Theater

Lebenslüge eines Kriegsfotografen

Passanten gehen am Donnerstag (02.06.2011) in Frankfurt am Main an einer Fensterscheibe vorbei, in der sich das Museum für Moderne Kunst spiegelt.
Spannende Kulisse, fades Stück: "Der Zeuge" im MMK in Frankfurt © picture alliance / dpa / Marc Tirl
Von Alexander Kohlmann · 12.04.2014
Auf psychologischen Realismus setzt das Stück rund um die Bildfälschung eines Kriegsreporters in Ruanda, die von einem Zeugen aufgedeckt wird. Allerdings ist die Aufführung im Museum für Moderne Kunst nicht mehr als biederes Sprechtheater.
Im Frankfurter "Museum für Moderne Kunst" (MMK) ist schon die Architektur eine große Inszenierung. Ein Labyrinth aus Raum-Fluchten eröffnet immer wieder neue Aus- und Einblicke. Mit der Ausstellung "Die Göttliche Komödie" haben afrikanische Künstler das Gebäude erobert. Auf drei Etagen stellen sie faszinierend, jenseitige Arbeiten zu "Fegefeuer", "Hölle" und "Himmel" aus, wobei die "Hölle" in Etage drei und der Himmel im Erdgeschoss liegen - die Dinge stehen auf dem Kopf.
Die Uraufführung "Der Zeuge" findet in der Zwischenetage, im "Fegefeuer" statt - und das ist leider durchaus programmatisch zu verstehen. Zwischen Himmel und Hölle hat es der Abend schwer, gegen die Kunst zu bestehen, die ihn umgibt. Das beginnt schon bei der Textvorlage: Die Britin Vivienne Franzmann hat eines dieser gut gebauten Stücke geschrieben, die ganz auf psychologischen Realismus und eine überraschende Pointe zum Schluss setzen - und als reine Konversationsstücke im Prinzip auch als Hörspiel funktionieren würden.
Die Geschichte vom Kriegsreporter, der es zu Ruhm brachte mit einem Bild aus dem Völkermord in Ruanda, das seine dunkelhäutige Adoptivtochter als Baby neben ihrer ermordeten Mutter zeigt, ist zudem ziemlich vorhersehbar. Von Beginn an ist zu erahnen, dass mit diesem Foto etwas nicht stimmt. Da muss nicht erst der verloren geglaubte Bruder aus Ruanda als "Zeuge" kommen, um zu enthüllen, dass Papa das Bild arrangiert hat. Dass es dem Fotografen mitten im Grauen gar nicht um Dokumentation, sondern um die eigene Reputation ging.
Wenig überraschend und recht spannungsfrei
Die Lebenslüge des Kriegsfotografen, sie überrascht nicht wirklich. Und die Inszenierung weiß dem dünnen Text nichts hinzuzufügen. Regisseurin Leonie Kubigsteltig bringt den Text ohne Überraschung und leider auch weitgehend spannungsfrei in einem kleinen Raum zur Aufführung, der ohne doppelten Boden das Appartement des Fotografen darstellen soll. Zwei Stühle stehen dort und ein paar afrikanische Tierhäute liegen auf dem Boden. An der Wand, immerhin, Fotografien aus der Ausstellung. Architektur und Kontext des Museumsraums bleiben mit der Wahl dieses Ortes weitgehend unberücksichtigt, die Aufführung für nur circa 50 Zuschauer hätte ebenso gut in einer Mini-Studiobühne spielen können.
Und die Schauspieler: Spielen im leuchtend weißen Raum wacker die vierte Wand, arbeiten sich durch den Text mit kühler Profession. Wenn sie bei ihrem Spiel den verstörenden Realismus eines Dogma-Films erreichen würden, in der kühlen Loft-Atmosphäre hätte vielleicht etwas entstehen können. Aber sie lassen sich emotional nicht fallen, liefern saubere Technik, nicht mehr. Ein biederer Sprechtheater-Raum inmitten von berührender afrikanischer Kunst, das überrascht. Vor allem weil das Schauspiel Frankfurt mit theatralen Kunstinstallationen wie Philipp Preuss´ "Traumspiel" schon viel weiter war. Warum es sich ausgerechnet in einem "Museum für Moderne Kunst" so zurück nimmt, ist das eigentliche Geheimnis dieses Abends.
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