Digitale Schnitzeljagd

Von Michael Engel · 21.01.2008
Cache ist englisch und heißt soviel wie "geheimes Versteck" oder auch "Waffenlager". Ganz und gar nicht militärisch geht es bei den sogenannten Geocachern zu. Das sind Menschen, die in ihrer Freizeit mit Hilfe eines GPS-Navigationsgerätes Verstecke suchen, die andere Geocacher angelegt haben: Meist sind es Behälter oder Dosen jeder Art mit einem Papierstreifen darin, auf dem sich der Finder dann einträgt. Die Positionsdaten der Verstecke muss man sich zuvor aus dem Internet holen.
Wer ein "Cache" - ein Versteck - suchen möchte, muss sich zunächst einmal die Informationen aus dem Internet holen. Zum Beispiel unter geocaching.com. Bei mehr als 40.000 Verstecken allein in Deutschland ist mit Sicherheit in jeder Region etwas zu finden.

"Mein Cachername ist FRIGO und mein wirklicher Name ist Frank Götting."
"Katrin Meseke und mein Cachername ist GREEN DRAGON 68."
"Ich heiße Stefan Erker und mein Cachername ist SHREDDER."
"Markus Gründel und mein Cachername ist SCHLUMBUMM."

Die Vier aus Hannover bezeichnen sich als "Gemeinschaftscacher", weil sie gerne auch in der Gruppe unterwegs sind. Markus Gründel, Autor eines Buches über Geocaching, hat sich schon mal die Koordinaten aus dem Internet besorgt - mit Angaben auf den Meter genau. Das kleine GPS-Gerät in seiner Hand weist den Weg dorthin.

"Also, es geht hinter die Altstadt in Richtung historisches Museum. Und da müssen wir mal schauen. Das ist das Leibnizhaus, und das soll der Cache sein."

Heute sind die Geocacher auf der Suche nach dem "Schlauen Hund". So heißt ein Versteck mitten in der City von Hannover. Stefan Erker - freiberuflicher Industriekletterer - genießt solche Touren zu nächtlicher Stunde.

"Das ist quasi eigentlich nur die Fortsetzung der Schnitzeljagd aus der Jugend, nur mit technischen Mitteln, was ja auch Spaß macht. Man lernt ziemlich schnell gleichgesinnte Leute kennen und so ist man zu jeder Jahreszeit mit netten Leuten unterwegs, und es hat auch einen Sinn, man läuft nicht einfach durch den Wald, man sucht was. Das macht Spaß."

Es gibt Einzelcacher, die sich lieber allein auf die Suche begeben. Aber auch Familien, die ihren sonntäglichen Spaziergang mit einer digitalen Schnitzeljagd verbinden - zur Freude der Kinder. Die Cachergruppe in Hannover kämpft sich durch eine überfüllte Innenstadt - immer wieder neigt sich der Blick auf das Display des GPS-Gerätes.

"Das GPS-Gerät zeigt mir jetzt im Prinzip an, welche Entfernung ich habe. Es zeigt mir an, wir müssen nach Westen gehen. Und zwar 286 Meter. Und haben wir da den Cache eingekreist auf einen Radius von vielleicht sechs Metern. Und da fängt dann die Suche an. Genau."

Verstecke in der Fußgängerzone einer Stadt sind eher die Ausnahme. Meistens liegen die Caches draußen, unter einer Bank im Freien oder hinter einem Grenzstein. Frank Götting betreibt das Geocaching gerne auch sportlich.

"Der gefährlichste war weit außerhalb von Hannover, eine alte Munitionsfabrik bei Verden. Ein Cache über acht oder neun Stunden in alten Bunkeranlagen. Mit Abseilen. Mit allem, was man sich so vorstellen kann. Super interessant. Der Cache verbindet alles, was mein Cacherherz höher schlagen lässt."

Bei Rätselcaches müssen die Koordinaten erst noch ausgerechnet werden. Es gibt auch Angaben in Geheimschrift, die auf das nächste Versteck verweisen. An manchen Stellen befinden sich Gegenstände, Münzen oder Spielsachen für Kinder, die ausgetauscht werden können.

"Wir gehen jetzt also noch mal 20 Meter links, da haben wir hier noch eine ganze Menge Menschen hier stehen. Jetzt müssen wir mal sehen, dass wir uns ganz unauffällig der Stelle hier nähern, und schon mal gucken, wo könnte man da so eine kleine Dose verstecken in der Größe einer Filmdose. Das machen wir mal. 13 Meter, 14 Meter haben wir noch. Jetzt schleichen wir uns langsam mal an."
Rauskommen, Abstand von der Arbeit, vom Computer gewinnen, Bewegung in der frischen Luft: Das sind Motive, die Katrin Meseke zum Geocaching gebracht haben. Für die 39-jährige Beamtin, eine Referentin im gehobenen Dienst, müssen aber auch die Verstecke an sich verlockend sein.

"Also, mich hat hier ein Cache besonders inspiriert, weil ich im Sommer auch viel alleine gesucht habe. Ich hab' den dritten Bödeker-Engel gesucht, den man hier in Hannover suchen kann. Auf einem ganz einsamen, kleinen Friedhof. Und dadurch kam es auch, dass man sich mehr mit Zwangsarbeitern beschäftigt hat, und wo sind eigentlich Orte, wo Zwangsarbeiter waren, das hat sich bei mir so ein bisschen vertieft."

Nicht immer bleiben Geocacher unbemerkt. Zum Beispiel von der Polizeistreife, die stutzig wird, wenn Menschen nachts mit der Taschenlampe durch die Gegend ziehen. Auch mit Förstern gibt es immer wieder Probleme - Mitten im Wald. Selbstverständlich: Wildern ist verboten - Geocaching indes aber nicht. Und das sehen selbst die Polizisten am Ende ein.

Markus Gründel: "Also ich möchte mich mal zu den sogenannten 'Genusscachern' zählen. Mal mache ich an einem Tag, wenn's hoch kommt, fünf, sechs, sieben, vielleicht auch mal zehn Stück, wenn's angelegt ist. Und dann gibt es ja teilweise auch Wochen, wo ich gar nichts mache."

Leibnizhaus Hannover: Das GPS-Gerät zeigt jetzt auf Null Meter Entfernung zum Cache. Hier muss er also sein - der "Schlaue Hund". Tatsächlich zeigen die Säulen neben dem Eingang steinerne Hundefiguren. Zwischen Säule und Hauswand gibt es einen Spalt. Und jetzt wird es spannend.

So, einmal nach hinten gegriffen und schon haben wir die Filmdose gefunden. Da hole ich jetzt einen kleinen Streifen Papier raus. Und da schreiben wir jetzt unsere Namen drauf. Unser Datum. Wann wir hier gewesen sind als Beweis, dass wir da waren.

Zwar geben die Positionsdaten auf den Meter genau an, wo die Verstecke liegen. Suchen muss man sie trotzdem. Auf Bäumen, in Felsspalten oder wie hier im Gemäuer eines Hauses. All das lässt Cacherherzen höher schlagen.