Dilettantismus

Apfel-Basilikum-Eis Marke hausgemacht

Von Ina Plodroch |
Die Eismacher Antonius Werhahn-Mees und Philipp Pongratz leben das Motto "do it yourself". Weil ihnen das Eis aus dem Supermarkt nicht schmeckte, haben sie ihr eigenes gemacht. Und sind dabei auf eine Marktlücke gestoßen.
"Aktuell heute haben wir hier Kokosnuss, Pfirsich, Apfel-Basilikum, Himbeer-Joghurt, Mango, Gurke-Limette, Heidelbeer-Joghurt, Minze-Limette ..."
Eis am Stil. Gibt's auch am Kiosk, aber das schmeckte Antonius Werhahn-Mees nicht so gut. Deshalb macht er sein Eis jetzt selbst und verkauft es.
"Die sind nicht nur selbst gemacht, sondern handgemacht. Wir haben keine Maschinen, das ist nicht wie beim italienischen Eis, wo die Zutaten in die Maschine gegeben werden und das durchrührt, sondern die Früchte und Kräuter werden eingekocht und dann abgefüllt am Ende."
Eis, Kaffee, Marmelade, Macaron, Pesto. Sogenannte Manufakturen verkaufen das, was es im Supermarkt für ein paar Euro gibt, für ein paar Euro mehr. Ist ja schließlich alles handgemacht und handverlesen. Keine Chemie, keine Zusatzmittel. Alles regional, frisch, ökologisch und authentisch wie bei Oma. Was die Industrie kann, können die Selbstmacher schon längst:
"Dann liest man sich ein, probiert ganz viel aus und macht viel falsch und irgendwann was richtig. Das ist meistens der Weg."
Antonius Werhahn-Mees will es nicht den Profis überlassen, hochwertiges Eis herzustellen. Der Betriebswirt wagte den Quereinstieg und kocht jetzt Früchte für sein Eis am Stil ein.
"Weil ich das als Marktlücke gesehen habe, hochqualitatives Eis zu finden."
Werhahn-Mees verzichtet auf Zusatzstoffe und mischt auch mal Basilikum ins Eis. Die etablierten Marken am Kiosk bieten das nicht - die Innovation liefert der Dilettant.
Doch was passiert nach jenem Zauber, der dem Anfang innewohnt? Dann kommt man ins Grübeln: Was passiert da eigentlich? Designermöbel aus hässlichen Europaletten, Gemüse aus der stinkigen Großstadt, Produkte aus dem FabLab, die industriell viel besser hergestellt werden können. Der moderne Mensch ist arrogant - er vertraut keinem mehr, am wenigsten der Industrie, am meisten sich selbst. Die Devise: Jeder kann alles am besten selbst. Hilfe gibt's dafür im Netz:
"Vieles ist zu teuer und nicht immer möchte man viel Geld für all die Sachen ausgeben. Doch es geht ja auch anders: Was für die einen ein Müllhaufen ist, ist für die anderen eine wahre Fundgrube."
Das Internet ist voller Video-Tutorials. Sie implizieren - jeder kann alles können. Heute will jeder individuell sein. Deshalb meidet der moderne Mensch die Industrie und setzt sich selbst an die Werkbank. Die Maxime unsere Zeit: Nachhaltigkeit, Hochwertigkeit, soziale Gerechtigkeit - das alles scheint durchs Selbstmachen erreichbar. Selbstverwirklichung durch Selbstermächtigung?
Tocotronic: "Was du auch machst, mach es nicht selbst
Auch wenn du dir den Weg verstellst
Was du auch machst, sei bitte schlau
Meide die Marke Eigenbau."
Schon 2010 warnte die Band Tocotronic vor dem Selbstmach-Trend. Jeder stellt seine Produktivität zur Verfügung - aus "jeder kann alles" wird "jeder muss alles".
Eigentlich war DIY auch mal Punk. Sind die modernen Menschen zu Systemverweigerern geworden? Wohl kaum. Mittlerweile passiert das Gegenteil: DIY selbst ist zur Ware geworden. Alles selbst machen, das ist zeitlich gar nicht möglich. Dann aber bitte kaufen, was von anderen selbst gemacht ist. Aus der antikapitalistischen Verweigerungshaltung, aus einem Ethos der Selbstermächtigung ist ein Hipster-Thema und Verkaufsprinzip geworden, meint auch Philipp Pongratz, der zusammen mit Antonius Werhahn-Mees das selbstgemachte Eis verkauft.
"Ich glaube schon, dass Dinge wieder mehr wertgeschätzt werden, wenn sie selbst gemacht sind. Weil es im Prinzip auch transparenter ist. Man ist direkter an den Produzenten, man kann mit uns sprechen. Wie das gemacht wird, wie das Produkt entsteht. Was für Zutaten da drin sind."
Transparenz, Regionalität, persönlicher Kontakt stehen heute für hochwertige Produkte. Ob der Macher ein Profi ist - egal. Im Food-Bereich ist es längst angekommen und tut der Branche vielleicht ganz gut - immerhin schmeckt das Eis am Stil von Antonius Werhahn-Mees besser als das am Kiosk. Die Industrie könnte davon lernen. Bisher tut sie vor allem so, als wäre sie jetzt auch ein Dilettant: Das Etikett einer Limo aus Köln sieht aus, als hätte die Oma gerade das Einmachglas für den Keller beschriftet. Der Ausverkauf des DIY hat begonnen.