Djir-Sarai: Wahl im Iran ist eine Farce

Bijan Djir-Sarai im Gespräch mit Nana Brink · 13.06.2013
Die Enttäuschung bei den jungen, gut ausgebildeten Iranern sei groß, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai. Denn keiner der Kandidaten vertrete bei der Präsidentschaftswahl am kommenden Samstag die Interessen dieser Generation. Viele von ihnen hätten den Wunsch auszuwandern.
Nana Brink: Die Präsidentschaftswahlen morgen im Iran stehen unter einer großen Frage: Wer folgt Mahmud Ahmadinedschad nach? Seine achtjährige Amtszeit sorgte – ich will es mal so ausdrücken – für Furore. Er wird als Initiator des iranischen Atomprogramms in die Geschichtsbücher eingehen, als der, der Israel, so wörtlich, "ausradieren" will und den Holocaust für ein Märchen hält. Seine Anhänger feiern ihn als Helden, weil er sich gegen die UN-Sanktionen stemmte. Die Grüne Revolution konnte er 2009 zwar niederschlagen – Sie erinnern sich sicherlich an das Bild der jungen Frau namens Neda, die vor den Augen der Kamera starb. Aber die junge Elite ist nach wie vor unzufrieden. Denn wirtschaftlich hat er das Land in den Ruin getrieben und außenpolitisch isoliert. Der wichtige Bündnispartner Syrien, eigentlich der einzige, versinkt selbst in Bürgerkrieg. Bijan Djir-Sarai ist Abgeordneter der FDP im deutschen Bundestag und Vorsitzender der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Schönen guten Morgen!

Bijan Djir-Sarai: Guten Morgen!

Brink: Gibt es überhaupt eine Reformchance bei diesen Wahlen, und welchen Namen hat sie?

Djir-Sarai: Ehrlich gesagt, ich sehe bei dieser Wahl keine Reformchance. Wir haben ja im Prinzip gesehen, dass der Wächterrat – das ist ein Gremium, bestehend aus sechs Geistlichen und sechs Juristen, und die Geistlichen werden vom religiösen Führer benannt und die sechs Juristen vom iranischen Parlament –, die haben im Prinzip im Vorfeld der Wahl alle Kandidaten aussortiert, die auch annähernd nach Reform riechen. Das heißt, bei dieser Wahl gibt es natürlich wie bei allen anderen iranischen Wahlen sehr viele Diskussionen, aber einen Reformer unter den Kandidaten sehe ich derzeit überhaupt nicht.

Brink: Aber wenigstens einer, der etwas gemäßigt ist, ich denke da zum Beispiel an den früheren Außenminister Velayati?

Djir-Sarai: Also ich halte Herrn Velayati für überhaupt nicht gemäßigt! Herrn Velayati kennen wir als ehemaligen Außenminister. Herr Velayati ist gerade jemand, der im Prinzip diese gefährliche Rhetorik, die Herr Ahmadinedschad benutzt hat, fortsetzen würde. Der ist ein enger Berater, ich glaube sogar, der außenpolitische Berater des Revolutionsführers Herr Chamenei. Der gehört mit Sicherheit nicht zu den Reformern. Es ist in der Tat schwierig, bei dieser Wahl einen Reformer zu finden, weil das Regime auch alles tun will, um quasi diese Bilder und diese Ereignisse von 2009 nicht mehr zu bekommen. Das heißt, man will keine Überraschung haben, man will auch keine Unruhen haben, und man will niemanden haben, der im Prinzip das ganze System gefährdet. Also dieses mal ist man auf Nummer sicher gegangen und hat alles ausgeschlossen, was annähernd nach Reform aussieht. Diese Wahl ist selbst für iranische Verhältnisse eine Farce! In den vergangenen Jahren hatte ja die iranische Wahl immer eine Überraschungskomponente …

Brink: Also bei Ahmadinedschad war das ja der Fall, nicht, vor acht Jahren?

Djir-Sarai: Ja, ja, genau, die Wahl von Herrn Ahmadinedschad war ja am Ende des Tages letztendlich ja überraschend. Und damals die Wahl von Herrn Chatami - das war ja auch eine große Überraschung. Aber dieses Mal wird die Wahl keine Überraschungskomponente beinhalten.

Brink: Also wird der Einfluss der religiösen Kräfte nach wie vor ungebrochen stark sein?

Djir-Sarai: Das wird nach wie vor ungebrochen stark sein, und die Macht bleibt quasi bei denjenigen, die im Prinzip jetzt auch schon die Macht haben, das wird nur noch mal anders verteilt.

Brink: Wir haben es bei der Grünen Revolution 2009 ja erlebt, dass eine junge Elite einen unglaublichen Druck ausübt, oder da sozusagen ein Kessel, etwas explodiert ist, auch unter dem wirtschaftlichen Druck, denn es ist ja unumstritten, dass Ahmadinedschad das Land ja an den Rand des Ruins getrieben hat. Wird sich das irgendwie auswirken?

Djir-Sarai: Ja, also zunächst einmal, im Iran gibt es eine starke Zivilgesellschaft, und es gibt Millionen von jungen Iranern, die sehr gut ausgebildet sind und vor allem auch westlich orientiert sind. Sie sind gut informiert, sie wissen, was in der Welt passiert, aber meine Beobachtung ist, dass die meisten mit dieser Präsidentschaftswahl nichts anfangen können. Das heißt, die sagen: Für mich persönlich ändert sich sowieso nichts. Die Enttäuschung ist unheimlich groß, dass da kein Kandidat dabei ist, der zumindest die Mehrheit oder die Interessen dieser Generation auch vertreten kann. Das heißt, aus der Sicht der jungen Generation oder der iranischen Eliten ist diese Wahl sowieso keine echte Wahl, von daher haben die, konzentrieren die sich auf andere Dinge. Ein Problem im Iran ist natürlich die wirtschaftliche Situation, und gerade die iranische Mittelschicht hat ja mit den Auswirkungen der Sanktionen tagtäglich zu kämpfen. Das sind die Dinge, die alltäglichen Probleme der Iraner derzeit.

Brink: Die UN-Sanktionen drücken ja auch ganz massiv auf das wirtschaftliche Weiterkommen des Landes. Gibt es da keinen Ausweg, oder äußert sich das nicht auch in Einflussnahme auf die Politik?

Djir-Sarai: Es gibt natürlich punktuell Diskussionen, gerade im Bezug auf die Atomfrage. Aber letztendlich können ja die öffentlichen Diskussionen im Iran ja nicht stattfinden. Gerade nach 2009 hat sich auch die Situation verschärft, das heißt, die Unterdrückung der Opposition ist ja noch heftiger geworden als in den letzten Jahren oder die Jahre davor. Das heißt, es besteht nicht groß die Möglichkeit, eine öffentliche Diskussion zu führen, ob die Politik des iranischen Regimes gerade mit der Atomfrage, mit den Auswirkungen der Sanktionen, ob das alles hilfreich war oder nicht. Das heißt, dieser Raum für Diskussionen existiert im Iran nicht. Dort besteht auch nicht die Möglichkeit, sich zu artikulieren, das ist das große Problem. Also ich kenne viele Fälle, wo die Menschen sich direkt für die Auswanderung entscheiden, anstatt dort zu bleiben, weil sie das für ziemlich perspektivlos halten.

Brink: Ich gehe davon aus, dass Sie Kontakt zu Kollegen haben im Iran, Wirtschaft ist ja auch Ihr Spezialgebiet. Was hören Sie von ihnen in den letzten Wochen und Tagen vor der Wahl?

Djir-Sarai: Ja, im Prinzip dreht sich ja auch bei der Präsidentschaftswahl vieles um das Thema Wirtschaft. Die Frage ist ja, wie das Land aus dieser wirtschaftlichen Isolation wieder rauskommen kann. Nur diese Frage hat ja natürlich was mit den Sanktionen zu tun, und diese Frage hat mit der Atompolitik zu tun. Wenn von der iranischen Seite kein Einlenken und keine Veränderungen kommen, dann wird sich vermutlich dort auch nichts ändern. Und die Situation für die Mittelschicht wird immer schwieriger, für diejenigen, die, sage ich mal, den Pasdaran nahestehen, den Revolutionswächtern nahestehen, oder Organisationen, Stiftungen dieser Art, für die ist das natürlich nicht das große Problem, weil die auch immer Wege finden, die Sanktionen zu umgehen. Aber für die einfache iranische Mittelschicht ist das ein großes Problem.

Brink: Und spüren Sie, dass sich dann vielleicht irgendwann in der Zukunft etwas ändern würde, oder ist der Druck des Regimes so stark, dass sich daran nichts ändern wird in der nächsten Zeit?

Djir-Sarai: Ja, diese Frage ist schwierig zu beantworten. Ich meine, wir waren ja auch damals überrascht über den Ausbruch des sogenannten Arabischen Frühlings - damit haben wir auch nicht gerechnet. Man weiß natürlich auch nicht, was im Iran passieren kann. Wir waren ja auch damals in Teheran über die Bilder, über die grüne Bewegung ja auch erstaunt und überrascht. Das kann man nie wissen, aber wie gesagt, das Regime ist zumindest bei dieser Wahl gut vorbereitet, um im Prinzip alles auszuschließen, was nach Unruhe oder Veränderung aussehen könnte.

Brink: Bijan Djir-Sarai, der Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe. Schönen Dank für das Gespräch!

Djir-Sarai: Bitte, sehr gerne!


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