Distanz und Strenge

Rezensiert von Andreas Abs · 29.06.2006
Kaum eine staatliche Organisation in Deutschland hat einen solch schlechten Ruf wie der Bundesnachrichtendienst. Vielleicht hing es damit zusammen, dass der BND dem Fotographen Andreas Magdanz gestattet hat, sich während eines halben Jahres nur begleitet von einem Sicherheitsbeamten auf dem Gelände des BND zu bewegen. Das Ergebnis ist ein Bildband mit etwa 100 Fotos, die Distanz und Strenge vermitteln.
Jeder kennt diesen schütteren, zerzausten Adler als Abdruck in der Mauer rechts neben der Einfahrt. Das ist ein schönes Sinnbild für den dahinter liegenden Bundesnachrichtendienst. Kaum eine staatliche Organisation in Deutschland hat einen solch schlechten Ruf. Vielleicht hing es damit zusammen, dass der BND dem Fotographen Andreas Magdanz gestattet hat, sich während eines halben Jahres nur begleitet von einem Sicherheitsbeamten für Aufnahmen auf dem Gelände des BND zu bewegen. Heilmannstraße 30, 82049 Pullach lautet die Adresse südlich von München.

Das 68 Hektar große Areal wurde 1936 bis 1938 als architektonisch durchaus anspruchsvolle Wohnsiedlung für Mitarbeiter der Partiekanzlei der NSDAP errichtet und 1943/44 um den Bau des Führerhauptquartiers "Siegfried" mit einem großen Bunker erweitert. Hitler hat aber nie in diesem Bau Quartier bezogen. Amerikanische Truppen beschlagnahmten den vom Krieg weitgehend verschonten Komplex 1945 und etablierten hier 1947 den Vorläufer des BND, die "Organisation Gehlen". Der ehemalige Wehrmachtgeneral Reinhard Gehlen leitete zunächst den von den USA geführten Geheimdienstvorläufer. 1956 wurde dann offiziell der BND gegründet. Derzeit steht sein Umzug nach Berlin bevor.

Immer wieder und bis zuletzt erschüttern die Organisation Skandale, wie zuletzt die Bespitzelung von Journalisten. Auch dies deutet darauf hin, und dafür kann der BND gar nichts, dass eine so friedliche Demokratie wie die Bundesrepublik eher einen Behörden-Geheimdienst hat, der sich viel mit sich selber beschäftigt, ganz anders als bei der Weltmacht USA deren aggressiver Geheimdienst CIA. Und dies ist in den Fotos des Bandes zu sehen.

Der Aachener Fotograph Andreas Magdanz hat etwa 100 Fotos in seinem Band veröffentlicht. Sie sind ausschließlich schwarz-weiß, vermitteln also Distanz und Strenge. Dies wird verstärkt durch den Umstand, dass auf den Fotos keine Menschen zu sehen sind. Dazu muss man wissen, dass Pullach nach 1945 eine geschlossene Siedlung war. Bei Gründung des Geheimdienstes sollte dieser so geheim bleiben, dass keine weitere deutsche Dienststelle von ihm wusste.

Die Familien wurden deshalb auf dem Areal in Pullach angesiedelt, die Kinder durften nicht in allgemeine Schulen gehen. Hauptaufgabengebiet des Dienstes war zunächst der Osten, also die Staaten des Warschauer Vertrages und die DDR. Die Aufgaben habe sich naturgemäß erweitert, und damit auch die Nutzung des Areals. Aus den ursprünglichen Wohnhäusern der NSDAP wurden Bürogebäude, es kamen Neubauten hinzu schon in den 50ern. Ende der 90er wurde das gesamte Areal renoviert.

Das erste Foto zeigt uns die Zufahrt im Winter, bei Schnee. Noch recht freundlich, mag man denken. Dann biegt die Kamera nach rechts zu dem besagten Adler ab, vor das Haupttor. Dahinter, in der "Alarmzentrale", sind 13 Fernsehmonitore zu sehen. Der Weg führt vom Haupttor zu vier Häuschen für den ankommenden Autofahrer, Mautstationen ähnlich. Dann sehen wir eine Dienstpistole P 2000 der Firma Heckler und Koch GmbH mit Magazin und 14 Patronen. Hier geht es also gefährlich zu. Wir sehen ein Gebäude, das einer Mischung aus großer Garage und Schwimmbad ähnelt. Es ist die "Lauschabwehr".

Hunde gibt es in der Diensthundestaffel. Und dann wird es ernst: der "Erstversorgungsraum". Seine Verwendung ist allerdings nicht ganz ersichtlich, alles ist gekachelt, in der Mitte ist eine Art flacher Badewanne auf einem hohen Sockel eingemauert, an der Wand hängt eine Brause. Und dann gleich danach etwas fürs Herz, eine Lüftelmalerei mit Berghütte und Bergen im Hintergrund. Dann fahren wir mit dem Auto weiter, vorbei an eingeschossigen Baracken, eine Tür ist bereits ausgehängt. Das Gebäude der "technischen Dienste" ist offenbar noch aus den dreißiger Jahren übriggeblieben. Dann die beeindruckende Villa des ehemaligen Büroleiters von Hitler, Martin Bormann, später Gehlens Villa, mit verschiedenen repräsentativen Räumen, einer mit einem Bild Friedrich des Großen.

Darunter ließ Bormann einen Bunker errichten, kleiner als der Hitlers nebenan. Wir sehen ein kleines Abhörgerät und eine hinter einer Krawatte verborgene Kamera mit Auslöser. Dann eine lange Straße mit Bäumen rechts und links, an den Seiten ehemalige NSDAP-Wohnhäuser. Schließlich gelangen wir an den Hauptbunker "Hagen" mit drei Meter dickem Beton, in dem nun eine Schießanlage untergebracht ist. Nebenan ein hässliche Neubau aus den Siebzigern oder frühen Achtzigern mit Waschbeton und Aluminiumfassade, offenbar das Hauptbürogebäude, es sieht aus wie ein Krankenhaus. Dann kommt das Herzstück des BND, das Lagezentrum. Es sieht aus wie der Computerraum einer Gesamtschule. Im "Aktensicherungsraum" sehen wir einen soliden Panzerschrank, im Datenzentrum schwarze, große Computer wie aus frühen Bond-Filmen. Einige Labore beherbergt der BND auch, an der Tür heißt es "Laborbereich 2 x klingeln".

Auf dem Tisch steht Ethanol, dahinter gibt es ein Chemikalienlager. Wir sehen ein Haus "Alpenblick", von dem aus man in den Wald schaut. In einem Raum mit dem Namen "Einsatzphotographie" steht ein Stuhl vor einer Ausleuchtungskamera – und dann kommt das MÜF (Prüfgerät für die Modulationsübertragungsfunktion bei photooptischen Geräten). James Bond oder vielmehr Q wäre entzückt, es gibt auch eine Handtasche für die Agentin mit eingebauter Kamera. Ein Archiv hat es, selbst Tennisplätze, ein Schutzraum für 100 Personen mit Feldbetten, ein Feuerwehrhaus, eine Heizungsanlage, in der Briketts aus Aktenresten gepresst werden, und zum Abschluss sogar ein Gästehaus, das ein wenig an den Kanzlerbungalow in Bonn erinnert.

Das alles strömt etwas Trauriges aus, etwas Vergebliches. Es erinnert an Bürokomplexe der Staatsicherheit der DDR, aber ohne dessen bürokratisch-bösartige Anmutung. Man erhält den Eindruck, als sei der BND nie wirklich gefährlich für seine Gegner, als bemühe man sich, ordentlich zu arbeiten, bleibe aber immer hinterher. Vom mystischen BND, soweit er das nach den vielen Skandalen noch war, ist nach den Fotos jedenfalls noch weniger da. Für diesen einzigartigen Einblick in die Behörde muss man allerdings auch teuer bezahlen, nämlich 55 Euro. Allein schon von daher ist der Band wohl eher etwas für Spezialisten, für Geheimdienstfans, aber auch für Spurensucher in der jüngeren deutschen Geschichte. Diese erhalten damit ein Dokument bundesdeutscher Geschichte.


Andreas Magdanz:
BND – Standort Pullach

Dumont Verlag, Köln, 2006,
191 Seiten, 55 Euro.