Karriere in Rumänien
Etwa 2,5 Millionen Rumänen arbeiten in anderen EU-Ländern. Anders sieht es in Rumäniens IT-Branche aus: Programmierer sind in der Heimat gefragt, Start-ups werden gegründet. Ein Besuch in Cluj, dem Zentrum des digitalen Booms.
Der 30-jährige Christian Dascalu lenkt seinen Nissan durch die Altstadtgassen Clujs. Er möchte sein "Cluj-Hub" zeigen:
(Atmo) "We like to call it Happy House."
Ein Co-Working-Space, in dem sich junge Designer, Architekten und Informatiker stunden-, tage- oder auch wochenweise einen Arbeitsplatz mieten können.
"Der Co-Working-Space wurde vor einem Jahr gegründet. Wenn du ein Start-up hast, brauchst du Leute mit denen du darüber reden kannst, die deine Ideen beurteilen können - die dir auch mal sagen, du bist nicht verrückt. An solchen Orten sammeln sich die Ressourcen von allen Leuten, die hier arbeiten."
Erst einmal muss er aber einen Parkplatz finden. Während in den ländlichen Regionen Rumäniens noch Pferdewagen über die Straßen zuckeln, kämpfen in Cluj BMW-Fahrer mit Hipstern im Mini um die letzte Parklücke.
Geschäftsleute mit Latte to Go in der einen, und Smartphone in der anderen Hand hasten über die Straße. Die 320.000-Einwohnerstadt boomt, vor allem wegen ihrer IT-Branche.
Das "Happy House" ist ein dreigeschossiger Altbau im Zentrum der Universitätsstadt. Ein paar Straßen entfernt von der renommierten Babes-Bolyai-Universität - eine von sechs staatlichen Hochschulen der Stadt. Jeder dritte Einwohner Clujs ist Student. Vor allem naturwissenschaftliche Fächer sind gefragt.
"Das ist die zentrale Co-Working-Ebene. Wir haben Kapazität für 50 Leute; einen Garten, einen Grill, Fahrräder, Bier - alles da. Viele hier arbeiten im IT-Sektor, aber auch in der Event-Organisation, Innenarchitektur, Kunst und Grafik."
Löhne von Informatikern steigen rasant
Dascalu führt uns durch sein Bürohaus. Junge Informatiker tippen in ihre Laptops: hauptsächlich Männer, keiner scheint älter als 25.
Der 24-jährige Informatiker Cosmin Mihaiu testet gerade seine neueste Software. Mit den Armen wackelt er auf und nieder und dirigiert so ein Computerklavier. Der Sensor einer Spielekonsole erkennt seine Bewegungen - und lässt die einfache Melodie des Kinderlieds erklingen.
"Unsere Firma entwickelt Software, um traditionelle Physiotherapie durch Übungen mit Videospielen zu ersetzen. Der Patient erspart sich eine lange und langweilige Regenerationszeit, die Spiele sind sehr viel interaktiver und motivierender. "
Zusammen mit zwei Kommilitonen hat er vor einem Jahr die Software-Firma Mira Rehab gegründet - eines der zahlreichen IT-Startups in Cluj.
"Hier und in ganz Rumänien wächst die Start-up-Szene, viele Firmen werden gegründet. Es gibt auch viele Unternehmen, die den Start-ups helfen, so dass auch die kleinen Firmen vorankommen und Erfolg haben."
Noch Ende der 90er versuchten viele Informatiker, mit allen Mitteln Jobs in Westeuropa oder Kanada zu ergattern. Heute müssen sie keine Arbeitslosigkeit mehr fürchten, erzählen uns Dascalu und seine Informatik-Mieter. Ins Ausland gehen sei kein Thema.
Der Technologie-Sektor ist mit Wachstumsraten von jährlich 40 Prozent eine der wenigen Vorzeigebranchen Rumäniens. Timisoara, Bukarest und Cluj haben sich als Outsourcing-Standorte für Soft- und Hardware einen Namen gemacht, sagt Dascalu.
"Dieser Ort ist durch den Aufstieg der IT-Industrie und das Outsourcing groß geworden. Die Internationalen Firmen sind jetzt hier. Sie haben finanzielle Ressourcen gebracht. Jetzt ist klar: Der internationale Markt ist da."
Siemens, SAP und Vodafone lassen hier programmieren. Doch Rumänien wird bald nicht mehr mit der Billig-Konkurrenz aus Indien oder der Ukraine mithalten können. Anders als in den meisten Branchen steigen bei den Informatikern die Löhne rasant. 1000 Euro verdienen sie zurzeit im Schnitt - sehr viel für rumänische Verhältnisse.
Billige und gestaltungshungrige IT-ler
Cristian Dascalu führt uns in den Keller seines Hauses.
Der 23-jährige Felix Kerekes - ein langer Schlacks im ausgewaschenen Google-T-Shirt, hat sich hier einen Steh-Schreibtisch gemietet.
"Hier arbeite ich jeden Tag, das ist unser Büro. Bei Google hab ich schon ein Praktikum gemacht, bevor ich meine eigene Sache hier angefangen habe. Ich liebe meine Heimat, mein Land. Es war eine gute Erfahrung, aber ich will lieber etwas machen, was ich liebe."
Dann stößt noch George Bara dazu. Anfang 30, blaue Augen, dunkler Anzug. Er ist mit seiner Geschäftsidee schon ziemlich weit, im Mai will er ein personalisiertes Nachrichtenportal an den Start bringen. Bescheidenheit ist ihm dabei fremd.
"Also bald wird man von uns hören, was wir machen ist das Innovativste im rumänischen Onlinesektor der letzten zehn Jahre. Und wenn es gut läuft, kämpfen wir gegen Google News - nur wir fünf Leute gegen sie."
Kleine IT-Firmen wie die hier im "Happy House" könnten Rumäniens Wirtschaft aus der Krise ziehen, glaubt er. Die rumänischen IT-ler seien nämlich nicht nur billiger - sie hätten anders als die jungen Kollegen im Westen noch Gestaltungshunger.
"Ich fühle mich verpflichtet, selbst etwas aufzubauen. Wir kommen aus 50 Jahren Kommunismus - als man nichts gründen konnte. Ich weiß, wie es meinen Eltern ging, die sich nichts aufbauen konnten und Jahrzehnte in einem Staatsunternehmen gesessen haben. Ich habe heute die Möglichkeit und es wäre dumm, die nicht zu nutze. Es wäre, als wenn man die Geschichte betrügen würde."