Digitale Zukunft

Die Politik muss sich anstrengen

Netzwerkstecker sind vor einem Computer-Bildschirm mit Symbolen für "gespeicherte Verbindungen" zu sehen
Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht, hat der EuGH entschieden - die Union befürwortete sie jahrelang. © dpa picture alliance / Jens Büttner
Von Falk Steiner · 11.11.2014
Gerda Hasselfeldt (CSU) meinte jüngst, es müsse ein digitaler Ruck durch Deutschland gehen, und EU-Kommissar Günther Oettinger glaubt, dass Deutschland die Geschwindigkeit der digitalen Revolution völlig unterschätzt. Hat die Politik hierzulande den Trend verschlafen?
Es sei die Grundsatzfrage, findet Peter Altmaier:
"Ich finde, wir müssen uns auch darüber klar werden, ob wir das Internet grundsätzlich als etwas Schlechtes ansehen und ich persönlich bin der Auffassung es ist eine großartige Sache."
Der Kanzleramtsminister begeistert vergangene Woche im Konrad-Adenauer-Haus, spricht vielen der Anwesenden aus der Seele. Unionsgeneralsekretär Peter Tauber und sein Verein CNetz haben in die CDU-Zentrale geladen um über Chancen und Risiken der Digitalisierung zu diskutieren. Von Revolution keine Spur, aber alle, die Rang und Namen in der Union haben, sind gekommen.
Das Thema "digitale Welt" bewegt. Auch wenn keiner so genau weiß, was da wirklich auf die Politik zukommt, wie man darauf reagieren soll. Es fehlt an einem Gesamtkonzept.
Als Beispiel nennt die Kanzlerin den Umgang mit dem umstrittenen taxi-artigen Dienstes Uber.
"Das, was wir super können, ich auch, wie sie sehen, dass wir das Problem schildern können... wir kommen nur nicht dazu… also ich mein, ist ja Erkenntnisfortschritt Nummer eins. Aber ich vermisse, dass wir dann – Hamburg verbietet, Berlin verbietet ein halbes Jahr, die Stadt erlaubt, einer probiert’s mal, einer testet es, wir kommen nicht zu... wir müssen das jetzt dann entscheiden."
"Prinzipiell ist das Internet keine eigene Welt"
Kaum eine andere deutsche Partei hat so viel Kritik für ihre Digitalpolitik einstecken müssen wie Merkels CDU. Ob Vorratsdatenspeicherung, die die Union jahrelang befürwortete, ob Netzsperren, die die damalige Unions-Familienministerin Ursula von der Leyen einführen wollte: Die Union und das Digitale, das war lange keine Liebesbeziehung. Und das hat viel mit dem Grundverständnis zu tun.
"Prinzipiell ist das Internet keine eigene Welt. Alles, was viele hier als virtuelle Welt bezeichnen ist höchst real, sehr real. Und deshalb glaube ich, dass bis zum Beweis des Gegenteils prinzipiell die gleichen Regeln, die gleichen Bewertungen, die gleichen Maßstäbe, die gleichen Methoden gelten müssen, wie in der analogen Welt",
sagt Innenminister Thomas de Maizière.
Er gehört zu denen, die nach wie vor ihre Probleme mit dem Digitalen in der Politik haben. Er kämpft in der Union um Verständnis für seine Herangehensweise. Sein Instrument dafür ist der Vergleich. Ob Gurtpflicht oder Rechtsregime:
"Wenn ein Unternehmen Nudeln verkauft oder Thunfisch, der schlecht ist, dann sagen wir, weil Du dieses Risiko in die Welt gesetzt hast, musst Du die Öffentlichkeit darüber informieren, dass man jetzt diese Thunfischdose, diese Marge oder wie das heißt, nicht kauft. Das ist ziemlich peinlich für ein Unternehmen."
Doch was auf vielen CDU-Veranstaltungen für Beifall sorgen könnte, sorgt hier bei den Digital-Freunden der CDU im Adenauer-Haus höchstens für ein leichtes Schmunzeln. Der Minister fremdelt mit dem Digitalen.
Und wo steht der Koalitionspartner, die SPD?
Den Silicon-Valley-Kapitalismus zähmen
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat vor wenigen Wochen seine Partei auf eine soziale und gerechte Gestaltung der Digitalisierung eingeschworen.
"So wie wir damals den Manchester-Kapitalismus für die Menschen gebändigt haben, ohne als Maschinenstürmer die Industrie zu verteufeln und abzuschaffen, so müssen wir heute den Silicon-Valley-Kapitalismus zähmen, das ist eine ur-sozialdemokratische Aufgabe."
Da hören auch die Genossen hin, die sich bislang nicht für das Digitale interessiert haben. Wird sich nicht doch alles irgendwie verändern?
"Das Digitale ist politisch. Politisch im umfassenden Sinn, in dem Sinne, dass die digitale Revolution fast alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft berührt, wie wir kommunizieren, wie wir arbeiten, wie wir wirtschaften und vor allen Dingen wie wir Freiheit und Demokratie und Persönlichkeitsrechte gestalten."
Dem Vizekanzler ist die Analyse gelungen, würde Angela Merkel wohl sagen.
Sie geht davon aus, dass die Politik sich eher wie Programmierer verhalten muss: Dinge ausprobieren und dann schauen, ob sie sich bewähren.
"Wir werden uns auch in der Politik daran gewöhnen müssen, dass wir nicht Gesetze für Jahrhunderte machen, sondern dass wir immer wieder auch versuchen müssen und vielleicht auch ab und an mal automatische Auslaufzeiten von Gesetzen machen und dann gezwungen sind, neu nachzudenken, ob das jetzt noch richtig ist. Wir sind ja auch… - ich hab mal gesagt, das ist Neuland - , ich bin nach wie vor der Meinung, dass das richtig ist, wir haben in bestimmten Bereichen keine Erfahrung und dann sollen wir auch als Politiker nicht so tun, als könnten wir das jetzt für alle Tage und Ewigkeiten regeln."
Entscheidend sei am Ende, was konkret ist, sagt Merkel.
Oft kaum merklich, da sehr langsam - doch ganz Konkretes findet im Alltag vieler Menschen statt. Vom Einzug der Smartphone-Apps in die private Alltagskommunikation bis hin zur Arbeitswelt und der Industrie, in der ohne digitale Technologie nichts mehr funktionieren würde: hier nimmt die digitale Revolution Formen an. Die Politik muss sich anstrengen, wenn sie in dem Bereich Zukunft mitgestalten will.
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