Dirigent und Komponist: Leif Segerstam

Sinfonie Nr. 253

Der Dirigent Leif Segerstam
Der Dirigent und Komponist Leif Segerstam © Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
17.02.2015
Dieser Mann schafft sich selbst ab: Seine Sinfonien sollen die Orchester ohne Dirigent spielen, dabei ist er selbst einer! Leif Segerstam war in Ludwigshafen bei der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz zu Gast - mit seiner 253. Sinfonie. Aber natürlich dirigiert er auch gern die Musik von Kollegen. In diesem Konzert waren es zwei Finnen - Jean Sibelius und Einojuhani Rautavaara.
"Musik ist nicht das, was klingt, sondern Musik ist, warum das, was klingt, klingt wie es klingt, wenn es klingt..." - Leif Segerstam klingt lustiger als es ist, was er meint, wenn er spricht.
Wer wird einstmals seine Sinfonien zählen und recherchieren, wann und wo sie uraufgeführt oder zum zweiten Mal gespielt wurden? Ungefähr bei Nummer 285 ist er angekommen, die Orchester weltweit kommen nicht hinterher, sie zur Premiere zu bringen. In Ludwigshafen nun gab es bei der Staatsphilharmonie, der der finnische Musiker als Ehrendirigent verbunden ist, sein Werk mit der Nummer 253. Auch diese Sinfonie entstand nach dem Prinzip der "freien Pulsation", die Segerstam erfunden hat und als einziger umsetzt. Das Orchester spielt ohne Anleitung und aus Noten, die keine Taktstriche haben. Ein Metrum wird von akustischen Signalen gesetzt. Das heißt immer wenn ein bestimmter Klang kommt, wissen alle Orchestermitglieder, dass sie zur nächsten musikalischen Figur weitergehen können, die sie entsprechend dem eigenen Tempogefühl interpretieren. Die Idee zu dieser Methode kam Segerstam einmal im Traum: Ein Kollege war gestorben und zu seinem Gedächtnis spielten die Musiker "Klangblumen", die sich frei und ohne festes Metrum entfalten konnten...
Dirigieren kann Leif Segerstam, Jahrgang 1944, mindestens genauso gut wie Komponieren. Dabei ist er kein unbedingter Experte für finnische oder nordische Musik. Dass nun in diesem Konzert bei dem Orchester, das er Ende der 80er Jahre einige Zeit als Chef leitete, zufällig Musik des Jubilars Jean Sibelius und von dessen "einzigem" Schüler Einojuhani Rautavaara auf dem Programm stand, mag eher dem Musikbusiness geschuldet sein.
Rautavaara ist ein mindestens ebenso skurril wirkender Komponist wie Segerstam. Zu seinen beliebtesten Werken gehört das Konzert für Vögel (vom Tonband) und Orchester, das einen rührenden Eindruck gibt vom Klischee der nordischen Naturverbundenheit. Jean Sibelius soll ja nach eigenen Worten beim Anblick ziehender Vögel manche seiner - zugegebenermaßen - genialen musikalischen Gedanken gefasst haben.
In die Herzen seiner nach Unabhängigkeit von Russland strebenden Mitbürgerinnen und Mitbürger hatte sich Sibelius spätestens mit seiner Karelia-Suite eingeschrieben, die er nach einem Besuch in der finnischen Urregion an der (umkämpften) Grenze zu Russland komponiert hatte, einige Jahre vor dem berühmten Orchesterstück "Finlandia". Wie in einem Kaurismäki-Film muss man die Erhabenheit in dieser Musik als genauso doppelbödig verstehen wie die Skurrilität in den Werken Rautavaaras und Segerstams.
Feierabendhaus der BASF, Ludwigshafen
Aufzeichnung vom 29. Januar 2015
Einojuhani Rautavaara
"Cantus Arcticus" Konzert für Vögel und Orchester
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105
Leif Segerstam
253. Sinfonie "Crazily alone at Christmas, but in the family of universes of sounds"
(Uraufführung)
Jean Sibelius
Karelia-Suite für Orchester op. 11
Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz
Leitung: Leif Segerstam