Digitale Geschichtsstunde für Fußballfans

Von Georg Gruber · 07.06.2012
Weil man bei all den Welt- und Europameisterschaften schnell den Überblick verlieren kann, gibt es die Geschichte des Fußballs jetzt als digitale Chronik. Die DVD-Rom ist vollgepackt mit Fotos, Audios und Videos sowie mit Fakten, mit denen man beim Stammtisch glänzen kann.
Jede Geschichte hat einen Anfang: Die Chronik beginnt mit der ersten Fußball-Weltmeisterschaft 1930 in Uruguay:

"Der einarmige Castro schießt ein zum 4:2 und Uruguay ist Weltmeister!"

Europameisterschaften gibt es erst seit 1960 - bei der ersten in Frankreich waren Deutschland, England und Italien nicht mit dabei. Sie verzichteten freiwillig, auch die zweite EM in Spanien 1964 ging ohne Deutschland über die Bühne. Und als die Deutschen dann 1968 mitmachen wollten, bei der dritten Europameisterschaft in Italien, scheiterten sie schon in der Qualifikation. 1972 schaffte es die deutsche Mannschaft schließlich bis ins Finale und besiegte die UdSSR mit 3:0. Die "Jahrhundert-Elf" wurde dieses Team genannt, mit Gerd Müller, der im Finale zwei Tore schoss, Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Paul Breitner, Sepp Maier und Jupp Heynckes. Sie holten den ersten Titel seit 1954, dem Gewinn der Weltmeisterschaft. Damals sagte Fritz Walter:

"Sie können sich vorstellen, was in unserer Kabine für ein Jubel herrscht. Wir sind alle restlos glücklich, dass wir das Unwahrscheinliche möglich gemacht haben. Wir können es selbst noch nicht glauben und brauchen erst einige Stunden oder Tage, um die Größe dieses Erlebnisses richtig in uns aufnehmen zu können."

Die Fußball-Chronik erscheint zu jedem Großereignis neu, in ähnlicher Form, mit Spielplan, der online aktualisiert werden kann. Sie wächst und wächst und ist so etwas wie das Standard-Datenwerk für eingefleischte Fans, mit zahlreichen Fotos, Audios und Videos - doch wie die Jahrhundertelf von 1972 gespielt hat, davon gibt es leider nichts zu sehen oder zu hören. Von keiner der Europameisterschaften finden sich Film- oder Tondokumente auf der DVD-Rom - von den Weltmeisterschaften schon, wenn auch nur bis 1998. Da tritt dann auch das Moderatoren-Duo auf, das inzwischen auch schon Geschichte ist: Gerhard Delling und Günter Netzer. Wobei sich Netzer - drin oder nicht drin, egal - schon 1998 gegen den Fernsehbeweis ausspricht und dabei grundsätzliche Einsichten über das Wesen des Spiels mitliefert:

"Ich halte nichts von diesen Fernsehbeweisen. Ich denke nach wie vor, dass ein Spiel nach 90 oder 120 Minuten zu Ende sein sollte. Es muss Emotionen enthalten, es muss diskutiert werden an den Stammtischen hinterher und es soll nicht mehr aufgelöst werden durch irgendwelche Videoaufnahmen."

Diskutiert wird heute nicht mehr nur an den Stammtischen, sondern auch im Internet. Und da gibt es ja inzwischen unendlich viele Ausschnitte von Spielen aus allen Jahrzehnten, mehr als jeder Datenträger fassen kann. Das wissen auch die Entwickler der DVD-Rom und haben deshalb die Fußballchronik so konzipiert, dass an vielen Stellen Youtube-Filme mit eingebunden werden können - vorausgesetzt, man ist online.

Die Chronik überzeugt mit der durchdachten und übersichtlichen Aufbereitung der Datenfülle aller Welt- und Europameisterschaften. Wer hat bei der EM 1988 in Deutschland im Finale gespielt? Mit welcher Mannschaftsaufstellung? All das ist mit ein paar Klicks verfügbar, auch die weiteren Einsätze der einzelnen Spieler. Dazu Tabellen und Statistiken. Auf der ewigen EM-Tabelle beispielswiese steht Deutschland mit 22 gewonnen Spielen auf Platz eins, gefolgt von Spanien. Die meisten EM- und WM-Einsätze hatte Paolo Maldini, zusammen mit Lothar Matthäus. Der seinen ersten Einsatz im Juni 1980 hatte, bei einem Spiel Deutschland gegen Holland, das 3:2 endete.

Wer da dann mithilfe der Chronik weiter den Spuren folgt, findet immer wieder alte Bekannte: In diesem Spiel schoss beispielsweise Klaus Allofs, heute Manager bei Werder Bremen, alle drei Tore und ein gewisser Felix Magath, der es insgesamt nur auf zwei EM-Einsätze brachte, wurde in der 65. Minute für Hansi Müller eingewechselt. Wer solche Details im Gespräch am Stammtisch fallen lässt, wird sicher Eindruck hinterlassen. Auch der Menüpunkt "Lexikon" enthält mit über 15.000 Einträgen eine Menge Insiderwissen, über fast vergessene Fußballer, abgestiegenen Vereine, die Abgeordnetenmannschaft des Bundestages und Edmund Stoiber, der, so erfährt man hier, Ehrenmitglied beim 1. FC Nürnberg ist.

Ausgelassen wird in der Chronik, was nicht in die heile Welt des Fußballs passt. Kein Wort etwa zur politischen Situation beim EM-Gastgeber Ukraine. Und die Biografien der DFB-Präsidenten sind auch geschönt. Im Text über Hermann Neuberger heißt es beispielsweise, er habe als FIFA-Funktionär für die Ausrichtungen von vier Weltmeisterschaften nur Lob geerntet - dabei wird unterschlagen, dass eine dieser Weltmeisterschaften 1978 in Argentinien stattfand, wo eine Militärjunta herrschte und Oppositionelle verschwinden ließ, was damals durchaus kritisiert wurde. Nur nicht von Neuberger und vom DFB.

Platz ist auf der DVD-Rom hingegen für Werbefilmchen eines Sportartikelherstellers, da sprechen dann auch Spieler der Nationalmannschaft, wie Bastian Schweinsteiger, zum zentralen Thema: Welche Form hat der Ball.

"Jetzt ist er wieder sehr rund, das hört sich blöd an, aber es ist wirklich so."

Der Ball ist rund - das ist eine der Grundkonstanten in der Geschichte des Fußballs. Alles andere wird sich zeigen in den kommenden Wochen.

Die große EM und WM Fußballchronik 2012
DVD-Rom für PC, USM-Verlag
München 2012, 14,99 Euro


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