Dinos in New York

Von Max Böhnel |
Das "American Museum of Natural History" befasst sich seit Samstag in einer Ausstellung mit dem neuesten Stand der Dinosaurierforschung. "Dinosaurs: Ancient Fossils, New Discoveries" wartet mit einer Kombination aus jüngsten Fundstücken, Computersimulationen und lebensgroßen Dinosauriermodellen für den Laien tatsächlich mit überraschenden Erkenntnissen auf: zum Beispiel dass die übergroße Mehrzahl der Dinosaurier nicht großer war als heute lebende Tiere, oder dass sie oft ein Federkleid trugen.
Das "American Museum of Natural History" verfügt mit fast 50.000 Fossilien von Wirbeltieren über die weltweit größte paläontologische Sammlung ihrer Art. Es beherbergt Hunderte von herkömmlichen Museumsdinosauriern mit dem entsprechenden Gigantismus. Doch in der neuen Schau geht Qualität vor Quantität - sie bleibt, da sie keine Effektheischerei treibt und sich auf das Wesentliche konzentriert, übersichtlich und erzielt dadurch einen großen Lerneffekt. Und sie bietet für viele Besucher sicher einige Überraschungen: etwa, dass die Dinosaurier - von wenigen Ausnahmen abgesehen - doch nur die Größe von Pferden, Hunden, Katzen oder Vögeln hatten - und dass eine große Mehrzahl ganz oder teilweise in ein Federkleid gehüllt war. Dr. Mark Norell, der Leiter der paläontologischen Abteilung und Chefkurator der Ausstellung, fasst die neuesten Fragestellungen in der Paläontologie so zusammen:

Mark Norell: "Die gesamte Forschungsrichtung konzentriert sich mehr auf die Biologie der Dinosaurier. Wir fragen nicht mehr die altbekannten Fragen, zum Beispiel: wie sind die Tierarten miteinander verwandt. Vielmehr nähern wir uns den Dinosauriern so an, wie wir uns lebenden Tierspezies annähern. Die Fragen lauten dann beispielsweise: Wie lange dauerte es, bis sie ausgewachsen waren, bewegten sie sich in Herden oder waren sie Einzelgänger, wie sahen sie aus, wie pflanzten sie sich fort und ihre Evolution. Das Forschungsfeld hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren völlig gewandelt. "

Dinosaurier waren den neuesten Erkenntnissen zufolge leichter als sie aussahen. Selbst die Pflanzen fressenden Sauropoden mit ihren enormen Ausmaßen hatten beispielsweise Lungen, die Vögeln ähnelten und in den Hals hineinreichten. Sowohl das Skelett als auch die Muskelmasse waren leichter als vermutet. 100 Tonnen Körpergewicht, wie bis vor kurzem angenommen, hatten selbst die größten Dinosaurier aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Beweglichkeit, Schrittfolge, Geschwindigkeit, Laufrhythmus - die Motorik der Dinosaurier als wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand ist ein Anliegen der Schau - und sie spart dabei nicht an Spektakulärem, zum Beispiel das Modell eines Apatosaurus, dessen Skelett silberfarben glänzt - das Modell fußt auf einer Computeranalyse der University of Oregon und einer Bewegungsstudie. Der mit 20 Metern lange 20 Apatosaurus stellt von der Größenordnung der ausgestellten Exemplare her eine Ausnahme dar. Groß zu sein war nicht einfach, lernen die Museumsbesucher an drei dazugehörigen Computermonitoren, auf denen der Apatosaurus auf einen digitalen Stoss in die Rippen oder auf Nahrung reagiert. Der Dinosaurier hatte einen riesenlangen Rücken, doch er konnte sich gewichtsbedingt nicht aufrecht bewegen. Im selben Ausstellungsraum läuft das Skelett eines Tyrannosaurus Rex auf einem Laufband - Wissenschaftler haben das zwei Meter lange Modell in jahrelangen Arbeiten in Bewegung gebracht - Hunderte von Knochen und Knöchelchen simulieren, von Computern gesteuert, den wahrscheinlichen Lauf des Tyrannosaurus Rex - schlank, wendig, den Fleischfresserschädel geduckt nach vorne gerichtet. Weshalb sich der T. Rex nach Auffassung von Wissenschaftlern so und nicht anders bewegt haben muss, ergab sich aus Vergleichsstudien mit lebenden Tierarten, wie ein Wissenschaftler der University of Oregon am Bildschirm erläutert:

"Wenn wir untersuchen, wie sich heutige Tiere, wie das Pferd oder der Strauss, bewegen und wenn wir uns die Beschaffenheit ihrer Wirbelknochen ansehen, dann lassen sich daraus Schlüsse auf die Funktionsweise größerer Tiere und selbst ausgestorbener Arten ziehen. Mein Lieblingstier ist in dieser Beziehung der Elefant, die größte lebende Tierart. "

Wie die Flora und Fauna vor 130 Millionen Jahren im Mesozoikum ausgesehen haben mag, haben die Kuratoren in einer hufeisenförmigen Aussichtsplattform aus Glas nachgestellt. Auf der Grundlage von Entdeckungen im Liaoning-Wald in der gleichnamigen Provinz in Nordchina ist eine Szenerie nachgestellt: Unter Zedern, an einem Fluss, im Hintergrund ein Vulkan, tummeln sich 35 prähistorische Tierarten: von einem Zikadenschwarm, dessen Zirpen den Besucher umgibt, über Vögel und Pflanzen bis hin zu Dinosauriern. Der Projektleiter der Schau Steve Kremm erläutert, weshalb die Wirklichkeit detailreich nachgebildet werden konnte.

Steve Kremm: "Die Szene handelt vor 130 Millionen Jahren, feiner Vulkanstaub bedeckte das Gebiet, und er konservierte alles: Pflanzen, Insekten, Reptilien, Amphibien, größere Dinosaurier und Vögel. "

Wider Erwarten waren die Tiere aber offenbar doch nicht so groß wie die herkömmliche Vorstellung von prähistorischen Lebewesen suggeriert. Und: viele Dinosaurier trugen Federn, auch wenn sie flugunfähig waren. Über die Ursachen sind sich Forscher unklar, aber ein führender Wissenschaftler wie der Ausstellungskurator Mark Norell vertritt die These, dass Vögel die direkten Nachfolger von Dinosauriern sind.

Mark Norell: "Ich würde sagen, Vögel sind lebende Dinosaurier, im selben Masse wie Menschen Primaten sind. Vögel sind beispielsweise mit dem T Rex sehr viel näher verwandt als die altbekannten Dinosaurier, die volkstümlich bekannt sind, mit dem T Rex verwandt sind. Vögel sind eine Art Dinosaurier. "