Diplomatischer Affront

Christina Nagel im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 27.03.2013
Die verhaltene Kritik seitens der Organisationen an den Überprüfungen durch russische Behörden erklärt ARD-Russland-Korrespondentin Christina Nagel mit Diplomatie: Einerseits wolle man Partnerorganisationen schützen, andererseits das deutsch-russische Verhältnis nicht stören.
Seit Mitte Februar untersuchen russische Beamte die Arbeitsräume von russischen Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland unterstützt werden. Der Auftrag dafür wurde erteilt durch Wladimir Putin: Er will, dass NGOs, die sich politisch betätigen, drastisch bestraft und als ausländische Agenten registriert werden.

Das Klima der Einschüchterung spitzt sich dieser Tage weiter zu, weil jetzt auch deutsche Organisationen untersucht werden. Bei der Konrad-Adenauer-Stiftung wurden sogar Computer beschlagnahmt. Trotzdem könne man nicht von Razzien sprechen, sondern von zulässigen Untersuchungen, sagt der Leiter des Moskauer Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, Jens Siegert.

Dem stimmt auch die ARD-Korrespondentin in Moskau, Christina Nagel, zu: Es sei wohl korrekt, von Überprüfung zu sprechen, weil bei Razzien in der Vergangenheit maskierte und bewaffnete Männer die Räumlichkeiten gestürmt und alles auf den Kopf gestellt hätten. Das ginge hier jetzt aber deutlich zivilisierter zu. "Von daher muss man von Kontrollen und Überprüfungen sprechen", sagt Nagel. Und die seien natürlich gerechtfertigt, wenn es Verdachtsmomente gibt.

Viele Organisationen berichteten jedoch, dass nichts gegen sie vorliege und auch keine Begründungen jetzt genannt würden. "Und da kann man dann schon von mehr sprechen als reinen Routineüberprüfungen und ganz normalen Vorfällen", erklärt Nagel.

Dass von den NGOs dennoch wenig Kritik zu hören sei, erklärt sie mit zwei möglichen Ursachen: Einerseits wolle man die Partnerorganisationen, die eh schon ins Visier der Behörden geraten seien, nicht noch mehr gefährden. Zum anderen wolle man vermeiden, dass noch mehr harsche Kritik aus dem Ausland kommt. "Das deutsch-russische Verhältnis soll nicht gestört werden", so Nagel.

Das vollständige Gespräch mit Christina Nagel können Sie bis mindestens 27. August 2013 als MP3-Audio in unserem Audio-On-Demand-Angebot hören.

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