DJV-Vorsitzender zum geplanten BND-Gesetz

"Mangelnder Quellenschutz kann tödlich sein"

09:55 Minuten
Der Journalist Frank Überall im hellblauen Hemd schaut in die Kamera.
Gesellschaftsrelevante Verfehlungen ließen sich oft nur mit Informanten aufdecken, sagt Frank Überall. Doch diese müssten geschützt werden. © imago / Sven Simon
Frank Überall im Gespräch mit Britta Bürger · 19.02.2021
Audio herunterladen
Ein breites Medienbündnis kritisiert die Neufassung des BND-Gesetzes. Mangelnder Quellenschutz sei für Geheimdienste eine willkommene Änderung, könne für Informanten und Journalisten allerdings fatal sein, sagt der DJV-Vorsitzende Frank Überall.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 die anlasslose Massenüberwachung von E-Mails und Telefonaten durch den BND als grundgesetzwidrig gekippt. Sie verstoße gegen das Telekommunikationsgeheimnis und die Pressefreiheit. Darum soll der Gesetzgeber das BND-Gesetz bis Ende 2021 neu gestalten.
Doch die geplante Neufassung der Regierung wird vor einer Anhörung im Bundestag in der kommenden Woche gleich von mehreren Verbänden kritisiert, darunter Gewerkschaften, Zeitschriftenverleger, ARD und ZDF sowie der Deutsche Journalisten-Verband DJV. Hauptkritikpunkt: Die Gesetzesnovelle schütze Quellen und Informanten nicht ausreichend.

Geschwärzte Personendaten sind nicht ausreichend

Dass nachgebessert werden müsse, zeige das breite Medienbündnis, sagt der DJV-Vorsitzende Frank Überall. "Bisher ist es in dem Entwurf so, dass nur Personendaten nicht erfasst werden sollen beziehungsweise erfasst, aber dann geschwärzt werden sollen – oder gelöscht werden sollen, wenn sie weitergegeben werden."
Personendaten könnten beispielsweise Name und Anschrift sein. Aus anderen erfassten Daten, etwa Bewegungsdaten, könne dann aber trotzdem – insbesondere von Geheimdiensten – festgestellt werden, um wen es gehe.
"Wenn es dann um eine Redaktionsleiterin geht – oder, um den Scherz zu bringen, eine einzelne Kanzlerin –, da kann man den Namen streichen und auch die Adresse" sagt Überall. "Letzten Endes weiß dann sowieso jemand, um wen es geht."

Informanten als wichtige Quelle

Genau hier sei das Problem, wenn es um den Kern journalistischer Tätigkeit gehe, nämlich zu recherchieren. "Das heißt, sich nicht nur auf einer Pressekonferenz des Innenministeriums oder des BND zu setzen, sondern tatsächlich auch mit Informanten Kontakt aufzunehmen."
Er könne nachvollziehen, dass Geheimdienste möglichst viele Daten haben wollten und es gehe auch um ein hohes Schutzgut. "Wir wollen vor Terroranschlägen und dramatischer Kriminalität gegen unsere Staaten und Staatenverbünde geschützt werden." Doch für das schwierige Geschäft der Geheimdienste müsse es an bestimmten Stellen auch Schranken geben, auch wenn diese am liebsten keine Schranken haben wollten, sagt Überall.

Aufdeckung von Verfehlungen

Wenn er selbst etwa über das Bundesamt für Verfassungsschutz berichten wolle, könne er Informationen nicht in Online-Foren erhalten, sondern von Menschen, die sich ihm anvertrauten: "Da muss man ganz besonders vorsichtig sein, weil natürlich Geheimnisse verraten werden." Wo es um gesellschaftlich relevante Themen und Verfehlungen gehe, müsse es möglich sein, diese mittels Informanten öffentlich zu machen: "Damit man darüber diskutiert, damit möglicherweise dann auch strafrechtliche Ermittlungen geführt werden."
Genauso wie der Schutz von Patientendaten bei Ärzten müsse auch für Journalisten gelten, dass deren Informanten und auch die Journalisten selbst geschützt blieben: "Letzten Endes können wir unsere Arbeit nicht mehr verrichten, wenn wir ständig damit rechnen müssen, dass wir und unsere Informanten an der Stelle überwacht werden. Und das haben Gerichte ja auch festgestellt: Das ist verfassungswidrig."

Mangelnder Schutz ist lebensgefährlich

Entfalle dieser Schutz, könne die Aufdeckung der Identität von Informanten und Journalisten tödlich sein, vor allem, wenn Daten an ausländische Geheimdienste weitergegeben würden:
"Wir haben internationale Rechercheverbünde, zum Beispiel zu den Panama Papers. Und natürlich hat man es da auch mit schwierigen Persönlichkeiten zu tun. Und wir haben als Medien, die für Deutschland berichten, aber nicht in Deutschland berichten, auch sogenannte Ortskräfte, oft freie Mitarbeiter, die uns zuarbeiten, auch mit Recherchen. In manchen Ländern in Diktaturen beispielsweise ist das dann für unsere Informanten wortwörtlich lebensgefährlich."

Kritik wird gehört

Für die Anhörung am Montag im Bundestag hoffe er, dass die Argumente ernsthaft vor dem Hintergrund der Verfassung und der Pressefreiheit abgewogen würden, sagt Überall: "Damit das Ganze nicht wieder vor dem Verfassungsgericht landet."
Langsam komme das Gesetz auf die Zielgerade, auch weil man an einigen Stellen Vorschläge der Kritiker berücksichtigt habe: "Es ist beispielsweise dieser Kontrollrat eingeführt worden. Und wenn personenbezogene Daten dann doch erhoben werden sollen, dann muss der BND-Präsident persönlich eingeschaltet werden und zustimmen, und zwar vorher. So steht es auch ausdrücklich im Gesetz. Es gibt durchaus viele positive Punkte, die jetzt schon aufgenommen wurden. Dazu gehören diese Genehmigungsfragen."
(mle)
Mehr zum Thema