Digital gefertigter Zahnersatz

Von Staphanie Kowalewski · 31.03.2010
Zahnkronen, -brücken und -implantate werden inzwischen am Monitor entworfen und automatisch gefräst. "Computer Aided Design" und "Computer Aided Manufacturing" nennt sich das (Cad/Cam). Mit dieser Technisierung hofft die Branche, auch dem billigeren Zahnersatz aus Asien und Osteuropa langfristig etwas entgegensetzen zu können.
Der Arbeitsplatz von Lukas Bittner im Krefelder Zahntechniklabor Wolters sieht eher wie ein normaler Büroarbeitsplatz aus. Vor ihm ein Monitor samt Tastatur und Maus und unter dem Tisch ein leistungsstarker Computer.

Neben ihm arbeitet gerade der Scanner – das Herzstück der digitalen Zahnfertigung. Im Inneren des Gerätes, das etwa so groß wie eine Mikrowelle ist, tastet ein Laserstrahl den Gipsabdruck eines Zahnstumpfes von allen Seiten ab. Sehr schnell und sehr präzise.

"So, der Scannvorgang ist jetzt gleich abgeschlossen."

Schon werden gestochen scharfe, dreidimensionale digitale Bilder der eingescannten Stümpfe auf dem Monitor sichtbar.

"Hier zum Beispiel haben wir jetzt die gescannten Stümpfe. Den 5er, den 6er und den 7er."

Durch die spezielle Software lassen sich die Bilder beliebig drehen und vergrößern. Das System fragt nun verschiedene Parameter ab, die Lukas Bittner nach und nach per Mausklick festlegt.

"Also der Computer gibt alles an, was ich jetzt zu tun hab. Zum Beispiel muss ich jetzt hier beim 4/5er die Präparationslinie einzeichnen. So. Ein Klick und der Computer macht alles automatisch, wie Sie hier sehen können."

Kinderleicht findet Lukas Bittner das. Das war nicht immer so, räumt Dominik Kruchen ein, der in Düsseldorf ein Zahntechniklabor betreibt und Landesinnungsmeister in NRW ist. Lange Zeit seien die Cad/Cam-Systeme nicht wirklich praxistauglich gewesen.

"Auch heute noch werden die teuersten Rechner benötigt, um die hohe Datenmenge für eine präzise Passung zu verarbeiten. Wo man früher noch Stunden für brauchte, geht das jetzt heute in Minuten. Und wo noch viel Potenzial drin steckt, sind die Software-Elemente, die auch erst in den letzten zwei bis drei Jahren so handlich geworden sind, dass auch jeder Zahntechniker damit umgehen kann, ohne dass er vorher Informatik studiert haben muss."

Heute dauert es rund 15 Minuten, bis das System mit allen wichtigen Daten gefüttert ist und es automatisch berechnet, wie die Krone aussehen muss, sagt Barbara Wolters, Chefin des gleichnamigen Dentallabors in Krefeld.

"Es wird praktisch virtuell modelliert. Das, was wir früher in Wachs gemacht haben, das wird heute virtuell am Rechner konstruiert. Und jetzt speichere ich das alles. So das hätten wir. Und diese Daten, wenn es dann fertig ist, werden an das Fräsgerät geschickt, und der fräst aus dem Material dann die Krone oder Brücke raus."

Durch die Digitalisierung kommen nun auch andere Materialien zum Einsatz. Statt Metallen und teurem Gold wird die Unterkonstruktion von Brücken und Co heute aus Zirkoniumdioxid hergestellt.

"Dieses allergiefreie Zirkonoxid, das gibt es nicht zum gießen, das muss gefräst werden. Das ist ein Material, das kommt ursprünglich aus der Weltraumfahrt, wurde verwendet im Hitzeschild des Space Shuttle. Das zeigt auch, wie stabil das Material ist."

Doch zunächst ist das Material weich wie Kreide und lässt sich sehr gut und vor allem schnell von der vollautomatischen Fräse bearbeiten. Dazu wird ein Rohling in die Fräsmaschine eingespannt aus der flinke Fräsköpfe nacheinander die künstlichen Zähne formen. Schon nach wenigen Minuten können die noch weichen Kronen vorsichtig aus der Platte gelöst werden. Erst das Brennen im Ofen härtet das Zirkoniumdioxid und macht es stabil.

Auf das gefräste und gehärtete Untergerüst der Zahnprothese werden nun von Hand mit einem feinen Pinsel die verschiedenen Keramik- und Glanzschichten aufgetragen, sodass die Krone den eigenen Zähnen farblich zum Verwechseln ähnlich sieht. Zum Schluss werden noch die feinen Riefen und Vertiefungen an der Kaufläche eingeschliffen, fertig. Das Ergebnis ist ein individueller und passgenauer Zahnersatz.

"Das Problem war ja bei der Cad/Cam-Fertigung in den Anfangszeiten, dass sie den Ruf hatte, sie wäre unpräziser als die handwerkliche Arbeit. Das ist heute nicht mehr."

Noch arbeiten hierzulande eher wenige Labore mit der digitalen Technik. Mag sein, dass sie die hohen Investitionskosten, die zwischen 50.000 und 300.000 Euro liegen, scheuen. Doch das wird sich bald ändern. Zumal die nächsten digitalen Neuerungen bereits in den Startlöchern stehen, sagt Zahntechniker Dominik Kruchen:

"Als nächster Schritt wird in den nächsten Jahren der digitale Mundscanner sicherlich kommen. Und der wird wiederum eine kleine Revolution für unser Handwerk bedeuten."

So werden die Patienten künftig wohl nicht mehr die unangenehme Prozedur des Abdrucknehmens über sich ergehen lassen müssen. Stattdessen soll der Mundinnenraum samt Zahnreihen, Lücken und Kieferform gescannt werden. Derzeit ist der digitale Abdruck des Gebisses allerdings noch mit einigen Schwierigkeiten behaftet. So sind die natürliche Nässe im Mundraum und die daraus resultierenden Spiegelungen noch problematisch. Doch dafür wird es bald Lösungen geben, sagt Dominik Kruchen. Er ist von der neuen Technik nicht nur angetan:

"Die Zahntechniker müssen aufpassen, dass sie halt in diesen dentalen Workflow noch eingebunden bleiben, weil die Versuchung bei dem ein oder anderen Zahnarzt so sein könnte, direkt von seiner Praxis aus ein Industriezentrum zu bedienen."

Ein Klick werde dann reichen, und der Zahnarzt kann die digitalen Daten aus dem Mundraum des Patienten via Internet an ein Fräszentrum senden, die massenhaft Zahnprothesen fertigen und daher billiger sein können als das Labor um die Ecke. Doch schon jetzt hat der Einzug der digitalen Fertigungstechnik spürbare Auswirkungen auf das Zahntechniker-Handwerk, sagt Dominik Kruchen.

"Einmal für die Leute, die im Beruf sind, die einen Job haben. Die werden sich verändern müssen. Die werden zukünftig mehr mit der Maus arbeiten, statt mit dem Modelliermesser. Auf der anderen Seite wird es sicherlich durch die Rationalisierungen, die damit verbunden sind, halt auch weniger Arbeitsplätze geben, das ist ganz sicher."