Dirk van Laak: "Alles im Fluss"

Wie Infrastruktur unser Leben prägt

Buchcover "Alles im Fluss" von Dirk van Laak. Im Hintergrund eine Aufnahme einer Autobahn bei Nacht.
Buchcover "Alles im Fluss" von Dirk van Laak. Im Hintergrund eine Aufnahme einer Autobahn bei Nacht. © Fischer Verlag / imago
Von Johannes Kaiser · 06.06.2018
Straßen, Schienen, Stromleitungen: Was uns alltäglich erscheint, ist ein langsam gewachsenes Gebilde, das unser Leben massiv verändert hat. Wie sich die Infrastruktur in den letzten 200 Jahren entwickelte, zeigt Dirk van Laak in "Alles im Fluss".
Straßen, Schienen, Stromleitungen sind die Lebensadern unserer Gesellschaft. Doch das wird einem erst bewusst, wenn sie ausfallen. Dann droht der Infarkt. Dabei vergisst man leicht, welche technischen, logistischen und finanziellen Leistungen erbracht werden müssen, damit diese Systeme reibungslos funktionieren.
In seinem jetzt erschienen Überblickswerk erzählt der Historiker Dirk van Laak genau davon. Er zeigt, wie diese Infrastruktur in den letzten 200 Jahren entstand und seither unser Leben massiv verändert hat.
Das ist an sich spannend, wenngleich sein Thema ohne Helden, Zäsuren und markante Jahrestage auskommen muss – wie auch der Autor selbstkritisch bemerkt. Ein echter Geschichtsschmöker ist dieses Buch dann auch nicht. Trotzdem lohnt die Lektüre. Denn ohne Infrastruktur ist alles nichts, wie Dirk van Laak eindrucksvoll belegt.

Erst Transportweg, dann Touristenattraktion

Infrastruktur entwickelt sich langsam. Dabei hängt von ihr ab, ob eine Region, eine Stadt, eine Industrie aufblüht oder untergeht. So machte erst der Bau der Kanäle in England im 18. Jahrhundert die Industrialisierung Englands möglich, denn erst sie erlaubten einen raschen Transport der Kohle aus den Minen zur Montanindustrie.
Mit dem Aufkommen der Eisenbahn waren die Kanäle überflüssig, bis sie im 20. Jahrhundert als Touristenattraktion wieder entdeckt wurden. Ein typisches Beispiel dafür, wie Infrastruktur sich im Wandel der Zeit verändert hat. Aber auch ein typisches Beispiel dafür, wie Dieter van Laak sich dem Thema nähert.
Anhand zahlreicher historischer Beispiele zeigt er, wie komplex das Zusammenspiel der verschiedenen Infrastrukturen heute geworden ist. Nach dem Motto "immer mehr, immer schneller" bestimmen und prägen sie das menschliche Leben. So verwandelten Gas und Strom die Städte dramatisch, brachten Licht in die Straßen und trieben U-Bahnen und Straßenbahnen an. Das Umland wurde so erschlossen.
Und Strombetriebene Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Waschmaschine und Staubsauger befreiten von lästiger Hausarbeit und erschlossen dem Arbeitsmarkt neue Arbeitskräfte. Und die Digitalisierung sorgte für weitere mitunter dramatische Veränderungen.
Van Laak fragt daher zu Recht, ob der permanente Ausbau der Infrastruktur sowie ihre Instandhaltung, die allein in Deutschland mit über 75 Milliarden Euro Kosten veranschlagt wird, wirklich die klügste Lösung ist? Zumal die Digitalisierung und die damit verbundene Vernetzung moderne Gesellschaften immer verletzlicher mache.
Wer also verstehen will, was sich ändern muss, damit in Zukunft bei aller Weiterentwicklung wieder der Mensch mehr im Zentrum steht, der ist mit Dirk van Laaks kompaktem Werk gut bedient. Erkenntnisgewinn inklusive.

Dirk van Laak: Alles im Fluss. Die Lebensadern unserer Gesellschaft
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018
366 Seiten, 26 Euro

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