"Docks" und "Große Freiheit 36"

Verschwörungsmythen bringen Clubs auf Abwege

Außenansicht des Clubs. An der Fassade hängen viele Plakate.
Mitte Januar war die Fassade des "Docks" in Hamburg mit zahlreichen Schriften und Plakaten zu den Corona-Maßnahmen beklebt. © imago / Chris Emil Janßen
Von Axel Schröder · 15.04.2021
Der Betreiber der beiden bekannten Hamburger Clubs "Docks" und "Große Freiheit 36" steht in der Kritik. An der Fassade seiner Clubs hängen zahlreiche Plakate gegen die Corona-Maßnahmen. Künstler und Konzertagenturen kündigen einen Boykott an.
Karl-Hermann Günther, der Chef des Hamburger "Docks" und der "Großen Freiheit 36", gibt selbst keine Interviews. Weil er die Corona-Maßnahmen aber scharf kritisiert und diese Meinung auch öffentlich sichtbar sein soll, entschied sich der heute in Kiel lebende Günther, die Flächen vor seinen Clubs für Statements zur Coronapolitik zu nutzen, erklärt sein Sprecher Torsten Engelbrecht.

Wandzeitung gibt Richtung vor

"Sein Weg war halt, dass er das da draußen hat anhängen lassen, diese Wandzeitung. Vielleicht auch so eine Art Kunstprojekt. Und darüber dann in den öffentlichen Diskurs auch reinzukommen und zum Nachdenken anzuregen."
An einer roten Wand hängen Rahmen mit Zetteln und Plakaten.
Die Wandzeitung an der "Großen Freiheit 36" in Hamburg. Auf den Zetteln und Plakaten werden die Corona-Maßnahmen in Frage gestellt.© picture alliance / dpa / Jonas Walzberg
Engelbrecht ist Journalist und Autor des Buchs "Virus-Wahn". Er spricht, wenn es um Covid-19 geht, auch vom "sogenannten Coronavirus". In welche Richtung das Nachdenken über die Pandemie in den Augen von Clubbetreiber Karl-Hermann Günther gehen sollte, machten schon die ersten Aushänge klar: "Bewaffnet Euch mit Wissen!", war an der Wandzeitung zu lesen.
Wo dieses Wissen in den Augen des Clubbetreibers zu finden ist, war auch vermerkt: auf den Internetseiten des AfD-nahen Bloggers Boris Reitschuster, der die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung stets polemisch scharf, selten ausgewogen, beleuchtet, beim Mediziner Wolfgang Wodarg, der das Coronavirus mit einer Grippe-Erkrankung vergleicht, bei den verschwörungsaffinen "Rubikon-News" oder auf dem Kanal von Ken Jebsen, der in seinen Beiträgen Fakten und Falschinformationen zusammenmischt und den Microsoft-Gründer Bill Gates für einen der mächtigsten Drahtzieher hinter der Coronapandemie hält.
Karl-Hermann Günthers Rechtsanwalt Alexander Christ ist beim Interview mit Deutschlandfunk Kultur dabei und verteidigt das Vorgehen seines Mandanten. "Ken Jebsen ist ein Journalist, der journalistische Prinzipien anwendet, sie für sich reklamiert, und insofern ist er ein Journalist wie jeder andere, der Gehör finden muss."
Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Ken Jebsen, seine Methode, Fakten zu verdrehen und zu verkürzen, lässt Anwalt Christ unerwähnt. Christ gehört zu den "Anwälten für Aufklärung", die der "Querdenken-Bewegung" nahesteht.

Zusammenarbeit abgebrochen

Ende März, als Reaktion auf die Wandzeitung, veröffentlichte das "Clubkombinat", ein Zusammenschluss von knapp 200 Clubs, einen Offenen Brief an die Leitung des "Docks" und der "Großen Freiheit 36". Natürlich seien viele Corona-Maßnahmen diskussionswürdig, heißt es darin. *)
"Es ist mehr als naiv, eine 'offene' Plattform für Corona-Kritik zu betreiben, obwohl allseits bekannt ist, wie sehr Pandemie-Leugner:innen, Verschwörungstheoretiker:innen, antisemitische, sowie rechtsnationale Strömungen miteinander verwoben sind und wie sehr Radikale diesen Diskurs aktiv für ihre Zwecke instrumentalisieren."
Einen eigenen, noch schärfer formulierten Brief, mit Unterschriften von rund fünfzig Musik-Bands veröffentlichte ein Aktionsbündnis aus Clubkombinats-Mitgliedern. Darin heißt es:
"Wer rechten Akteur*innen und Verschwörungsideolog*innen wie 'Ken FM' und 'Reitschuster' eine Bühne bietet, verbreitet damit rechte Inhalte und wirkt als Multiplikator*in für jenes Gedankengut." Deshalb werde jegliche Zusammenarbeit mit den betroffenen Clubs konsequent abgebrochen.*)
Zur existenziellen Bedrohung für das "Docks" und die "Große Freiheit 36" könnte ein Boykott durch Konzertagenturen werden. Mitte März unterzeichneten unter anderem die "Karsten Jahnke Konzertdirektion", "FKP Skorpio", das Label "Buback" und das "Reeperbahn Festival" die Boykott-Erklärung an die Adresse der beiden Clubs.
Eine Nähe seines Mandanten zu Corona-Skeptikern und Verschwörungserzählungen weist der Anwalt von Clubbetreiber Karl-Hermann Günther zurück. Und merkt gleich darauf an, dass Günther die Clubs auch in Pandemiezeiten gern offen gelassen hätte:
"Ich verstehe das so, dass er sagt: ‚Es gibt Quellen, die sagen, das wäre durchaus möglich gewesen.‘ Weil es tatsächlich interessante wissenschaftliche Nachweise gibt, dass man eben keine Pandemie feststellen konnte, dass es keine Übersterblichkeit gibt, dass ein PCR-Test keine Infektionen nachweist."

Band boykottiert Club

Allen Experten-Aussagen zum Trotz führt Anwalt Alexander Christ aus: FFP2-Masken seien wirkungslos und der Alarmismus in Bezug auf knapper werdende Intensivbetten nur durch bewusste Manipulationen erklärbar. Im Übrigen vermelde auch das Robert-Koch-Institut falsche Zahlen. Schlimm sei, dass dies nicht öffentlich diskutiert werden dürfe.
"Wir stellen nur fest: Wir sind in einer Meinungsdiktatur gelandet, wo es schwierig ist, eine andere, abweichende Meinung zu vertreten als die, die die Regierung gerade offiziell verlautbart."

Freie Meinungsäußerung

Einer derjenigen, die mit ihren Bands nicht mehr in den beiden Clubs von Karl-Hermann Günther auftreten will, ist der Sänger von "ZSK", Joshi:
"Ich werde ihm nicht verbieten, diese Sachen da an die Wand zu hängen. Aber ich möchte dann auch nicht Teil davon sein. Das ist ja schon noch ein Unterschied. Ich will das nicht verbieten, aber das kriegt dann nicht meine Unterstützung, indem wir dann hinter diesen Türen genau spielen, wo draußen diese Scheiße dranhängt."
Das Recht auf freie Meinungsäußerung sieht Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda im Streit um das "Docks" und die "Große Freiheit 36" nicht gefährdet. Er halte es, schreibt Brosda, mit dem Songschreiber und Musiker Danny Dziuk und dessen Ausspruch: "Man darf in diesem Land beinah alles sagen. Nur muss man aber dann auch das Echo ertragen."

*) Wir haben an dieser Stelle und im Audio die Quelle präzisiert.
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