"Dinge in Bewegung"

Von Carsten Probst |
Sich drehende filigrane Installationen oder "Weglauftiere" bietet das Festival "Phaenomenale" in Wolfsburg. Es zeigt unter anderem die künstlerische Reflexion auf die Technik und spürt dem alten Motiv der Automatenbegeisterung nach. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit des Wissenschaftszentrums Phaeno mit dem Kunstverein und dem Kulturbüro Wolfsburg.
Dominik Essing: " Da sieht man eine zwei Meter große Installation, im unteren Teil sieht man einen Maulwurf, der das träge System der früheren Sowjetunion symbolisiert und oben drüber sieht man viele Ratten, die an verschiedenen Schnüren ziehen, und es ist also eine bewegte Installation. Die Ratten symbolisieren die Menschen, die trotz dieses trägen Systems alles am Laufen halten und alles am Leben erhalten, obwohl das System, was dem unterliegt, eigentlich sehr träge und passiv ist. Das Ganze läuft ab als eine Choreographie, also es ist mit Musik unterlegt, die Teile bewegen sich, die drehen sich, die werden mit Lichtsteuerung von hier unten angestrahlt, das heißt, man hat farbige Schattenspiele."

Schön drehen sie sich, die filigranen Installationen aus Blech, zappeln und rutschen die Holzfigürchen in den mechanischen Fantansiegerüsten herum, die aussehen, als seien sie mittelalterlichen Höllendarstellungen entsprungen. "Kinemats" nennt der russische Bildhauer Eduard Bersudsky seine komplexen Gebilde in Anspielung nicht nur auf den Begriff der kinetischen Automatenkunst, wie sie vor allem ein Jean Tinguely in Europa seit den sechziger Jahren bekannt gemacht hat. Die Licht- und Schatteneffekte erinnern auch an die frühen Kinematografen, mit denen Geschichte in lebende Bilder umgesetzt wurde.

" Wir sind also generell nicht jetzt technisch ausgerichtet, sondern zunächst einmal naturwissenschaftlich, wollen uns aber eben auf dieses Gebiet beschränken, das den Leuten durchschaubar ist, das sozusagen das Ich-Erlebnis möglich macht. Also nicht unbedingt von vornherein gleich technikkritische Ansätze, die Irrwege, die da möglich sind in der Anwendung neuer Technologien und all diese Dinge, sondern erstmal Zutrauen bei den Besuchern zu schaffen. Und die Ausstellung "PhantasieMechanik", die wir hier haben, ist eben auch wieder auf dieser Linie, wir wollen eben den Leuten durchschaubare – deswegen eben die Mechanik hier – durchschaubare Erlebnisse geben. ", erklärt Wolfgang Guthardt, der Direktor des Wolfsburger Wissenschafts-Zentrums "Phaeno".

Die "Phaenomenale" soll das pädagogische Standardprogramm seines Hauses um künstlerische Aspekte bereichern. Allein 20 Werke hat man von Arthur Ganson ausgestellt, einem Hauptvertreter der kinetischen Kunst, der aus Alltagsgegenständen mithilfe kleiner Motoren scheinbar lebendige Halbwesen schafft.

Der Amerikaner Norman Tuck versucht mit seinen Objekten, wissenschaftliche Phänomene erklärbar zu machen. Und auch wenn alles hier so seltsam retrospektiv wirkt, so irgendwie vorelektronisch, keine Rede von Nanotechnologie, therapeutischem Klonen oder wenigsten von Quantencomputern, so steckt in den ausgestellten Apparaten doch eine Ambivalenz, die zumindest der reinen Technikfaszination eine gebrochene, geradezu endzeitliche Dynamik entgegenstellt - gleichsam eine verrückte Schwundstufe der Technokratie, die die tragischen bis skurrilen Erzählungen bereithält, die am Ende jeder Fortschrittsideologie stehen.

" Also wir leben im Zeitalter der Events. Und wir beginnen nach den ersten zwei Jahren, die es uns gibt, zu lernen, wie der Markt funktioniert, wie die Besucher funktionieren, wie man unter der Bedingung, dass wir in Wolfsburg sind, sich verhalten muss, und einfach nur die Türen aufzumachen und zu sagen: Hier sind wir! - reicht heutzutage nicht mehr, man muss eben immer etwas Spezielles bieten, etwas, wo die Medien eben auch aufmerksam sind."

Denn so ist sie eben, die Phantasie-Mechanik auch des Kulturbetriebes - und es ist diese ganz unideologische Ehrlichkeit und Programmlosigkeit, aus der die "Phaenomenale" geboren wurde, die zugleich sympathisch und ihr größter Trumpf ist. Sie ist selbst ein Phänomen der Zeit.

" Die "Phaenomenale", also der Grundgedanke ist ja, dass man Science und Art zusammenbringt, und da geht es uns eigentlich auch nicht um Medienkunst im ursprünglichen Sinne, sondern wir überlegen uns Phänomene, die sowohl für die Wissenschaft als auch die Kunst interessant sein könnten, und wie es auch schon die letzte "Phaenomenale" gezeigt hat, landet man dann oft auch bei der Maschine. ", sagt Justin Hoffmann, der Leiter des Kunstvereins Wolfsburg, was schon ein wenig anders klingt.

Und in der Tat präsentiert Hoffmann mit seiner stets parallel zum Programm im Phaeno laufenden Ausstellungen sozusagen das zweite Gesicht der "Phaenomenale", die künstlerische Reflexion auf die Technik, die einem sehr alten Motiv in der künstlerischen Automatenbegeisterung nachspürt, dem Unheimlichen und Quasi-Göttlichen – angelegt im Titel: "Dinge in Bewegung"

Hoffmann: " Gemeint ist damit, dass es schon immer eine Faszination für Menschen war, wenn sich tote Gegenstände anfangen zu bewegen. Was das Irritierende daran ist, ist, dass man das ja eigentlich von Objekten nicht erwartet und dass so eine bestimmte Art von Transgression passiert, erschreckende, teilweise merkwürdige Abläufe, aber teilweise auch mit viel Humor. "

Die sogenannten "Weglauftiere" des Künstlers Walter Zurborg in dieser auch sonst sehr unterhaltsamen Kunstvereinsausstellung illustrieren den Grundgedanken dieser Wolfsburger Veranstaltung mit unerreichter Lakonie und tragischem Witz: einfache Geräte, die sich mit Antrieben aus Kreissägen oder Gummizylindern fluchtartig in eine Richtung bewegen und dabei den Stecker aus der Steckdose reißen, die ihnen für den Flucht den Strom lieferte. Aber für einen kurzen Moment hatten sie ihre Freiheit. Immerhin hinterlässt ihr Fluchtversuch Spuren auf dem Boden. So war am Ende vielleicht doch nicht alles umsonst.