Diplomaten im Exil

Von Claudia van Laak |
Die Bundesregierung hat beschlossen, 5000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Unabhängig von diesem Kontingent kommen Männer, Frauen und Kinder zu uns, die hier um politisches Asyl bitten. Im Flüchtlingsheim in Teltow bei Berlin lebt eine besondere Familie.
Erdgeschoss, Wohnung Nummer 106. Die Tür schmückt ein kleines Amulett aus hellem Leder und türkisfarbener Keramik.

Er: "Das ist etwas Traditionelles. Da steht: Allah."
Sie: "Wir haben es als Souvenir aus dem alten Haus mitgenommen."
Er: "Es hat sehr viel für uns bedeutet. Wir haben nur das mitgenommen. Als Erinnerung. Wir haben alles zurückgelassen. Wir haben einfach die Tür zugemacht und sind gegangen."

Ziad Khaleh und Lama Ahmad mit ihren beiden Kindern Zena und Salem. Seit drei Monaten leben sie nun in Deutschland, im brandenburgischen Teltow, nicht weit entfernt von der Berliner Stadtgrenze. Zwei Zimmer, Küche, Bad.

Er: "Es ist nicht unser Zuhause."
Sie: "Es ist noch nicht unser Zuhause."

Die beiden sitzen bei Pulverkaffee und Wasser in der spartanisch eingerichteten Küche. In Damaskus war die Familie privilegiert - der 37-jährige Ökonom arbeitete bei den Vereinten Nationen, seine Ehefrau war Diplomatin im Dienste des Diktators Assad. Sie haben die Seiten gewechselt.

"Ich werde nie wieder diesen Kriminellen repräsentieren. Vom ersten Moment der Revolution an waren wir auf der Seite des Volkes, wir haben verdeckt gearbeitet. Aber als der Moment kam, an dem wir innerhalb des Landes nichts Sinnvollen mehr für die Revolution tun konnten, war es Zeit zu gehen und eine neue Botschaft zu senden: Da gibt es jemanden, der Teil des Systems war und jetzt auf alle Privilegien verzichtet. Ich bevorzuge, ein heimatloser Flüchtling zu sein und nicht mehr eine Diplomatin in diesem kriminellen System."

Ihre Sätze sind klar und eindeutig, ihr Körper spricht eine andere Sprache. Die schlanke Frau mit den langen schwarzen Haaren verknotet die Beine in den engen Jeans um den Küchenstuhl, knetet ihre Hände. Über meine Flucht darf ich nicht reden, sagt Lama Ahmad.

"Weil ich nicht will, dass jemand, der wie ich als politischer Flüchtling dem Regime abschwören will, dass der durch meine Flucht beeinträchtigt wird. Weil: Das Regime hört mit und sieht, wie ich geflohen bin, wie ich über die Grenze gekommen bin. Das war keine leichte Flucht. Es war der härteste Tag in meinem Leben."

Die 35-jährige Ökonomin zieht die Stirn in Falten. Die dunklen Augen hinter der schwarzen Brille werden noch dunkler, die tiefschwarzen, sorgfältig nachgezeichneten Augenbrauen verziehen sich zu einem steilen Winkel. Ihr Blick fällt nach draußen.

Auf dem schmalen Fensterbrett ziehen Lama und Ziad Tomaten in leeren Blechbüchsen. Salbei und Minze duften. Der Ahorn im Hof des Flüchtlingsheims beginnt sich gelb zu färben, die feuchte Luft riecht nach Herbst. Beide atmen tief durch. Die Erinnerungen an Damaskus kommen zurück.

"Alles war zerstört. Da war eine Straße, die wir benutzt haben von unserem Haus hin nach Damaskus. Sie hieß die Todesstraße. Es roch nach Leichen."

"500 Menschen wurden in fünf Tagen ermordet. Man konnte die Gesichter der Killer sehen, die frei in den Straßen herumliefen, die ihren Sieg feierten. Das sind die Bilder, die wir aus unserem Fenster gesehen haben und die wir nie vergessen werden."

Wenn sie über Syrien reden, werden ihre Stimmen lauter, eindringlicher. Die beiden sind nicht nur nach Deutschland gekommen, weil sie hier sicher sind. Ziad und Lama wollen von hier aus die Opposition unterstützen, wollen ihren neuen Nachbarn klarmachen, wie dringend Hilfe gebraucht wird. Der kleine schlanke Mann mit dem ergrauten Bart geht zum Kühlschrank, holt eine Plastiktüte mit arabischen Brotfladen heraus.

"Brot. Das ist das Brot, was wir normalerweise essen. Vielen Menschen wird es nicht erlaubt. Wenn Du Brot hast oder Milch für Deine Kinder, die Militärs nehmen es Dir an vielen Kontrollstellen ab. Es ist nicht erlaubt, Essen oder andere Dinge, eben essenzielle Dinge, mit nach Hause zu nehmen."

Der kleine Salem ist wach geworden, reibt sich die Augen, sein Vater nimmt ihn auf den Arm. Eineinhalb ist er jetzt, erzählt Ziad, erst seit wir in Deutschland sind, kann er ruhig schlafen.

"Salem hat nie mehr als 30 oder 45 Minuten durchgeschlafen. Wir haben die ganze Zeit Bomben gehört, tagsüber, nachts."

Zeit für einen Spaziergang rund um das Asylbewerberheim. Auch das genießt die Familie aus Damaskus: einfach an die frische Luft gehen ohne die Angst vor Scharfschützen. Und die zwei freuen sich über die vielen Wahlplakate, die kurz nach der Bundestagswahl immer noch hängen. Wir sind total neidisch auf Euch, sagt Ziad Khaleh.

"Bei uns gibt es keine richtigen Wahlen, da ist nur eine Person für die Präsidentschaft, und wir machen uns nur darüber Gedanken, ob er 99,99 Prozent der Stimmen bekommt oder 99,98 Prozent."

Sie schieben den Kinderwagen mit Salem um die Ecke, zeigen stolz auf ein Schulgebäude. Hier geht unsere Tochter in die erste Klasse, erzählt Lama Ahmad. Wir sind von allen gut aufgenommen worden.

"Wir sind glücklich über das Lächeln, das wir in der Straße bekommen. Denn wir sind ja die Fremden. Aber sie haben uns nie aggressiv angesehen, nein, sie haben uns freundlich angesehen. Sie versuchen, uns zu helfen."

Die frühere Diplomatin freut sich auf den Deutschkurs, der demnächst im Asylbewerberheim beginnt. Schneller als andere haben sie eine Anerkennung als politische Flüchtlinge erhalten. Lama Ahmad will jetzt eine besondere Oppositionsgruppe voranbringen - die "Syrischen Diplomaten für einen zivilen und demokratischen Staat."