DIW-Forscher: Luxussteuer kann sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft stärken

Markus Grabka im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Der Soziologe Markus Grabka befürwortet die Einführung einer Luxussteuer in Deutschland. Grabka, einer der Autoren der <papaya:link href="http://www.diw.de/de/diw_01.c.347505.de/themen_nachrichten/armutsrisiko_in_deutschland_steigt_kinder_und_junge_erwachsene_besonders_betroffen.html" text="Armutsstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung" title="Armutsstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung" target="_self" /> (DIW), sagte: Die Einführung einer Luxussteuer sei zwar eher ein symbolischer Akt, sie könne jedoch ihren Beitrag zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft leisten und sei in anderen Ländern "gang und gäbe".
Jan-Christoph Kitzler: "Ich spreche aus, was die Mehrheit denkt", sagt Guido Westerwelle und rechtfertigt so seine sehr umstrittenen, zum Teil sehr stereotypen Äußerungen über Hartz-IV-Empfänger in Deutschland. Mal abgesehen davon, ob die Mehrheit wirklich so denkt wie der FDP-Vorsitzende, er hat eine Debatte losgetreten, der sich Deutschland stellen muss. Da geht es um die Zukunft des Sozialstaates, um soziale Gerechtigkeit und um das, was wir noch zu verteilen haben. Die Zeit drängt, das hat in der vergangenen Woche erst wieder das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung belegt. Demnach leben inzwischen rund 14 Prozent der Menschen in Deutschland unterhalb der Armutsschwelle. Vor allem junge Erwachsene und Kinder sind betroffen und für sie stellt sich die Frage nach den Aufstiegschancen in unserem Staat, den Guido Westerwelle von spätrömischer Dekadenz bedroht sieht. – Ich spreche jetzt mit Markus Grabka, er ist einer der Autoren der Armutsstudie des DIW. Guten Tag!

Markus Grabka: Ja, guten Tag, Herr Kitzler.

Kitzler: Ihre Studie belegt, dass die Schere zwischen arm und reich weiter auseinandergeht. Welche Gefahren hat das denn für unsere Gesellschaft?

Grabka: Da kommt man leider zu dem Ergebnis, wenn man alleine mal die letzten acht, neun Jahre betrachtet, so haben die untersten 20 Prozent der Einkommensbezieher reale Einkommen in einer Größenordnung von 8 bis 9 Prozent verloren, während dessen die obersten 10 Prozent der reichsten in Deutschland real Einkommenszuwächse von knapp 15 Prozent erzielen konnten.

Kitzler: Können Sie sagen, welche Gefahren das für die Gesellschaft hat?

Grabka: Das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Ich denke mal, so als Soziologe würde man darauf hinweisen, dass schlicht und einfach die soziale Kohäsion der gesamten Gesellschaft in Gefahr gerät, wenn die Ränder immer weiter auseinanderdriften.

Kitzler: Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat sich ja eine große Steuerstrukturreform vorgenommen, auch um den Zusammenhalt zu stärken, von dem Sie gerade gesprochen haben. Mal abgesehen davon, ob diese Steuerreform finanzierbar ist, wie müsste denn ein Steuersystem aussehen, das sozial gerecht und ausgewogen ist?

Grabka: Also ich persönlich würde zumindestens erst mal anfangen, dass ich wesentlich mehr Transparenz ins System bringe, weil man kann sich heutzutage bei dem gegebenen Steuerrecht ja schlicht und einfach überhaupt nicht mehr sicher sein, ob man tatsächlich alles ordnungsgemäß angegeben hat. Also Transparenz ist schlicht und einfach das erste Stichwort, aber dann muss man natürlich die weiteren Stichworte nennen wie horizontale oder vertikale Steuergerechtigkeit, die in unserem System derzeit zumindestens nicht in jedem Falle gewährleistet ist.

Kitzler: Das heißt, Sie meinen, dass der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft sich auch mit Hilfe der Steuerpolitik organisieren lässt, ja?

Grabka: Ja. Natürlich hat auch das Steuerrecht und dementsprechend die Verteilung der entsprechenden Wohlstandszuwächse in der Gesellschaft auch mit dem Gesamtzusammenhalt der Gesellschaft auch zu tun. Wenn ich jetzt mal nur ein aktuelles Beispiel herausgreife der gerade neuen Regierung, also die Anhebung des Kindergeldes, so ist das meiner Ansicht nach vollkommen kontraproduktiv, weil dieses dazu führt, dass Familien, die Hartz IV beziehen, sage und schreibe gar keinen einzigen Cent bekommen an Kindergeld, die Mittelschicht bekommt ihre 20 Euro pro Kind, aber das Kind eines Millionärs ist schlicht und einfach derzeit dem sozialen Staat scheinbar mehr wert, und das kann sicherlich nicht zielführend sein.

Kitzler: Sie haben in einem anderen Interview eine Luxussteuer geführt, also Abgaben zum Beispiel für Luxusjachten oder große Villen. Soll damit wirklich viel Geld in die Kassen kommen, oder geht es Ihnen dabei eher um symbolische Politik?

Grabka: Nein. Das ist in der Tat natürlich eher symbolisch gemeint. Aber wenn wir uns gerade vor Augen führen, wie zumindestens bisher die große Wirtschaftskrise jetzt seit etwa 2009 haben auf der gesamten Welt, wie da sich die Kapitaleinkünfte und auch die Einkommen aus Selbständigkeit entwickelt haben, nämlich ganz klar weg von den Erwerbseinkommen hin zu diesen beiden Einkommensarten, dann muss man schlicht und einfach ein Stück weit auch darüber nachdenken, wenn Personen hier über Jahre sehr große Zuwächse erzielt haben, dass sie ein Stück weit natürlich auch an diesem Wohlstandsgewinn auch andere partizipieren lassen, und warum sollte man das nicht zum Beispiel auch über eine Luxussteuer machen, die in anderen Ländern durchaus auch Gang und Gäbe ist.

Kitzler: Verlassen wir mal das Thema Steuern und kommen zu einem anderen großen Brocken, der für viel soziale Ungerechtigkeit sorgt, nämlich der Brocken der Sozialabgaben. Was muss da passieren Ihrer Meinung nach?

Grabka: Ich denke, da hat sicherlich Herr Westerwelle in einem Punkt Recht: Ein einfaches nur mehr in das System hineingeben, das kann nicht die Lösung sein, sondern das zeigt ja zum Beispiel auch die OECD auf: Das Ausmaß an Umverteilung ist in Deutschland bereits weit überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen OECD-Ländern, aber die Frage der Effizienz wird viel zu selten gestellt, und zum Glück ist es ja so, dass zum Beispiel das Familienministerium derzeit ja damit beschäftigt ist, die familienpolitischen und ehe- und familienbezogenen Förderinstrumente, die es in Deutschland gibt – und das sind mehr als 100 verschiedene -, auf ihre Effizienz und Effektivität zu überprüfen. Und da kann man zum Beispiel Stichworte nennen wie die beitragsfreie Familienversicherung, oder das Ehegatten-Splitting, ob diese in der Tat heutzutage überhaupt noch zeitgemäß sind und vor allen Dingen wirklich das Ziel erfüllen, was man eigentlich damit bezweckt.

Kitzler: Das heißt, die gute Nachricht wäre, wir brauchen nicht unbedingt mehr Geld, sondern es muss nur besser verteilt werden?

Grabka: Es ist oftmals eigentlich so meine eher saloppe Formel, Deutschland hat genug Geld – und das zeigt ja auch die OECD -, wir haben bereits schon ein sehr hohes Maß an Umverteilung, es werden Milliarden-Beträge jedes Jahr von einzelnen Schichten hin- und hergeschoben, aber wir stellen viel zu selten die Frage, ob das Ausmaß, was wir hin- und herschieben, so gut eingesetzt ist und vor allen Dingen wirklich den Personengruppen auch zugute kommt, die es am nötigsten haben.

Kitzler: Kommen wir zum Schluss noch mal zu einem ganz konkreten Problem, was Ihre Studien belegen, was auch andere Studien belegen, nämlich dass Kinder aus armen Familien schlechtere Aufstiegschancen haben. Wer einmal arm ist, der bleibt meist arm. Ist das vielleicht das größte Problem bei der Frage der sozialen Gerechtigkeit?

Grabka: Ich denke, das ist in der Tat die zentrale Herausforderung, dass eben die Chancengleichheit in Deutschland nicht mehr in dem Maße gewahrt ist, wie es vielleicht noch in früheren Zeiten der Fall war. Das zeigen ja die Pisa-Studien, das zeigt der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, dafür gibt es also verschiedenste empirische Belege, dass eben Deutschland insbesondere im Hinblick auf die Chancengleichheit relativ schlecht abschneidet und vor allen Dingen damit auch langfristig eben eine Benachteiligung von bestimmten Personengruppen damit verbunden ist und diese es sehr, sehr schwer dann als Erwachsene überhaupt noch haben, diesen eingetretenen Pfaden dann zu entweichen und zu entkommen. Und da sehe ich sozusagen die zentrale Herausforderung eigentlich auch mittelfristig für die Politik.

Kitzler: Die Debatte über soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Das war Markus Grabka, Soziologe am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Vielen Dank und einen schönen Tag.

Grabka: Ja. Bitte!