Diskurs über den Krieg
"Die Perser" von Aischylos ist die älteste überlieferte Tragödie der Weltliteratur. Sie erzählt aus Sicht der Besiegten von der Schlacht bei Salamis, bei der die übermächtigen Perser 480 v. Chr. gegen die Griechen verloren. Dimiter Gotscheff inszenierte das Stück am Deutschen Theater als dichten und präzise gespielten Diskurs über Krieg und Mitleidensfähigkeit.
Schwarz und leer ist die Bühne, nur eine breite gelbe Wand steht im Hintergrund. Wenn sie in die Mitte der Bühne gefahren ist und diese diagonal teilt, marschiert auf jeder Seite ein Mann nach vorn. Samuel Finzi und Wolfram Koch, beide mit schwarzem Schlips über dem weißen Hemd und der dunklen Anzughose, wirken fröhlich entspannt. Dann lehnt sich einer an die Mauer, und die verschiebt sich auf die Seite des anderen. Mit einverständigem Lachen wird das korrigiert, doch die Harmonie ist vorbei. Immer weitere Korrekturversuche folgen. Man drückt gegeneinander, bis beide, ohne es zu merken, die Wand in die gleiche Richtung schieben und sich gemeinsam im Kreis drehen. So erklärt Dimiter Gotscheff mit seinen Darstellern Entstehung und Unsinn von Streit oder Krieg in der versinnlichten Abstraktion.
Nach diesem Satyrspiel ertönt die älteste überlieferte Tragödie, basierend auf der authentischen Geschichte der Niederlage der übermächtigen Perser gegen die Griechen in der Schlacht von Salamis 480 vor Christus. Ein Drama als Klagegesang über die Opfer des Krieges. Gesungen vom Sieger, also dem Griechen Aischylos, der mitgekämpft hatte, aus der Perspektive der Verlierer. Es ist ein Stück, das nur selten auf die Bühne gelangt, weil es eine einzige große Reflexion über Krieg und Niederlage, über menschliche Hybris und Gewaltbereitschaft ist, und dabei fast ohne jede Handlung bleibt.
Wo Aischylos einen Chor mit Chorführer vorschreibt, hat Dimiter Gotscheff "nur" die Schauspielerin Margit Bendokat. Die spricht sich langsam in ihren Bericht hinein, kommt in ihrem schwarzen Kleid aus der Tiefe des Raumes immer näher an uns heran und zählt dokumentierend die Helden auf, die strahlend in den Krieg gezogen sind. Mit Begeisterung spricht sie von früheren Kriegen, die nicht weh taten.
Doch wenn ihr Bericht von der Niederlage des Heeres kommt, spiegeln sich in ihrer Trauer die Herrscherinnenposen und der Jubel der Königin Atossa, die allein von der Freude beherrscht ist, dass ihr Sohn, der Heerführer Xerxes, noch am Leben ist. Wie Almut Zilcher, das kleine Schwarze über hochhackigen Schuhen, mit falscher herrscherlicher Aura trotz der vielen Toten jubelt, stellt eine Haltung so abstrakt wie sinnlich aus.
Alle Darsteller dieses dichten, 90minütigen Abends stellen mit Präzision und Spielwitz rhetorische Haltungen aus und öffnen das Stück, nur mit ihrer Textbehandlung, in eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit vielerlei Haltungen zu Krieg und Mitleidensfähigkeit.
Finzi und Koch spielen dann den einen Boten von Aischylos zu zweit und gemeinsam. Dazu treten sie in Alltagskleidung mit bunten T-Shirts auf und verhalten sich als Vertreter des Volkes. Fast eine halbe Stunde sprechen sie simultan, leiden mit den Opfern, klagen an, reflektieren Haltungen, Ursachen, Wirkungen, kommentieren die Menschheitskatastrophe dieser Schlacht mit ihrer unendlichen Zahl von Toten.
Da braucht es keinerlei aktualisierende Hinweise zu heutigen Kriegen: in dieser Inszenierung werden Anklage-, Leidens- und Bewältigungsmechanismen virtuos verdichtet, und da die Figuren und ihre Haltungen sich schon bei Aischylos stets gegenseitig spiegeln, ist ein großes Theater-Kunststück zu erleben.
Später tobt sich Wolfram Koch als aus der Schattenwelt hervorgekommener einstiger Herrscher Dareios in die verdammende Empörung hinein, während Samuel Finzi, über nacktem Oberkörper die rote Krawatte, zum Schluss als Xerxes alle Selbstrechtfertigungsrituale, Selbstmitleidsposen und Jammertiraden im Angesicht des eigenen und des gesellschaftlichen Elends vorführt.
Das ist facettenreiches, großes Sprech-Theater im wahrsten Sinne. Wir sehen einen selbstreflexiven Diskurs über Macht-Theater und die Macht des Theaters. Gespielt von wahrlich virtuosen Darstellern, die allerdings gelegentlich zu selbstsicher und allzu handwerklich geschickt agieren und damit ihr emotionales Denktheater allzu bruchlos spielen. Dennoch: das Publikum jubelte zu Recht.
Nach diesem Satyrspiel ertönt die älteste überlieferte Tragödie, basierend auf der authentischen Geschichte der Niederlage der übermächtigen Perser gegen die Griechen in der Schlacht von Salamis 480 vor Christus. Ein Drama als Klagegesang über die Opfer des Krieges. Gesungen vom Sieger, also dem Griechen Aischylos, der mitgekämpft hatte, aus der Perspektive der Verlierer. Es ist ein Stück, das nur selten auf die Bühne gelangt, weil es eine einzige große Reflexion über Krieg und Niederlage, über menschliche Hybris und Gewaltbereitschaft ist, und dabei fast ohne jede Handlung bleibt.
Wo Aischylos einen Chor mit Chorführer vorschreibt, hat Dimiter Gotscheff "nur" die Schauspielerin Margit Bendokat. Die spricht sich langsam in ihren Bericht hinein, kommt in ihrem schwarzen Kleid aus der Tiefe des Raumes immer näher an uns heran und zählt dokumentierend die Helden auf, die strahlend in den Krieg gezogen sind. Mit Begeisterung spricht sie von früheren Kriegen, die nicht weh taten.
Doch wenn ihr Bericht von der Niederlage des Heeres kommt, spiegeln sich in ihrer Trauer die Herrscherinnenposen und der Jubel der Königin Atossa, die allein von der Freude beherrscht ist, dass ihr Sohn, der Heerführer Xerxes, noch am Leben ist. Wie Almut Zilcher, das kleine Schwarze über hochhackigen Schuhen, mit falscher herrscherlicher Aura trotz der vielen Toten jubelt, stellt eine Haltung so abstrakt wie sinnlich aus.
Alle Darsteller dieses dichten, 90minütigen Abends stellen mit Präzision und Spielwitz rhetorische Haltungen aus und öffnen das Stück, nur mit ihrer Textbehandlung, in eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit vielerlei Haltungen zu Krieg und Mitleidensfähigkeit.
Finzi und Koch spielen dann den einen Boten von Aischylos zu zweit und gemeinsam. Dazu treten sie in Alltagskleidung mit bunten T-Shirts auf und verhalten sich als Vertreter des Volkes. Fast eine halbe Stunde sprechen sie simultan, leiden mit den Opfern, klagen an, reflektieren Haltungen, Ursachen, Wirkungen, kommentieren die Menschheitskatastrophe dieser Schlacht mit ihrer unendlichen Zahl von Toten.
Da braucht es keinerlei aktualisierende Hinweise zu heutigen Kriegen: in dieser Inszenierung werden Anklage-, Leidens- und Bewältigungsmechanismen virtuos verdichtet, und da die Figuren und ihre Haltungen sich schon bei Aischylos stets gegenseitig spiegeln, ist ein großes Theater-Kunststück zu erleben.
Später tobt sich Wolfram Koch als aus der Schattenwelt hervorgekommener einstiger Herrscher Dareios in die verdammende Empörung hinein, während Samuel Finzi, über nacktem Oberkörper die rote Krawatte, zum Schluss als Xerxes alle Selbstrechtfertigungsrituale, Selbstmitleidsposen und Jammertiraden im Angesicht des eigenen und des gesellschaftlichen Elends vorführt.
Das ist facettenreiches, großes Sprech-Theater im wahrsten Sinne. Wir sehen einen selbstreflexiven Diskurs über Macht-Theater und die Macht des Theaters. Gespielt von wahrlich virtuosen Darstellern, die allerdings gelegentlich zu selbstsicher und allzu handwerklich geschickt agieren und damit ihr emotionales Denktheater allzu bruchlos spielen. Dennoch: das Publikum jubelte zu Recht.