Dinah Washington

Tränen beim Singen

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"Jeder Ton saß auf Anhieb." © picture alliance / Foto: Peter Kneffel
Von Simonetta Dibbern · 14.12.2013
Viele großartige Jazzsängerinnen gab es im 20. Jahrhundert: Ella Fitzgerald, Billie Holiday, Sarah Vaughan. Etliche wurden zur Legende, manche von ihnen wiederum fast vergessen – so wie Dinah Washington.
Königin wurde sie genannt: Queen of the Blues. Queen of the Jukebox. Und eine Krönung gab es auch: 1959 bekam Dinah Washington den ersten Grammy, der überhaupt vergeben wurde, in der Sparte Rhythm and Blues. (Musik "What a Difference a Day Makes") Mit diesem Song wurde sie weltberühmt. Das Original stammt aus der Feder einer mexikanischen Komponistin. Doch die Mischung aus süffiger Melodie und schmachtendem Bolero-Rhythmus, aus Melancholie und Glamour war wie für sie geschaffen.
"Sie ist in jeden Song förmlich hinein gekrochen."
So der Jazzpianist Joe Zawinul – er war kurz vorher in ihre Band gekommen:
"Sie hat fast jeden Abend geweint, wenn sie gesungen hat. Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Und dem Publikum ging es genauso."
Sie hatte keine schöne Stimme. Und ihr Aussehen entsprach nicht dem Schönheitsideal der 50er Jahre. Und doch wurde Dinah Washington zur Pop Ikone und zur ersten Soul-Diva. Weil sie keine musikalischen Grenzen kannte, war sie um einiges erfolgreicher als die Jazzsängerinnen ihrer Generation, erklärt die Sängerin Annie Ross.
“Sie hatte eine kräftige Stimme, sehr stark, sie klang nicht so jung wie Ella Fitzgerald oder so sanft wie Sarah Vaughan, auch nicht so klagend wie Billie Holiday – Dinah’s Stimme durchdrang einfach alles."
Begonnen hat Dinah Washington wie so viele afroamerikanische Sängerinnen: im Kirchenchor einer Baptistengemeinde. Erst in Alabama, wo sie am 29. August 1924 als Ruth Lee Jones geboren wurde. Und später in Chicago, wo sie aufwuchs. Sie konnte singen, sie konnte Klavierspielen – mit 16 bekam die hochmusikalische junge Frau ihren ersten Preis bei einem Amateur-Gesangs-Wettbewerb. Und der Besitzer eines Jazzclubs erkannte früh, dass sie das Zeug zum Star hatte – allerdings unter einer Bedingung, erzählt ihre Biographin Nadine Cohoda:
Joe Sherman in Chicago hatte ihr ihren ersten Auftritt in einem kleinen Club verschafft. Hinterher nahm er sie zur Seite und sagte: schön gesungen, Süße. Aber: Ruth Jones, das ist kein Name für dich. Du brauchst einen Namen, der über die Zunge rollt, was hältst du von: Dinah Washington?
Las Vegas - Here I Come
Es hat funktioniert. Denn sie konnte alles singen: Blues-Songs und Jazz-Klassiker. Rhythm and Blues und Country and Western. Sie war die erste Frau, die Las Vegas eroberte. Und die erste Afroamerikanerin, die Schwarz und Weiß in einem Song zusammenbrachte: den Soul eines Ray Charles und die Eleganz eines Frank Sinatras. Sie wurde eine der erfolgreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Und wohl die erste Popsängerin der Musikgeschichte – wandlungsfähig und: perfektionistisch. Jeder Ton saß auf Anhieb. Ihr Styling war immer makellos. Und von höchster Eleganz.
Doch glücklich war Dinah Washington wohl nie: Siebenmal war sie verheiratet. Um den schönen Schein zu wahren, brauchte sie immer mehr Tabletten – zum Abnehmen und zum Beruhigen, die Medikamente führten schließlich auch zum Tod: am 14. Dezember 1963 starb Dinah Washington, im Alter von nur 39 Jahren: Den tödlichen Cocktail aus Amphetaminen, Schlaftabletten und Alkohol soll sie aus Versehen eingenommen haben. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass ihr – viel später –die Sängerin Amy Winehouse ihr ihre Referenz erwies:
"Sie war sehr humorvoll, auch in ihren Songs. Bei Making Whoopee zum Beispiel, da gibt es diese Stelle, wo der Richter sagt, du kommst ins Gefängnis. Und sie erwidert nur ‚Hah‘. So war Dinah."