Diskussion mit Iris Hauth und Alexander Wendt

Depressionen und Ängste - wie können wir damit umgehen?

Ein junger Mann steht auf einem Stein in einem Wald im Nebel.
Psychische Krankheiten sind Volkskrankheiten, sagt Ärztin Iris Hauth. Bei einer frühen Diagnose könne vielen geholfen werden. © Unsplash/ Ramdan Authentic
Moderation: Katrin Heise · 06.10.2018
Jeder kann von einer psychischen Krankheit betroffen sein. Ärztin Iris Hauth macht Betroffenen Mut, sich Hilfe zu holen. Alexander Wendt wiederum hat gelernt, mit seiner Depression zu leben. Über dunkle und helle Stunden sprechen wir auch mit Hörerinnen und Hörern.
An manchen Herbsttagen kann man schon mal den Blues bekommen. Aber ab wann wird ein Stimmungstief zum Problem? Wie erkennt man, ob man an einer psychischen Krankheit leidet, zum Beispiel an einer Depression oder einer Angststörung? Wie werden psychische Erkrankungen behandelt? Und wie können Betroffene, ihre Angehörigen und die Gesellschaft damit umgehen?
"Psychische Erkrankungen sind Volkskrankheiten", sagt Dr. Iris Hauth, Ärztliche Direktorin des Alexianer St-Joseph Krankenhauses in Berlin. "Jeder dritte Mensch in Deutschland ist einmal im Jahr von einer psychischen Erkrankung betroffen. Jeder kann davon betroffen sein. Der Ehemann, die Schwester, die Kollegin, der Nachbar."
Eine psychische Erkrankung belaste nicht nur die Patienten, auch das Umfeld: "Da ist die Ehe, die aufgrund der Erkrankung eines Partners eine immense Belastungsprobe erfährt. Da ist der berufliche Traum, der sich plötzlich zerschlägt, weil die Krankheit es unmöglich macht, die gestellten Aufgaben weiter zu erfüllen. Da ist die Familie, die langsam zerbricht, weil der Alltag aus den Fugen geraten ist."

Hauth: Sorge vor Antidepressiva unbegründet

Bei einer frühen Diagnose könne einem Großteil der Patienten erfolgreich geholfen werden. Viele Betroffene meldeten sich jedoch zu spät, weil sie Angst vor der Diagnose haben oder falsche Vorstellungen von den Therapiemöglichkeiten. Es gebe ein großes Misstrauen gegenüber Antidepressiva; diese Sorgen sei unbegründet.
Ihre Überzeugung: "Eine depressive Krise kann auch etwas Positives haben. Man kann gucken: Was sind meine Werte? Man kann lernen, ein anderes Leben zu leben." Menschen mit Depressionen hätten eine "dünnere seelische Haut", diese aber mache auch empfindsamer.

Wendt: Depression gleicht einem "symbiotischen Monstrum"

"Leere, schwarzes Loch, Teilzeittod - kein Begriff und kein Vergleich trifft wirklich die Gestalt der Depression", sagt Alexander Wendt. Der Journalist und Autor lebt seit Ende der 90er Jahre mit Depressionen und hat über seine Erfahrungen ein Buch geschrieben. Der Titel: "Du Miststück". Eine Depression sei wie ein "symbiotisches Monstrum, das viele Gestalten und Namen annehmen kann. Es lässt nicht mit sich handeln, sich nicht wegschicken, mit etwas Mühe aber in bestimmten Grenzen halten."
Er habe gelernt, mit der Depression zu leben, werde aber wohl sein Leben lang Medikamente nehmen müssen. Ihm persönlich habe geholfen, offen mit der Krankheit umzugehen. Das müsse letztlich jeder individuell entscheiden. "Je schwerer de Erkrankung ist, umso wichtiger ist es, einen eigenen Weg zu finden."

Depressionen und Ängste - Wie können wir damit umgehen? Darüber diskutiert Katrin Heise heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Iris Hauth und Alexander Wendt. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de - sowie auf Facebook und Twitter.

Informationen im Internet:

Anlaufstellen für Betroffene: Die Deutsche Depressionshilfe

Info-Telefon Depression: 0800 / 33 44 533 (kostenfrei)
Mo, Di, Do: 13:00 – 17:00 Uhr
Mi, Fr: 08:30 – 12:30 Uhr

Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222

Literatur:
Iris Hauth: "Keine Angst! Was wir gegen Depressionen und Ängste tun können. Eine Klinikleiterin erzählt"
Piper-Verlag, 2018
Alexander Wendt: "Du Miststück. Meine Depression und ich"
S. Fischer Verlag, 2016.
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