Diskussion um Gauck

Von Christel Blanke, Hauptstadtstudio · 06.06.2010
Will dieser Wunsch-Koalition denn eigentlich gar nichts gelingen? Es sollte ein Zeichen von Stärke sein, ein Signal der Einigkeit. Schnell wollten die Spitzen von CDU, CSU und FDP einen Kandidaten präsentieren für das Amt des Bundespräsidenten. Christsoziale und Liberale verzichteten sogar darauf, selbst Namen ins Spiel zu bringen. Ließen der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden freie Hand.
Doch ob Angela Merkel ein gutes Händchen hatte, wird sich noch zeigen. Ihr Kandidat, der stellvertretende CDU-Vorsitzende und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff, muss gegen Joachim Gauck antreten, den SPD und Grüne ins Rennen schicken. Der DDR-Bürgerrechtler und langjährige Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde genießt hohes Ansehen. Auch im konservativen und im liberalen Lager.

Union und FDP hätten ihn ebenso gut aufstellen können wie SPD und Grüne. Die CSU hatte das 1999 sogar schon einmal erwogen. Vielen ist jetzt unverständlich, warum die Kanzlerin nicht auf das SPD-Angebot, Gauck gemeinsam zu nominieren, eingegangen ist. Das hätte die auch von ihr erhoffte breite Unterstützung in der Bundesversammlung gebracht. Es hätte SPD und Grüne ein wenig versöhnt, die noch verärgert sind wegen der schwarz-gelben Alleingänge bei den milliardenschweren Rettungspaketen für Griechenland und den Euro.

Und es hätte manch künftige Entscheidung vielleicht leichter gemacht - vor allem im Bundesrat, wo schwarz-gelb seit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit mehr hat. Doch für Angela Merkel war all das wohl weniger wichtig als die Chance, einen weiteren Konkurrenten ruhig zu stellen.

Jetzt wird sie erklären müssen, warum Christian Wulff der richtige fürs Schloss Bellevue ist. Viele Abweichler in den eigenen Reihen kann sie sich nicht erlauben. Dass am Ende ihr Kandidat gewählt wird, ist zwar so gut wie sicher. Doch zu viele schwarz-gelbe Stimmen für den rot-grünen Kandidaten Gauck würden in erster Linie eines verstärken: den Eindruck von Zerstrittenheit in der Regierungskoalition. Vor allem in der FDP ist der Unmut groß. Der richtet sich zwar zunächst gegen die Parteispitze, die weder Landesverbände noch die Basis gefragt hat, bevor sie die Entscheidung über den Kandidaten der Kanzlerin überließ.

Doch nach der Sparklausur im Kanzleramt könnten sich die Reihen der FDP schnell wieder schließen. Was mussten die Liberalen in den vergangenen Monaten nicht schon alles einstecken: von Steuererleichterungen spricht außer der FDP niemand mehr, mit dem Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung hin zu einem einkommensunabhängigen Prämienmodell sieht es schlecht aus, und nun sollen womöglich Steuern erhöht werden, um den Haushalt zu sanieren.

Das wird sich die FDP nicht bieten lassen. Spätestens dann müsste sie sich die Frage stellen, was sie noch will in dieser Wunschkoalition. Und spätestens dann wird vielleicht der eine oder andere Liberale darüber nachdenken, ob er tatsächlich Merkels Kandidaten in der Bundesversammlung die Stimme geben wird und nicht doch eher dem "Liebhaber der Freiheit", wie sich Gauck selber nennt und wie sich auch viele in der FDP gern sehen.

Von vielen Vorschlägen begleitet sind die Kanzlerin und ihre Minister in Klausur gegangen. Ein Konzept, wie der Haushalt um jährlich zehn Milliarden Euro entlastet werden soll, lässt sich bisher nicht erkennen. Doch schon morgen Mittag soll es auf dem Tisch liegen. Schon wieder ist Eile das Gebot der Stunde. Wird der große Wurf gelingen? Oder wird es nur Flickwerk, das wieder Streit und gegenseitige Vorwürfe nach sich zieht? Wenn es der Koalition nicht gelingt, an einem Strang zu ziehen und den Haushalt überzeugend und nachhaltig zu sanieren, dann könnte diese Klausur der Anfang vom Ende des schwarz-gelben Traums sein.

Dann ist der Ruf dieser Wunschkoalition endgültig dahin. Um es mit Guido Westerwelle zu sagen: ein Haushalt ist immer auch die Kursbestimmung der Politik. Und welchen Kurs die schwarz-gelben Partner steuern, das möchte wohl jeder in Deutschland langsam gerne wissen.