Hasnain Kazim, 1974 als Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer in Oldenburg geboren, lebt als freier Autor in Wien. Er schreibt für unterschiedliche Medien. Von 2004 bis 2019 arbeitete er für "Spiegel online" und den "Spiegel", die meiste Zeit davon als Auslandskorrespondent. Im Februar erschien sein Buch: "Auf sie mit Gebrüll!: ... und mit guten Argumenten. Wie man Pöblern und Populisten Paroli bietet".
Warum ich nicht Niels Ullrich heiße
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"Nomen est Omen", heißt es einerseits. "Name ist Schall und Rauch", andererseits. Der Publizist Hasnain Kazim weiß aus eigener Erfahrung, dass Letzteres nicht stimmt – und will aber seinen Namen trotzdem nicht ändern.
"Warum ändern Sie Ihren Namen nicht einfach?", fragte mich einmal eine Frau, die zu einer Lesung von mir gekommen war. "Warum nutzen Sie nicht Ihren zweiten Vornamen?" Offensichtlich hatte sie mein Buch "Grünkohl und Curry" gelesen, in dem ich beschreibe, wie ich durch ein Missverständnis zwischen meiner Mutter und einer Freundin zu diesem Zweitnamen gekommen war.
Viele ändern ihren Namen
Tatsächlich habe ich mal eine Millisekunde lang darüber nachgedacht, diesen Namen zu nutzen und den Geburtsnamen meiner Frau anzunehmen. Ich hieße dann: Niels Ullrich.
Manche Leute ändern ja ihre Namen, weil sie Fick heißen oder Geil. Ich kann das nachvollziehen. Und welche Chance hätte jemand, Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin zu werden, wenn er oder sie mit Familiennamen Kalbfleisch hieße? Oder Schwanz?
Manchmal geht es auch nur darum, seine Identität zu ändern. So erkläre ich mir, weshalb so viele Menschen, die aus Russland einwandern und einst Wladimir hießen, jetzt plötzlich den Namen Waldemar tragen. Oder wie der in Polen geborene CDU-Politiker Ziemiak, der als Pawel zur Welt kam und sich nun Paul nennt.
Hansi statt Hasnain
Ich heiße also Hasnain Kazim. Als Kind wurde ich Hansi genannt, eine ältere Dame in der Nachbarschaft hatte mir den Spitznamen verpasst, weil sie Hasnain nicht über die Lippen brachte. Die gesamte Schulzeit blieb ich Hansi, ebenso bei meinen Kameraden in der Marine.
Erst im Studium entschied ich: Schluss damit! Die Leute sollen sich halt anstrengen und meinen Namen lernen! Es ist mir ein Rätsel, warum man es anderen mit den Namen leicht machen soll. Warum zum Beispiel so viele Chinesinnen und Chinesen sich westlich klingende Namen geben, damit Europäer und Amerikaner sie besser ansprechen können. Ich habe umgekehrt noch nie von einem Uwe oder einem Jürgen gehört, der seinen Namen chinesengerecht ändert.
Anlässe, über eine Namensänderung nachzudenken, gab es in meinem Leben genug. Denn wegen dieses fremd klingenden Namens hatte ich mehrmals meine Problemchen, die in der Summe dann vielleicht doch ein Problem sind? Von Jugendherbergsbetreibern, die bei telefonischer Nachfrage kein Zimmer für mich frei hatten, bei nochmaligem Anruf unter anderem Namen dann aber plötzlich doch, bis hin zu Beschimpfungen, nur weil ich Artikel unter meinem Namen schreibe.
Der Name prägt das ganze Leben
"Name ist Schall und Rauch", sagt Goethes Faust. Nun mag dies das wichtigste Werk der deutschen Literatur sein, aber dass diese Aussage wirklich falsch ist, kann ich bezeugen. Wäre ein Name Schall und Rauch, also flüchtig und damit unbedeutend, wäre es egal, wie man heißt. Ist es aber nicht. Der Name prägt die Identität.
Schon vor vielen Jahren haben Forscher herausgefunden, dass der Name das ganze Leben prägt: Wie man sich selbst wahrnimmt und wie andere einen wahrnehmen. Menschen neigen dazu, den eigenen Namen positiv zu besetzen und sich mit Menschen und Dingen zu umgeben, die genauso oder ähnlich heißen. "Unbewusste Ichbezogenheit" nennen die Wissenschaftler dieses irrationale Verhalten.
Namen sagen aber auch etwas über die Ambitionen der Eltern aus, über soziale Herkunft oder religiösen Hintergrund. Wer Mohammed heißt, ist nicht zwangsläufig religiös, aber mit allergrößter Wahrscheinlichkeit hat er islamische Wurzeln. Maximilian und Sophie, Leopold und Therese sind Namen mit Anspruch, und wer Chantall oder Mandy, Ronny oder Kevin heißt, verrät damit etwas über die Sehnsüchte seiner Namensgeber.
Lebenslange Vorurteile wegen bestimmter Namen
Vom Namen wird, oft fälschlicherweise, auf die soziale Schicht geschlossen. "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose" – diesen Spruch habe ich schon oft von Lehrerinnen und Lehrern gehört.
Mit bestimmten Namen ist man sein Leben lang Vorurteilen ausgesetzt. Wer Mehmet oder Ali heißt, Sumeyra oder Aishe, wird nicht selten die Erfahrung machen, dass sie es bei der Wohnungs- oder Jobsuche schwerer haben als andere. Ähnliche Erfahrungen werden Samantha und "Schackeline" machen.
Es ist das gute Recht eines jeden Menschen, seine Identität selbst zu bestimmen – und damit auch, wie er sich nennen lassen möchte. Ich betrachte mich im Spiegel, und ich sehe keinen Niels Ullrich. Namen sind eben nicht Schall und Rauch.