetaucht.

Das antisemitische Stereotyp wird weiter bedient

Das Werk mit dem Titel „Das Land den Menschen“ zeigt eine Schweinskopf-Figur mit Geldsack und Wanderstab. Strukturell sei das Bild antisemitisch, sagt der Historiker Günther Jikeli. Die im Bild enthaltene Symbolik sei im 17. Jahrhundert geprägt worden. Hintergrund ist eine Legende, die behauptet, dass ein Jude von Jesus verflucht wurde und ewig umherwandern musste, weil er für dessen Leiden verantwortlich war.
Der Autor Dierk Höhne glaubt, dass von den Documenta-Querelen ausgehend der Antisemitismus in der Bildsprache neu diskutiert werden kann . Er gehört zum Kuratorenteam einer Ausstellung im Münchner Lenbachhaus: „Was von 100 Tagen übrig blieb  – die Documenta und das Lenbachhaus“ heißt diese.

Kultur, Mystik und Religion

Höhne ist vorsichtig, das neu gefundene Bild als antisemitisch zu bezeichnen: „Ich glaube, dass sich die Künstlergruppe auch ganz oft auf lokale Ikonografien der lokalen Kultur, Mystik und Religion beruft“, betont er.
Doch das lässt der Antisemitismus-Experte Jikeli nicht gelten: Auch wenn die Künstlergruppe erkläre, das Bild prangere Militarismus und Kapitalismus an, und auch, wenn es möglicherweise den Künstlern oder Betrachtern des Bildes gar nicht bewusst sei, handele es sich doch um Antisemitismus, weil mit der Symbolik die Ungerechtigkeiten der Welt erklärt würden: „Das ist eben sehr eindeutig, dieser Wanderstab, mit einem Geldsack verbunden.“

Soll die Documenta abgebrochen werden?

Trotzdem müsse das Bild nicht entfernt werden, meint Jikeli. Vielmehr sei es wichtig, dass sich die Künstlergruppe und auch die Documenta-Verantwortlichen mit der antisemitischen Denkweise auseinandersetzten, um diese zu "brechen“. Hierzu müsse eine konstruktive Diskussion stattfinden.
Vorwürfe macht Jikeli vor allem der Leitung der bisher so renommierten Kunstschau. Dass die Verantwortlichen offenbar nicht selbst massiv daran interessiert seien, die antisemitischen Kunstwerke kritisch zu diskutieren, sondern von Besuchern und Journalisten auf diese hingewiesen werden müssten, sei der eigentliche Skandal, betont er.
Wenn man sieht, dass sich niemand der Verantwortlichen auch selbstkritisch damit auseinandersetzt: Das ist ein Skandal, der sich seit Anfang des Jahres durchzieht", sagt Jikeli. Vor diesem Hintergrund sei auch der Abbruch der Documenta eine Option.

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