Disneyland für Motor-Freaks

Ganz schön still am Sachsenring

07:22 Minuten
Ein einzelner Motorradfahrer auf der Rennstrecke, im Vordergrund sind jubelnde Personen, in orangenfarbenen Overalls, zu sehen.
Wirtschaftsfaktor und Imagefaktor der Region: Motorradrennen auf dem Sachsenring in Hohenstein-Ernstthal © imago images / Andreas Gora
Von Nana Brink · 18.09.2020
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Die 14 Kurven auf knapp vier Kilometern Strecke sind bei Hobby-Rennfahrern wie Profis beliebt. Viele Firmen und die sächsische Polizei halten auf dem Sachsenring Sicherheitstrainings ab. Doch in der Pandemie heulen dort deutlich weniger Motoren auf.
"Zwei Monate haben wir keinen Umsatz gemacht, gar nichts, klagt Sachsenring-Geschäftsführer Ruben Zeltner.
"Ich bin allein im dunklen Büro, im dunklen Sachsenring gesessen. Lichter aus. Und das war schon sehr schwierig."
Jetzt drehen sich die Räder wieder auf der traditionsreichen Rennstrecke im Westen Sachsens. Ruben Zeltner, selbst erfolgreicher Rallyefahrer, steigt in sein Dienstfahrzeug, einen knallblauen BMW, 460 PS.
"Das ist schon die Rennstrecke. Heute haben wir so einen Track Day. Das heißt da fahren einfach Jungs, die auf der Rennstrecke mit ihren sportlichen Autos Spaß haben."
Auf der 3,7 Kilometer langen Strecke finden sich 14 Kurven. Dafür ist der Sachsenring berühmt. Und davon lebt er. Von den so genannten Track Days, an denen die Rennstrecke für jeden offen ist.
"Sachsenring ist Klein-Disneyland für Autofahrer. Ich sag mal, Formel-1- Weltmeister werden wir alle nicht. Gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten ist das etwas Besonderes, wenn man auf der Rennstrecke einen Tag unter Seinesgleichen genießen kann. Die Leute sind ausgehungert durch Corona. In dem Moment, als wir wieder aufgemacht haben, waren alle Veranstaltungen ausgebucht: Motorrad- wie Autoveranstaltungen."

Kein Moto Grand Prix in diesem Jahr

Damit hat Ruben Zeltner nicht gerechnet. Er erinnert sich noch an die Tage, als es still war am Sachsenring. Die Boxengasse verwaist, die Tribünen leer, über 30 Angestellte in Kurzarbeit.
Das Highlight des Jahres, der Moto Grand Prix, der bis zu 200.000 Fans an die Strecke lockt, fällt aus. Ein Schock auch für die Region.
Auch Lars Kluge, Bürgermeister von Hohenstein-Ernstthal - die Gemeinde, an der der Sachsenring liegt - konnte die Stille auch nur schwer aushalten:
"Ja, ja, also davon kann man fast ausgehen: Von zehn bis 20 Millionen, die im Prinzip immer hier in diese Region geflossen sind. Gerade weil viele Gewerbetreibende in diesem Jahr durch Corona betroffen sind, schmerzt das natürlich doppelt."

Hohenstein-Ernstthal gehört zum Zweckverband "Am Sachsenring". Der Zusammenschluss der Gemeinden hat mit dem Land Sachsen seit 1995 den Großteil der 50-Millionen-Euro-Investition für die Modernisierung der Rennstrecke aufgebracht.
"Also die Bedeutung des Sachsenrings ist natürlich eine immens große. Zum einen ist es eben ein Wirtschaftsfaktor, aber eben auch ein riesengroßer Imagefaktor. Für viele, die hier aus der Region kommen, ist es eine Tradition, auch ein Gefühl, das der Sachsenring und der Moto Grand Prix am Sachsenring vermittelt."
Auf einer grünen Wiese steht ein Mann im weißen T-Shirt vor seinem knallblauen Sportwagen. Im Hintergrund sieht man drei Polizeiwagen. Der Himel ist sommerlich strahlend blau.
Sachsenring-Geschäftsführer Ruben Zeltner: Emotionale Bindung an die Rennstre-cke© Deutschlandradio / Nana Brink

Der Rennsport kehrte 1998 zurück an den Ring

Dabei stand das Prestige-Objekt Sachsenring schon oft am Rande des Ruins. Von Mitte der 70er Jahre bis in die 90er Jahre hinein fanden keine internationalen Rennen statt. Erst 1998 kehrte mit dem Moto Grand Prix, dem Moto GP, wie er abgekürzt heißt, der große Rennsport zurück. Ein teures Unterfangen.
"Der Moto-GP kann nur dann stattfinden, wenn wir die Strecke ganzjährig pflegen und instand halten. Ja, auch die Gegner sagen: Den Moto-GP brauchen wir, aber der andere Lärm stört sie. Aber Duschen ohne nass zu werden, ist halt schwierig."
Ruben Zeltner kennt sich aus mit Dezibel-Fragen. Nur an zehn Tagen im Jahr dürfen am Sachsenring Rennen stattfinden, die mehr als 90 Dezibel haben - zum Vergleich: An einer befahrenen Autobahn werden circa 80 Dezibel gemessen. Es gibt zwei Messstellen an der Strecke, die rund um die Uhr die Lautstärke überprüfen. Um die zu dimmen, müssen die Hobby-Fahrer ihre Auspuffgeräusche reduzieren.
In der Boxengasse steckt Ruben Zeltner einen dicken Metall-Stutzen an den Auspuff eines Motorrads:
"Wir haben letztes Jahr im Wert von 90.000 Euro Auspuffanlagen gekauft, die leiser sind als Serien. Also man muss sich vorstellen: Mit dem lauten Motorrad kann er draußen auf der Straße fahren. Wenn er zu uns kommt, muss er leise fahren. Aber es ist natürlich immer noch hörbar, eine Rennstrecke ist immer hörbar in der Nachbarschaft."

Vier Todesfälle in den letzten 25 Jahren

Weithin zu hören sind auch die Bremsmanöver eines Polizei-Transporters, der durch eine Wasserwand fährt und in Richtung Leitplanke driftet. Das ADAC Fahrsicherheitszentrum ist das zweite Standbein des Sachsenrings. In den letzten 25 Jahren fanden über 400.000 Trainings auf dem 50 Hektar großen Areal statt. Die sächsische Polizei ist einer der besten Kunden und – schon wieder mit dabei. Viele andere Firmen zögern noch, zu unsicher ist die Wirtschaftslage.
Ruben Zeltner hofft auf den Herbst und – die PS-Freaks:
"So jetzt fahren wir mal auf die Rennstrecke und mischen uns da mal kurz rein. Wir fahren nicht wirklich schnell. Wenn man schnell fährt, würde das anders aussehen."
Die Unfallbilanz der letzten 25 Jahren am Sachsenring: vier Todesfälle, ausschließlich Motorradfahrer.
"Ich bin früher Motorradrennen gefahren, aber das ist gefährlich von den Verletzungen her. Und jetzt denke ich: Es ist, wenn man dann über 40 ist, gesünder, wenn man es mit dem Auto macht."
Und so sind es Hobby-Rennfahrer wie Tim Kieß, Unternehmer und Familienvater aus dem erzgebirgischen Stollberg, die dem Sachsenring nach der Corona-Stille einen kleinen Boom bescheren sollen. Sein giftgrüner Porsche blitzt in der Boxengasse.
"Das ist ja das Schöne hier, dass es alles kontrolliert ist. Jeder passt auf den anderen auf, weil ja die Autos schon eine Menge kosten."
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