"Dieses ständige Verharmlosen, dieses ständige Weggucken"

Jan Gorkow im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 25.03.2013
"Was wir machen, ist halt kein staatstragender Antifaschismus", sagt Jan Gorkow alias Monchi, der Sänger von Feine Sahne Fischfilet. Vom Verfassungsschutz beobachtet und von Nazis bedroht, kritisiert die Band rechte Gewalt und Gedanken, "um sich den Nazis in den Weg zu stellen".
Matthias Hanselmann: Und jetzt steht auch unsere Leitung nach Rostock. Die Bundesregierung beteiligt sich, wie sie letzte Woche bekannt gab, nicht am NPD-Verbotsverfahren, Vizekanzler Rösler nannte als Grund, dass man Dummheit nicht verbieten könne, und wurde dafür scharf kritisiert. Die Band Feine Sahne Fischfilet aus Rostock und Greifswald macht seit Jahren aktiv und offensiv Front gegen Neonazis und Rechtsradikalismus und muss deshalb mit Angst vor Bedrohungen leben, und zwar sowohl Rechtsextreme als auch der Verfassungsschutz haben die Band im Visier.

Die Musiker gehören nicht zu denen, die es bei Mahnwachen und Lichterketten belassen – sie blockieren Neonaziaufmärsche und geraten dabei auch manchmal mit dem Gesetz in Konflikt. Das hat der Band wegen ihres handgreiflichen Eintretens gegen Rechte einen Abschnitt im Verfassungsschutzbericht 2011 des Landes Mecklenburg-Vorpommern eingebracht, und zwar im Abschnitt Linksextremismus, Kapitel "Autonome Gruppen". Die Passage ist länger als die zum NSU, der in Rostock einen seiner Morde beging. Die Band Feine Sahne Fischfilet wird dort tatsächlich aus "staatsfeindlich" eingestuft.

Wir sprechen mit Jan Gorkow, genannt Monchi, er ist der Sänger von Feine Sahne Fischfilet und jetzt bei uns in einem Studio in Rostock. Hallo.

Jan Gorkow: Ja, hallo, moin moin. Toll, dass das mit der Leitung noch geklappt hat.

Hanselmann: Ja. Jan Gorkow, wann sind Sie zum letzten Mal mit Neonazis aneinandergeraten und wie?

Gorkow: Ja, eigentlich ständig, wenn man in Mecklenburg-Vorpommern lebt und die Augen aufmacht, glaube ich, sieht man eigentlich regelmäßig Neonazis auf den Straßen, jetzt irgendwie nur wenn man so ein bisschen auf Klamottenmarken achtet, aber das letzte Mal war zum Beispiel am Samstag, als die Neonazis gegen ein AsylbewerberInnenheim demonstrieren wollten, dort wieder ihre rassistische Hetze auf die Straße getragen haben, und wir natürlich vor Ort waren und den Nazi-Aufmarsch zum Teil blockiert haben. Und ich glaube, das ist so bitterer Alltag in Mecklenburg-Vorpommern, dass man halt immer wieder auf Neonazis trifft, wenn man nicht wegschaut.

Hanselmann: Wie sieht es bei Konzerten von Ihrer Band aus?

Gorkow: Ja, erst mal gute Stimmung und viele coole Menschen, es gibt ja nicht nur Arschlöcher. Aber es gibt halt auch genug schlechte Menschen, und da gibt es halt natürlich auch recht oft Ärger. Das heißt halt, wenn wir Konzerte in Mecklenburg-Vorpommern machen oder veranstalten, dass die Neonazis dann halt auch versuchen, die VeranstalterInnen zu bedrohen, oder dass sie unseren Band-Bus angegriffen haben mit 20 Neonazis in Stralsund, oder, wie in Tessin bei einem "Rock gegen Rechts", vorher Buttersäure in den Konzertsaal geschmissen haben. Und das sind dann halt schon so – würde ich sagen – so Kontinuitäten, die es dann halt gibt, und womit wir halt versuchen, einen Umgang zu finden und uns da halt selbst zu organisieren und uns halt vor den Nazis zu schützen.

"Eine Behörde, die Nazigruppen aufbaut"
Hanselmann: Was meinen Sie denn, was genau hat Ihnen denn den Eintrag als staatsfeindliche Band von links eingebracht?

Gorkow: Na ja, als erstes wird es von mir kein Loblied auf einen Staat geben, der beispielsweise 1992 nach den rassistischen Pogromen in Lichtenhagen das Grundrecht auf Asyl abgeschafft hat oder solche Behörden wie den Verfassungsschutz irgendwie aufbaut und auch finanziert – eine Behörde, die Nazigruppen aufbaut, wie man gerade auch bei der ganzen NSU-Geschichte erlebt hat, da wird es auf diesen Staat kein Loblied von mir geben. Und ich denke, das, was wir machen, ist halt kein staatstragender Antifaschismus, sondern: Ich bin nicht gegen Neonazis, weil ich denke, oh, ich will nicht, dass die Nazis hier so ein schlechtes Image verbreiten und dass so weniger Touristen kommen, das ist mir relativ egal. Ich bin gegen Neonazis, weil sie eine rassistische, menschenverachtende Politik auf die Straße tragen, weil ihre Politik schlussendlich einfach tödlich endet, und deswegen bin ich gegen Neonazis, nicht wegen irgendwelcher Imagekampagnen. Und ich glaube, das ist natürlich auch staatlichen Behörden ein gewisser Dorn im Auge, ja.

Hanselmann: Sie sagen, Ihre Aktionen seien zum Teil Kunstaktionen. Der Verfassungsschutz sagt, ja, Sie übertreten da aber auch Gesetze. Haben Sie die Warnung des Verfassungsschutzes verstanden und werden sich andere Kunstaktionen ausdenken?

Gorkow: Nö. Da kann man – wir nehmen das wahr, wir nehmen natürlich auch die Einschüchterungsversuche des Verfassungsschutzes wahr, aber ich denke, das ist genau so wie mit dem Umgang mit Neonazis. Natürlich macht das auf einer gewissen Art und Weise Angst, aber ich denke, dass man mit dieser Angst umgehen muss, und dass man sich halt nicht einschüchtern lassen darf. Ich denke, dass es wichtig ist, weiter genau antifaschistische, antirassistische Politik öffentlich zu machen und sich den Nazis in den Weg zu stellen, und dies auch kontinuierlich zu machen, und das nicht nur irgendwie, dass es in Betroffenheitspolitik endet, wenn halt mal wieder irgendwie Leute oder Nazis Menschen umgebracht haben, sondern dass man sich kontinuierlich mit den Problemen des Neonazismus auseinandersetzt.

Und ich denke, das machen wir recht gut, und das zeigt halt auch, dass wir, wenn wir Konzerte in Mecklenburg-Vorpommern spielen, dass auf einmal nicht nur irgendwie die 50 gleichen Leute da sind, sondern dass, wie bei unserer Release-Party für das neue Album, von uns 600 Leute in so einer kleinen Stadt wie in Demmin auftauchen und vorher sich Vorträge angucken, danach die Konzerte mitnehmen. Und ich glaube, das ist auch ein Zeichen, dass es wichtig ist, kontinuierlich zu arbeiten und immer hinzuschauen.

Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, das Radiofeuilleton – wir sprechen mit Jan Gorkow alias Monchi. Er ist der Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet. Wir sprechen mit ihm über Möglichkeiten des Widerstandes gegen Rechtsextremismus aus der Sicht einer – sagen wir – linksautonomen Band. Monchi, was halten Sie als Sänger einer Antifa-Band von einem Verbot der NPD?

"Die würden hier nicht Bürgerbüros unterhalten können"
Gorkow: Hm. Ich glaube, das ist ein sehr, sehr schwieriges Thema. Also ich denke, dass ein Verbotsgeschrei auch nicht immer das Richtige ist. Ich denke, dass ein Verbot der NPD auf der einen Seite natürlich gut wäre. In Mecklenburg-Vorpommern wäre die NPD meines Erachtens nach nie so stark geworden, wenn die NPD nicht im Jahre 2006 hier in den Landtag eingezogen wäre. Die würden hier nicht Bürgerbüros unterhalten können, die würden hier nicht ihre Strukturen immer weiter ausbauen können – das machen sie natürlich alles mit Geldern, die sie halt durch die Partei bekommen. Aber ich denke auch, dass dieses Verbotsgeschrei von vielen Menschen halt auch eine Gefahr darstellen kann, dass man dann halt sagt, ach, ist ja verboten jetzt, und jetzt ist das Problem nicht mehr da.

Das ist nämlich genau der Fehler, dieses ständige Verharmlosen, dieses ständige Weggucken, dieses ständige Relativieren der Gesellschaft, der Politik und der staatlichen Behörden des Neonazismus. Und ich denke, da ist vielleicht eine kontinuierliche antifaschistische Auseinandersetzung mit dem Problem vielleicht ein bisschen effektiver als nur ein Verbot. Wobei ich auch sagen muss, dass ich, wie gesagt, da zwiegespalten bin. Denn wie gesagt, ohne die Parteiengelder, bin ich überzeugt, hätte die NPD hier niemals so stark werden können in Mecklenburg-Vorpommern.

Hanselmann:Glauben Sie eigentlich, dass Ihre Musik, Ihre Texte tatsächlich etwas bewirken können auch bei Menschen aus dem gemäßigten, aus dem bürgerlichen Lager, oder kommt zu Ihren Konzerten sowieso nur die Antifa-Gemeinde?

Gorkow: Ja, ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das hat nicht nur mit Musik zu tun, dass man natürlich irgendwie nicht nur in seinem kleinen Klüngel irgendwie rumhockt und immer nur in seinem eigenen Sumpf verharrt, sondern dass man sich natürlich öffnet und dass man halt versucht, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich meine, ich bin auch nicht irgendwie als Mensch, der jetzt auf einmal perfekt ist – bin ich jetzt auch bei weitem noch nicht –, auf die Welt gekommen, sondern ich habe auch … mit 13, 14, haben wir Nazi-Musik bei uns gehört, weil es einfach in war, weil es cool war, so. Und hätten sich da Leute nicht mit mir auseinandergesetzt und gesagt, Mann, Monchi, das, was ihr da macht, ist scheiße, und hör dir einfach mal an, was die Leute da singen, oder was da irgendwie für Politik vorangetragen wird, dann hätte ich auch nie sozusagen drüber nachgedacht.

Und ich glaube, das ist auch wichtig, dass man halt ganz klar Grenzen zieht. Für uns ist klar, wir werden nicht mit irgendwelchen aktiven Neonazis diskutieren, die haben sich dazu entschieden, Neonazis zu sein. Das sind nicht irgendwelche kleinen Opfer, sondern die wissen, was sie machen. Aber ich denke, dass es genau so wichtig ist, natürlich mit Menschen ins Gespräch zu kommen, und beispielsweise mit Jugendlichen, natürlich auch zu sagen, hier, es geht auch was anderes. Es geht auch was anderes, als irgendwie den Nazis hinterher zu laufen, weil die vielleicht gerade die Stärksten sind, oder weil die vielleicht am besten irgendwem aufs Maul hauen können. Ich glaube, das ist wichtig, da einfach auch so einen Gegenstandpunkt zu zeigen und zu sagen: Ey, es geht was anderes, wir haben Bock auf Leben, und es geht was anderes, als Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Sexualität irgendwie zu verfolgen.

Hanselmann: Monchi, ich habe noch eine kleine fiese Frage zum Schluss für Sie.

Gorkow: Ja, frag mal.

Hanselmann: Mit der Bitte um ganz kurze Antwort: Könnte es sein, dass der Eintrag im Verfassungsschutzbericht Sie eigentlich freuen müsste, denn schließlich erhöht das ja die Popularität und damit die CD-Verkäufe?

Gorkow: Auch das ist wieder ein zweischneidiges Schwert. Natürlich, der Verfassungsschutzbericht ist rausgekommen, als wir unser neues Album rausgebracht haben im November, und dadurch gab es dann ein ganz großes Medienecho. Aber ich glaube, wenn man langfristig denkt, dann ist es klar, was das bewirken soll, denn antifaschistische Projekte, wie beispielsweise uns, aber auch so Projekte wie das Peter-Weiss-Haus in Rostock oder das IKUWO sollen halt einfach kriminalisiert werden. [Internationales Kultur-und Wohnprojekt in Greifswald, Anmerkung der Online-Redaktion]

Und ich glaube, deswegen ist es wichtig, dagegen vorzugehen, weil das sind genau die Orte, wo kulturell einfach was geschaffen wird und einfach ein Gegenstandpunkt zu dem rechten Alltag in Mecklenburg-Vorpommern geschaffen wird. Und ich glaube, deswegen ist es genau richtig, so wie wir es jetzt mache, gegen den Verfassungsschutzbericht vorzugehen, und dort halt einfach klarzustellen, dass antifaschistischer Protest und antifaschistische Politik und nicht zu kriminalisieren sind.

Hanselmann: Danke an Jan Gorkow nach Rostock, genannt Monchi, Sänger von Feine Sahne Fischfilet.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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