"Direkte Auktion"

Die Berliner Kunstszene hilft sich selbst

07:53 Minuten
Die Künstlerin Clara Brörmann.
Bei der Kunstversteigerung unter dem Motto "Art, aber fair" war auch ein Bild der Künstlerin Clara Brörmann in der Auktion. © Andrea Katheder / Schwarz Contemporary
Von Thorsten Jantschek · 28.11.2020
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Die digitale Kunstauktion unter dem Motto "Art, aber fair" ist eine gezielte Aktion, um Künstlerinnen und Künstler in der Coronakrise zu unterstützen. Von 400 Werken wurde gut die Hälfte verkauft. Echter Nervenkitzel - für eine gute Sache.
Es ist das erste Mal – bei einer Live-Auktion von Kunst dabei zu sein! Seit Tagen verfolge ich über ein Internetportal die "Direkte Auktion". Es ist ein ganz anderes Auktionsformat, entwickelt von der Künstlerin Bettina Semmer und Holm Friebe von der Zentralen Intelligenzagentur als Unterstützung in der Coronazeit.
Hier geht das Geld direkt an die, die es in der Kunstszene derzeit brauchen. Das Berliner Auktionshaus "Jeschke van Vliet" verzichtet auf das sonst übliche Aufgeld von 25 bis 30 Prozent.

Endlich: Das erhoffte Bild wird aufgerufen

Am Samstagnachmittag ist es soweit. Das Los 327 wird aufgerufen: Clara Brörmanns "Patina & Empathie 1", Öl auf Leinwand, 50 mal 40 Zentimeter groß. Ein herrliches Bild mit überlagernden geometrischen Formen, geprägt von zwei blauen Formen, die den Bildraum wie Spangen auseinanderzudrücken scheinen.

Seit Wochen weiß ich, dass dieses Bild zur Auktion steht. Ich folge der Künstlerin auf Instagram. Und ich habe schon ein Bild von ihr. Jetzt bin ich sehr aufgeregt. Ich habe eine Höchstgrenze im Kopf, rechne noch schell die Zusatzkosten durch: Gebot plus 16 Prozent Mehrwertsteuer plus drei Prozent für die Onlineplattform. Ich wollte aus Sicherheitsgründen nicht durch diverse Corona-Hotspots fahren und im Saal mitbieten, sondern vom heimischen PC aus.
Das ersteigerte Werk der Künstlerin Clara Brörmann.
Das ersteigerte Bild der Künstlerin Clara Brörmann. © def image / schwarz contemporary

3, 2, 1 – meins

Der Auktionator beginnt. Bei 1500 Euro geht’s los. Und dann drücke ich auf den Knopf. Einmal, zweimal, dreimal. Wer zum Teufel will mir das Bild abjagen? Jedes Mal werde ich potenziell 120 Euro los. Und nochmal. Es folgt das berühmte: "Zum Ersten, zum Zweiten unnnnnddddd ZUM DRITTEN!" Der Hammer saust nieder. Das Display zeigt: "Sie haben den Zuschlag." Krass! Ob das wohl kein Fehler war? Nein, nein, in der Galerie von Clara Brömann rufe ich schnell an und frage, zu welchem Preis die das angeboten hätten. Es wäre teurer gewesen, in jedem Fall.
Ich beruhige mich und werde wieder zum Beobachter. Ich habe die Tage während der Auktion mitgezählt. Von den über 400 Werken ist gut die Hälfte ersteigert worden. Ist das nicht viel zu wenig für eine erfolgreiche Auktion? Zumal vor allem die hochpreisigen Werke zurückgegangen sind, nur heute Morgen ist eine seltene Grafik von Georg Baselitz für 18.400 Euro versteigert worden. Offenbar haben viele kleine Sammler überwiegend zwischen 500 und 2000 Euro in Kunst investiert. Klingt so "mittelerfolgreich".

Ein voller Erfolg

"Nein", sagt der Initiator Holm Friebe am Telefon: "Wir sind super zufrieden, hätten das nie gedacht!" Stimmt, manche der Künstlerinnen und Künstler, die hier verkaufen konnten, haben nicht einmal eine Galerie, andere verkaufen in Coronazeiten so gut wie nichts. Und jetzt sind sie Teil des Sekundärmarktes geworden, der Auktionswelt, wo normalerweise nur die ganz Erfolgreichen aus der Kunstszene unterwegs sind und nur die Sammlerinnen und Sammler, die sich von deren Werken trennen, den Profit machen.
Und außerdem gibt es ja noch den Nachverkauf in der nächsten Woche. Da kann man dann Gebote abgeben. Hätte ich vielleicht auch gemacht, wenn ich nicht den Zuschlag bekommen hätte. Denn viele der Künstlerinnen und Künstler, auf die ich im Katalog gestoßen bin, kannte ich gar nicht.
Werde ich aber verfolgen, vielleicht bis zur nächsten "Direkten Auktion".
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