"Diese Wahl ist frei"
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier, hat betont, dass es bei der anstehenden Wahl des neuen Bundespräsidenten zumindest formal keinen Fraktionszwang geben werde. Trotzdem zeigte er sich von einer Mehrheit für den Kandidaten Christian Wulff überzeugt.
Deutschlandradio Kultur: Als Sie im vergangenen Herbst zum Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt wurden, haben Sie gesagt, Ihre erste Aufgabe ist es, diese schwarz-gelbe Koalition so mit zu organisieren, dass sie ein Erfolg wird. Und da müssten auch menschliche Bindungen entstehen. Herr Altmaier, warum funktioniert das nicht so richtig?
Peter Altmeier: Was funktioniert, ist ja, dass wir alle Abstimmungen gewonnen haben, dass wir auch wichtige Projekte verabschiedet haben. Das, wo es in der Vergangenheit gehapert hat, war die Kommunikation nach außen und das geschlossen Auftreten nach außen. Das hat auch dazu geführt, dass es viel Kritik gegeben hat. Daran müssen wir sicherlich arbeiten.
Deutschlandradio Kultur: Es ging doch nicht nur um Kommunikationsprobleme, sondern auch um inhaltliche Differenzen.
Peter Altmeier: Es gab inhaltliche Differenzen zu einigen Punkten. Das ist richtig. Das hängt aber auch zusammen mit der großen Fülle der Herausforderungen, denen sich diese Koalition gegenübersieht. Wir kommen aus der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, haben uns trotzdem zum Ziel gesetzt, den Bundeshaushalt zu konsolidieren und den Weg aus dem Verschuldensstaat zu gehen in eine nachhaltige Haushaltspolitik.
Wir hatten in den letzten Wochen zu kämpfen mit der schwersten Krise des Euro seit Bestehen der gemeinsamen Währung. Und all das führt selbstverständlich dazu, dass Interessenkonflikte aufbrechen und dass man dann zwischen den Koalitionspartnern auch um den richtigen Weg ringt.
Deutschlandradio Kultur: Sprechen wir mal von Ihrer Partei, der CDU. Noch mal ein Zitat aus der Zeit Ihres Amtsantritts an: Sie wollten sich um "die geistige Landschaftspflege" der CDU kümmern. Was haben Sie damit gemeint?
Peter Altmeier: Nun, ich glaube, dass man in der Politik eben auf der einen Seite über eine Vielzahl von Einzelprojekten reden und entscheiden muss. Das tun wir auch. Das läuft in der Koalition im Ergebnis gar nicht so schlecht. Aber darüber hinaus muss man selbstverständlich auch Botschaften kommunizieren.
Es muss klar werden, was die roten Linien dieser Politik sind. Hier haben wir unter Führung von Angela Merkel in der Vergangenheit bereits wichtige Markpunkte gesetzt. Denken Sie zum Beispiel an die Haushaltsberatungen, wo sie erklärt hat, wir werden auf gar keinen Fall bei der Bildung sparen. Sie hat dafür gesorgt, dass bei den Einsparungen ein besonders starker Akzent im Hinblick auf die ökologische Erneuerung gesetzt worden ist.
Das heißt, wir müssen diese politisch-inhaltlichen Fragen, wo es um Weichenstellungen geht für das Land insgesamt, das müssen wir deutlicher machen. Und dafür brauchen wir auch den Kontakt mit wichtigen Interessengruppen, mit wichtigen Teilen der Bevölkerung, mit Multiplikatoren. Ich habe mich in meiner früheren Tätigkeit als Staatssekretär immer darum gekümmert, Politik eben nicht nur zu machen, sondern auch im Dialog zu entwickeln. Und ich glaube, dass das auch ein Modell ist für die Zukunft.
Deutschlandradio Kultur: Bildung, Energie, das ist doch ein bisschen kleinteilig, auch mit Blick auf das Sparpaket. Da vermissen ja sogar Politiker aus Ihrer Fraktion die große Vision, die große Überschrift. Das ist ja immerhin eine gewaltige Anstrengung gewesen.
Peter Altmeier: Ja, das wird sich auch im Laufe der Haushaltsberatungen sicherlich deutlicher herauskristallisieren. Wir haben es mit der gewaltigsten Sparanstrengung zu tun seit 40 Jahren. Wir haben es mit grundlegenden politischen Weichenstellungen zu tun. Wir sparen eben nicht mit dem Rasenmäher in allen Bereichen. Diese Weichenstellungen, die werden im Laufe der nächsten Monate deutlich werden. Und dann, bin ich überzeugt, wird die Zustimmung zu diesem Sparpaket auch wachsen.
Deutschlandradio Kultur: Nun bleiben wir doch mal bei diesen grundlegenden Weichenstellungen und nehmen das Beispiel Opel-Hilfe. Da hat sich einer profiliert in dieser Woche. Das ist der Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der hat klare Kante gezeigt. Hat es der Union geschadet? Denn Sie wollten ja eher mit Staatshilfen irgendwie versuchen, das Kind zu retten.
Peter Altmeier: Das glaube ich nicht. Wir müssen in der Frage Opel trennen zwischen der kurzfristigen Entscheidung, die hat Herr Brüderle getroffen, und wie sich herausgestellt hat, war diese Entscheidung auch begründbar, denn immerhin ist Opel imstande, jetzt die Restrukturierung ohne Staatsbürgschaften zu stemmen, und auf der anderen Seite auch das, was man langfristige Verlässlichkeit in der Politik bezeichnen kann. Angela Merkel hatte bereits vor den Bundestagswahlen im Dialog mit den Beschäftigten bei Opel klar gemacht, dass es ein gesamtpolitisches, industriepolitisches Interesse gibt, die Opel-Beschäftigten nicht im Stich zu lassen und dazu beizutragen, dass die industriellen Kerne in Deutschland erhalten bleiben.
Deshalb fand ich persönlich es sehr richtig, dass Frau Merkel nach der Wahl ihre Position nicht um 180 Grad verändert hat, sondern weiter dazu gestanden ist, was sie vertreten hat. Im Übrigen ist die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers inzwischen ja allgemein akzeptiert. Und wir haben, glaube ich, jetzt die Voraussetzungen dafür, dass die Restrukturierung von Opel gelingen kann.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn in der Union diese Fragen nach wie vor so weit offen sind, wie ich das Ihrer Antwort gerade entnehme, ist das nicht dann doch die komplette Verabschiedung von dem, was der Leipziger Parteitag mal beschlossen hat, nämlich eine konsequente marktwirtschaftliche Position?
Peter Altmeier: Die Union war immer und ist eine Volkspartei mit unterschiedlichen politischen Auffassungen, aber – und darüber gab es einen ganz breiten Konsens – sie ist die Partei der Marktwirtschaft, und zwar der Sozialen Marktwirtschaft. Es ist falsch, den Begriff der Marktwirtschaft nur auf den Markt zu verengen. Das Anliegen eines sozialverträglichen Ausgleichs der unterschiedlichen Interessen ist ein zentrales Anliegen der Union immer gewesen in den letzten 60 Jahren. Das haben wir im Übrigen auch in unserer Regierungszeit deutlich gemacht, sowohl in der Großen Koalition mit der SPD, wie jetzt auch in der Koalition mit der FDP.
Wir wollen aber nicht die Freiheit der Wildbahn, weil wir glauben, dass es richtig ist, auch in einer Marktwirtschaft für ordnungspolitische Leitplanken zu sorgen. Und genau das ist auch der Grund, warum wir zum Beispiel auf europäischer und internationaler Ebene eintreten für eine Finanzmarkttransaktionssteuer, warum wir eintreten für vernünftige Finanzmarktregulierungen, weil wir freie Märkte wollen, aber nicht wollen, dass diejenigen, die besonders brutal sich als Spekulanten betätigen oder ohne jede ethische Fundamentierung versuchen ihren Vorteil zu realisieren, das darf nicht hingenommen werden vom Staat, sondern hier muss der Staat versuchen klare Vorgaben zu machen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn das so ist, wie Sie das erzählen, dann zeigt es ja auch Kontinuität in der Politik der Union. Gleichzeitig haben Sie aber gesagt mit Amtsbeginn dieser schwarz-gelben Koalition, dass es auch einer "neue Profilierung, eine Neuausrichtung der Union bedarf". Was versteckt sich dahinter, wenn Sie das so klar formuliert haben?
Peter Altmeier: Wir müssen ja unsere grundsätzlichen Vorstellungen immer wieder auch anpassen an veränderte Wirklichkeiten. Das ist in der Vergangenheit geschehen. Das ist auch zu Beginn dieser Wahlperiode geschehen, weil wir am Ende der größten Wirtschaftskrise, die es in Deutschland, Europa und weltweit bislang gegeben hat, mit einem Wirtschaftseinbruch von fünf Prozent, ja die Frage beantworten mussten, wie die Wirtschaftspolitik sich künftig aufstellt. Wir haben immer gesagt, wir müssen irgendwann den Schalter umlegen von der Flankierung in Zeiten des Abschwungs, um den Abschwung abzumildern, hin zu einer Politik der aktiven Haushaltskonsolidierung, um Spielräume zu erhalten und neue Spielräume zu eröffnen.
Und genau in dieser Phase befinden wir uns im Augenblick. Mit dem Haushalt 2011 machen wir eine sehr ambitionierte Kraftanstrengung, die im Übrigen auch nur deshalb zu diesem Zeitpunkt gelingen kann, weil inzwischen feststeht, dass Deutschland besser über die wirtschaftliche Krise gekommen ist als fast alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten und weil sich herausgestellt hat, dass der Aufschwung in Deutschland sehr viel robuster ist als es alle Wirtschaftsforschungsinstitute noch vor einem Jahr prognostiziert hätten.
Deutschlandradio Kultur: Die politische Wirklichkeit sieht aber doch so aus, dass die Wähler die Arbeit der schwarz-gelben Koalition immer weniger schätzen. Da muss man sich ja nur die Umfragen anschauen. Liegt das vielleicht auch daran, dass CDU/CSU und FDP viel schlechter zusammenarbeiten als beispielsweise die Union mit der SPD in der Großen Koalition? Andersrum gefragt: Wünschen Sie sich nicht manchmal die Große Koalition zurück?
Peter Altmeier: Nein, überhaupt nicht. Wir haben in der Großen Koalition vernünftig zusammengearbeitet. Jetzt geht es aber darum, den Aufschwung zu stärken. Es geht darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und dafür haben sich bürgerliche Koalitionen immer als wesentlich geeigneter erwiesen. Und wenn Sie sich anschauen, was an gesetzgeberischen Weichenstellungen in den ersten Monaten gelungen ist, dann ist das mehr als die Große Koalition im vergleichbaren Zeitraum zustande gebracht hat.
Deutschlandradio Kultur: Das behaupten Sie. Da wird es bestimmt Leute geben, die dagegen halten.
Peter Altmeier: Das ist ja nun objektiv nachvollziehbar. Wir haben den großen Schutzschirm zunächst gespannt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und verhindert, dass die Krise zu höheren Lohnnebenkosten geführt hat. Wir haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz das Kindergeld erhöht, Unternehmenssteuer, Erbschaftssteuerreform entscheidend verbessert. Wir haben die Eurokrise im Hinblick auf Griechenland und im Hinblick auf den großen Euro-Schutzschirm in einer vernünftigen Weise parlamentarisch gelöst.
Und wir haben jetzt das größte Sparpaket auf den Weg gebracht und dabei gleichzeitig noch Akzente gesetzt. Gestern hat der Deutsche Bundestag das Bafög erhöht für Hunderttauende von Studentinnen und Studenten in Deutschland. Das zeigt, dass wir auch in der Krise und auch unter sehr engen Voraussetzungen gestalten können.
Ich bin überzeugt, dass diese Koalition in der jetzigen Zeit ein Projekt zu erfüllen hat. Dieses Projekt besteht darin, zu beweisen, dass die Soziale Marktwirtschaft auch unter den Voraussetzungen der Globalisierung überlebens- und leistungsfähig ist und dass wir imstande sind, das Niveau an Wohlstand und das Niveau an sozialer Sicherheit, was wir erreicht haben, auch unter veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen im Wesentlichen zu erhalten und zu garantieren. Das ist sehr ambitioniert, aber ich denke, wir können das schaffen.
Deutschlandradio Kultur: Herr Altmaier, in 12 Tagen wird ein neuer Bundespräsident gewählt. Sachsens FDP-Männer wollen für Joachim Gauck stimmen. Das ist die eine Geschichte. Zum anderen hat sich auch Kurt Biedenkopf zu Wort gemeldet. Der sagt, es wäre doch vielleicht ganz sinnvoll, wenn man die Freigabe der Wahl des Bundespräsidenten ermöglichen würde. Das fordert er von der Kanzlerin. Was ist eigentlich an dieser Forderung falsch?
Peter Altmeier: Sie ist im Grunde genommen nur eine Bestätigung dessen, was die geltende Rechtslage besagt. Diese Wahl ist frei und sie ist geheim. Ich bin trotzdem überzeugt, dass eine ganz, ganz große Mehrheit der Wahlfrauen und Wahlmänner von CDU/CSU und FDP für unseren Kandidaten Christian Wulff stimmen werden, und zwar nicht, weil sie glauben, dass sie keine andere Möglichkeit hätten, sondern weil es eine erhebliche Zustimmung zu diesem Kandidaten gibt, und auch, weil wir glauben, dass Christian Wulff mit seinem Hintergrund, mit seiner Situation als junger Familienvater, der trotzdem bereits mehrere Jahrzehnte politische Erfahrungen hat, dass er ein guter Bundespräsident sein wird.
Deutschlandradio Kultur: Einige Eigenschaften von Christian Wulff haben Sie genannt. Ich möchte trotzdem noch mal nachfragen. Was hat denn Herr Wulff zu bieten, was der Kandidat der SPD und der Grünen Joachim Gauck nicht zu bieten hat?
Peter Altmeier: Zunächst einmal finde ich, dass es für die Demokratie eine gute Sache ist, wenn es nicht nur einen, sondern zwei valable Kandidaten gibt, die beide über hervorragende Voraussetzungen verfügen. Wir haben uns für Christian Wulff entschieden, weil wir glauben, dass es wichtig ist, auch einmal jemanden in das Schloss Bellevue zu entsenden, der nicht am Ende seines politischen Lebens steht, sondern mitten drin, der die Sorgen und Nöte der meisten jungen Familien aus eigener Anschauung kennt, auch das Lebensgefühl junger Menschen aus eigener Anschauung kennt. Wir hatten in der Vergangenheit oftmals Präsidenten, die zum Zeitpunkt ihrer Wahl Mitte 60, Anfang 70 waren. Auch das hat übrigens gut funktioniert, aber wir glauben, dass wir bei dieser Wahl einmal einen neuen Akzent setzen sollten.
Im Übrigen ist es so, dass Christian Wulff als positives Element auch mitbringt seine jahrelange politische Erfahrung. Wir stehen vor ganz entscheidenden politischen Debatten und Entscheidungen. Der Bundespräsident hat eine wichtige ausgleichende Rolle in diesen Debatten. Das fällt Christian Wulff besonders leicht, weil der nämlich durch seine jahrelange Tätigkeit in führenden Positionen nicht nur alle Akteure persönlich kennt, nicht nur die Spielregeln dieses Betriebes kennt, sondern immer wieder auch gezeigt hat, dass er Brücken bauen kann und dass er dazu beitragen kann, Konsens zu erreichen, wo andere möglicherweise die Bemühungen bereits eingestellt hätten.
Deutschlandradio Kultur: Aber dennoch hat Herr Gauck große Sympathien bei der Bevölkerung, wenn man den Umfragen Glauben schenken möchte. Es gibt Abweichler, die auch bei der FDP sind. Wir haben darüber geredet. Deshalb die Frage: Wie viele Abweichler kann sich eigentlich die Koalition aus CDU und FDP leisten, ohne dass sie da einen Schaden nimmt?
Peter Altmeier: Wir haben ja zum Glück die Situation, dass beide Kandidaten große Sympathien in der Bevölkerung haben. Der Abstand zwischen Herrn Gauck und Christian Wulff wird im Übrigen in den letzten Tagen regelmäßig geringer mit jeder neuen Umfrage. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, jetzt darüber zu spekulieren, wie die Wahlergebnisse in geheimer Wahl ausgehen werden. Ich bin mir auch nicht sicher, ob alle Wahlmänner und Wahlfrauen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ihren Kandidaten stimmen werden, weil es eben eine freie Wahl ist.
Deutschlandradio Kultur: Da Sie die FDP ja bei der Wahl von Christian Wulff brauchen und da andererseits beim Gestalten, wie Sie das nennen, in letzter Zeit ja sehr viel Streit und Zwist zu beobachten war, kann man ja davon ausgehen, dass man erst mal bis zur Wahl des Bundespräsidenten die Eintracht pflegt. Dann kommt die Sommerpause. Der Bürger bekommt den Eindruck, da werden Entscheidungen eigentlich immer verschoben. Man sucht sich irgendwelche Anlässe, aber eigentlich entscheidet man nicht, weil man auch gar nicht zusammenkommt. Ist dieser Eindruck ganz falsch?
Peter Altmeier: Ich will nicht bestreiten, dass manch einer diesen Eindruck haben mag. Aber ich glaube, dass er nicht der Situation in der Koalition gerecht wird. Wir haben ja entschieden. Wir haben beispielsweise entschieden, dass es keine Steuerreformen in den Jahren 2011/ 2012 geben kann, weil es dafür keine Spielräume gibt. Wir sitzen an diesem Wochenende zusammen und sprechen über Einsparungen im Gesundheitswesen – auch das eine ganz schwierige Entscheidung, weil es 40 Mio. Versicherte betrifft. Wir haben über das Sparpaket entschieden, auch wenn das nicht jedermann gefällt, was die einzelnen Maßnahmen angeht.
Und uns stehen nun nach der Sommerpause noch zwei fundamentale politische Entscheidungen ins Haus. Das eine ist die Entscheidung über das Energiekonzept der Bundesregierung. Da wird es nicht nur um die Frage der Laufzeiten von Kernkraftwerken gehen, sondern ganz entscheidend um die Frage, wie wir den Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen, wie wir es erreichen können, dass wir in Deutschland ökologisch saubere Energie zu ökonomisch vertretbaren Preisen produzieren können.
Und die zweite große Richtungsentscheidung ist die Entscheidung über die Zukunft der Wehrpflicht. Auch dort werden wir uns die Diskussion nicht einfach machen. Die dritte große Aufgabe, die wir ja bereits angehen an diesem Wochenende mit der Gesundheitsklausur, besteht darin, dass wir das Gesundheitswesen und die Krankenversicherung dauerhaft auf tragfähige Füße stellen wollen. Das ist eine Jahrhundertaufgabe, an der viele Regierungen vor uns gescheitert sind. Und wir haben uns vorgenommen, dies in den nächsten ein, zwei Jahren als CDU/FDP-Regierung zu schaffen. Ich bin auch optimistisch, dass das gelingen wird.
Deutschlandradio Kultur: Aber wie soll das denn gelingen, wenn beispielsweise die FDP auch heute noch mal sagt: "Wir halten an der Gesundheitsprämie fest", wenn die CSU sagt, "nein, so eine Gesundheitsprämie, wie die FDP sich das vorstellt, ist unsozial, das machen wir überhaupt nicht". Das sind zwei unterschiedliche Positionen. Die können Sie doch gar nicht vernetzen. Da muss einer nachgeben.
Peter Altmeier: Nun, am Beginn politischer Debatte ist es oftmals so, dass Positionen unversöhnbar scheinen und dass es trotzdem dann möglich sein muss, im Laufe der Diskussion einen Kompromiss zu finden. Das war im Übrigen zu Zeiten der rot-grünen Koalition genauso. Es war auch in der Großen Koalition so. Wir haben zum Beispiel in der Großen Koalition über das Thema Mindestlöhne jahrelang diskutiert. Am Ende haben wir einen Kompromiss gefunden, der von vielen als wenig überzeugend angesehen wurde, aber inzwischen in der Praxis hervorragend funktioniert und dazu geführt hat, dass im Einvernehmen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in vielen Branchen Mindestlöhne beschlossen worden sind.
Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass uns dies auch in der Koalition mit der FDP gelingen kann. Wir müssen in einigen Bereichen ganz sicher noch besser werden. Das gilt auch für den öffentlichen Umgang miteinander. Aber hier ist meine Erfahrung, dass sich dies seit einer Woche sehr deutlich geändert hat, weil die Streitereien und die Konflikte, die es in dem Bereich gegeben hat, doch allen Beteiligten klargemacht haben, dass wir eine Verantwortung haben gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber denjenigen, die uns gewählt haben.
Und diese Verantwortung verlangt von allen Beteiligten ein gewisses Maß an Disziplin und auch an bürgerlichen Umgangsformen. Deshalb glaube ich, die Koalition hat aus den Debatten der letzten Wochen gelernt und wird sich in der Zeit bis zur Sommerpause und auch hoffentlich danach in einer wesentlich besseren Verfassung präsentieren.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben jetzt schon mehrfach von der CDU-FDP-Regierung gesprochen. Das bestätigt meinen Eindruck, dass in dieser Regierung der eigentliche Störfaktor die CSU ist, die in Bayern sitzt und – das wird ja an der Gesundheitspolitik sehr deutlich – die gehen da mit einer Verweigerungshaltung rein, sagen nein zu allem, was der FDP-Minister vorschlägt, und ziehen sich bei Bedarf dann wieder nach München zurück, weil das, was hier in Berlin möglicherweise scheitert, dann auch an Seehofer abprallen mag.
Peter Altmeier: Die CSU war immer schon eine eigenständige politische Kraft im Rahmen der Union insgesamt, mit eigenen Akzentsetzungen. Hinzu kommt, dass die CSU mit Horst Seehofer über einen Ministerpräsidenten verfügt, der selbst jahrelang Gesundheitsminister war und über eine unbestrittene Expertise in diesem Bereich verfügt. Ich sehe das im Übrigen als Chance für die Koalition, das wir am Ende tatsächlich nach ruhigen und vernünftigen Diskussionen zu einem Gesamtkonzept kommen können, das trägt. Es gab in der Vergangenheit zu viele Gesundheitsreformen, die mit heißer Nadel gestrickt waren, die am Ende dann nach ein oder zwei Jahren nicht mehr tragfähig und belastbar waren.
Deshalb müssen wir – so wie das bei der Rente auch gelungen ist im Übrigen – die Gesundheitspolitik auf eine Grundlage stellen, die einerseits wissenschaftlichen und technischen Fortschritt ermöglicht, andererseits den Menschen den Zugang zu diesen Gesundheitsleistungen ermöglicht. Deutschland war in den letzten 40 Jahren Spitzenreiter weltweit im Hinblick auf das Niveau der Gesundheitsversorgung. Das soll auch so bleiben. Deshalb sage ich: Debatten über den richtigen Weg in der Gesundheitspolitik müssen bisweilen geführt werden, aber die Menschen erwarten zu Recht, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten dann auch zu kohärenten und nachvollziehbaren Ergebnissen kommen.
Deutschlandradio Kultur: Sie hatten vorher auch das Thema Wehr- und Zivildienst angesprochen. Wahrscheinlich werden wir im Zusammenhang mit den Sparmaßnahmen im Herbst die ganze Diskussion noch mal neu führen und möglicherweise auch darüber nachdenken, ob wir überhaupt den Wehrdienst in der Form, wie wir ihn jetzt haben, abschaffen müssen.
Ist das eigentlich eine Diskussion, die nur auf Ministerebene geführt werden kann, oder müsste da eigentlich nicht auch eine Volkspartei, wie die CDU, dieses mal grundsätzlich diskutieren, wohin sie mit der Bundeswehr hin will?
Peter Altmeier: Nun, diese Diskussionen sind ja in der Union seit Jahr und Tag geführt worden. Es gibt in der Union eine sehr große Unterstützung und Mehrheit für den Grundwehrdienst, weil wir aus staatspolitischen Erwägungen glauben, dass er nicht nur im Interesse der Bundeswehr, sondern im staatspolitischen Interesse notwendig und wichtig ist.
Andererseits hat der Bundesverteidigungsminister erklärt, dass wir im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung, im Hinblick auch auf gewachsene Anforderungen an die Bundeswehr vor strukturellen Veränderungen stehen, die dann möglicherweise auch Auswirkungen auf die Frage des Wehrdienstes haben. Wir werden diese Frage diskutieren in der Tat nicht nur auf Ebene der Bundesregierung, sondern auch dort, wo sie als politisch wichtige Fragen hingehören, das heißt, in der Bundestagsfraktion, in der Partei selbst. Es ist auch richtig, sich deshalb nicht unter Zeitdruck setzen zu lassen.
Und ich sage ausdrücklich, die Entscheidung ist durchaus offen. Es gibt in der Union nach wie vor eine ganz breite Sympathie für den Gedanken der Wehrpflicht. Deshalb sehe ich diese Entscheidung als offen an. Es wird wichtig sein, dass man sie so vorbereitet und so führt, dass am Ende dann auch nachvollziehbar ist, warum wir zu welchem Ergebnis gekommen sind. Für uns ist entscheidend, dass wir die Bundeswehr so organisieren, wie es dem deutschen Verfassungsverständnis entspricht. Und deshalb darf auch Verteidigungspolitik nicht nur und nicht in erster Linie unter dem Gesichtspunkt von Haushaltstitel gemacht werden.
Deutschlandradio Kultur: Noch mal zum Thema Brennelementesteuer. Herr Altmeier, wenn ich das richtig sehe, gibt’s da einen Dissens zwischen Regierung und Fraktion. Die Regierung möchte die Brennelementesteuer auf jeden Fall einführen. Herr Kauder hat in einem Interview gesagt, der Fraktionsvorsitzende, das sollte nur geschehen, "wenn sie verbunden ist mit einer Verlängerung der Laufzeiten". Also, er stellt ein Junktim her. Wie lässt sich dieser Dissens auflösen?
Peter Altmeier: Wir werden am Ende diesen Dissens ganz leicht dadurch auflösen, dass wir in enger zeitlicher Verknüpfung über beide Fragen entscheiden. Nach den Planungen ist es so, dass wir über das Sparpaket parlamentarisch etwa im November entscheiden werden. Und wir werden im Herbst auch entscheiden über das neue Energiekonzept der Bundesregierung.
Nach meiner Beobachtung ist es so, dass alle in der Union, auch Umweltpolitiker, der Auffassung sind, dass wir nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ökologischen Gründen nicht um eine Verlängerung der Laufzeiten herumkommen werden. Wir diskutieren über die Frage, wie lang diese Verlängerung ausfallen soll. Und weil dies so ist, dass es hier eine breite Konsenssituation gibt, bin ich überzeugt, dass wir am Ende dann sowohl die Brennelementesteuer wie auch die Laufzeitverlängerung beschließen werden, so dass dann dieser Dissens keinerlei Auswirkungen hat auf die tatsächliche Politik.
Deutschlandradio Kultur: Und das machen Sie auch, wenn sich die Bundesratsmehrheiten – Beispiel Nordrhein-Westfalen, Frau Kraft möchte sich ja zur Ministerpräsidentin wählen lassen -, auch wenn diese Mehrheiten nicht mehr da sind?
Peter Altmeier: Ich finde zunächst, dass Frau Kraft einen ganz schweren Fehler gemacht hat, indem sie innerhalb von wenigen Tagen ihre politischen Ankündigungen um 180 Grad verändert hat. Das ist kein Beitrag zu mehr Vertrauen in die politischen Akteure. Wir werden aber völlig unbeeinflusst von diesen Entwicklungen das tun, was wir in der Sache für richtig halten. Und dann werden wir dafür werben, dass es eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag gibt.
Daran habe ich keinen Zweifel. Und im Übrigen sagen uns viele Verfassungsexperten, dass es möglich ist, die notwendigen Änderungen auch zustimmungsfrei im Bundesrat auszugestalten. Das ist im Übrigen das Interesse jeder Regierung, dass sie die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze möglichst klein halten will.
Und das gilt dann selbstverständlich auch für diese Bundesregierung, so wie es vorher für die rot-grüne Bundesregierung gegolten hat und für viele Regierungen davor. Ich gehe davon aus, dass wir im Übrigen für die Frage des Energiekonzepts eine Mehrheit in den Parlamenten sehr leicht finden werden. Unser Anspruch ist aber darüber hinaus, dass wir auch eine gesellschaftspolitische Mehrheit für ein Konzept wollen, von dem wir überzeugt sind, dass es im Interesse unseres Landes richtig ist.
Deutschlandradio Kultur: Herr Altmeier, wir bedanken und für dieses Gespräch.
Peter Altmeier: Was funktioniert, ist ja, dass wir alle Abstimmungen gewonnen haben, dass wir auch wichtige Projekte verabschiedet haben. Das, wo es in der Vergangenheit gehapert hat, war die Kommunikation nach außen und das geschlossen Auftreten nach außen. Das hat auch dazu geführt, dass es viel Kritik gegeben hat. Daran müssen wir sicherlich arbeiten.
Deutschlandradio Kultur: Es ging doch nicht nur um Kommunikationsprobleme, sondern auch um inhaltliche Differenzen.
Peter Altmeier: Es gab inhaltliche Differenzen zu einigen Punkten. Das ist richtig. Das hängt aber auch zusammen mit der großen Fülle der Herausforderungen, denen sich diese Koalition gegenübersieht. Wir kommen aus der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, haben uns trotzdem zum Ziel gesetzt, den Bundeshaushalt zu konsolidieren und den Weg aus dem Verschuldensstaat zu gehen in eine nachhaltige Haushaltspolitik.
Wir hatten in den letzten Wochen zu kämpfen mit der schwersten Krise des Euro seit Bestehen der gemeinsamen Währung. Und all das führt selbstverständlich dazu, dass Interessenkonflikte aufbrechen und dass man dann zwischen den Koalitionspartnern auch um den richtigen Weg ringt.
Deutschlandradio Kultur: Sprechen wir mal von Ihrer Partei, der CDU. Noch mal ein Zitat aus der Zeit Ihres Amtsantritts an: Sie wollten sich um "die geistige Landschaftspflege" der CDU kümmern. Was haben Sie damit gemeint?
Peter Altmeier: Nun, ich glaube, dass man in der Politik eben auf der einen Seite über eine Vielzahl von Einzelprojekten reden und entscheiden muss. Das tun wir auch. Das läuft in der Koalition im Ergebnis gar nicht so schlecht. Aber darüber hinaus muss man selbstverständlich auch Botschaften kommunizieren.
Es muss klar werden, was die roten Linien dieser Politik sind. Hier haben wir unter Führung von Angela Merkel in der Vergangenheit bereits wichtige Markpunkte gesetzt. Denken Sie zum Beispiel an die Haushaltsberatungen, wo sie erklärt hat, wir werden auf gar keinen Fall bei der Bildung sparen. Sie hat dafür gesorgt, dass bei den Einsparungen ein besonders starker Akzent im Hinblick auf die ökologische Erneuerung gesetzt worden ist.
Das heißt, wir müssen diese politisch-inhaltlichen Fragen, wo es um Weichenstellungen geht für das Land insgesamt, das müssen wir deutlicher machen. Und dafür brauchen wir auch den Kontakt mit wichtigen Interessengruppen, mit wichtigen Teilen der Bevölkerung, mit Multiplikatoren. Ich habe mich in meiner früheren Tätigkeit als Staatssekretär immer darum gekümmert, Politik eben nicht nur zu machen, sondern auch im Dialog zu entwickeln. Und ich glaube, dass das auch ein Modell ist für die Zukunft.
Deutschlandradio Kultur: Bildung, Energie, das ist doch ein bisschen kleinteilig, auch mit Blick auf das Sparpaket. Da vermissen ja sogar Politiker aus Ihrer Fraktion die große Vision, die große Überschrift. Das ist ja immerhin eine gewaltige Anstrengung gewesen.
Peter Altmeier: Ja, das wird sich auch im Laufe der Haushaltsberatungen sicherlich deutlicher herauskristallisieren. Wir haben es mit der gewaltigsten Sparanstrengung zu tun seit 40 Jahren. Wir haben es mit grundlegenden politischen Weichenstellungen zu tun. Wir sparen eben nicht mit dem Rasenmäher in allen Bereichen. Diese Weichenstellungen, die werden im Laufe der nächsten Monate deutlich werden. Und dann, bin ich überzeugt, wird die Zustimmung zu diesem Sparpaket auch wachsen.
Deutschlandradio Kultur: Nun bleiben wir doch mal bei diesen grundlegenden Weichenstellungen und nehmen das Beispiel Opel-Hilfe. Da hat sich einer profiliert in dieser Woche. Das ist der Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Der hat klare Kante gezeigt. Hat es der Union geschadet? Denn Sie wollten ja eher mit Staatshilfen irgendwie versuchen, das Kind zu retten.
Peter Altmeier: Das glaube ich nicht. Wir müssen in der Frage Opel trennen zwischen der kurzfristigen Entscheidung, die hat Herr Brüderle getroffen, und wie sich herausgestellt hat, war diese Entscheidung auch begründbar, denn immerhin ist Opel imstande, jetzt die Restrukturierung ohne Staatsbürgschaften zu stemmen, und auf der anderen Seite auch das, was man langfristige Verlässlichkeit in der Politik bezeichnen kann. Angela Merkel hatte bereits vor den Bundestagswahlen im Dialog mit den Beschäftigten bei Opel klar gemacht, dass es ein gesamtpolitisches, industriepolitisches Interesse gibt, die Opel-Beschäftigten nicht im Stich zu lassen und dazu beizutragen, dass die industriellen Kerne in Deutschland erhalten bleiben.
Deshalb fand ich persönlich es sehr richtig, dass Frau Merkel nach der Wahl ihre Position nicht um 180 Grad verändert hat, sondern weiter dazu gestanden ist, was sie vertreten hat. Im Übrigen ist die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers inzwischen ja allgemein akzeptiert. Und wir haben, glaube ich, jetzt die Voraussetzungen dafür, dass die Restrukturierung von Opel gelingen kann.
Deutschlandradio Kultur: Aber wenn in der Union diese Fragen nach wie vor so weit offen sind, wie ich das Ihrer Antwort gerade entnehme, ist das nicht dann doch die komplette Verabschiedung von dem, was der Leipziger Parteitag mal beschlossen hat, nämlich eine konsequente marktwirtschaftliche Position?
Peter Altmeier: Die Union war immer und ist eine Volkspartei mit unterschiedlichen politischen Auffassungen, aber – und darüber gab es einen ganz breiten Konsens – sie ist die Partei der Marktwirtschaft, und zwar der Sozialen Marktwirtschaft. Es ist falsch, den Begriff der Marktwirtschaft nur auf den Markt zu verengen. Das Anliegen eines sozialverträglichen Ausgleichs der unterschiedlichen Interessen ist ein zentrales Anliegen der Union immer gewesen in den letzten 60 Jahren. Das haben wir im Übrigen auch in unserer Regierungszeit deutlich gemacht, sowohl in der Großen Koalition mit der SPD, wie jetzt auch in der Koalition mit der FDP.
Wir wollen aber nicht die Freiheit der Wildbahn, weil wir glauben, dass es richtig ist, auch in einer Marktwirtschaft für ordnungspolitische Leitplanken zu sorgen. Und genau das ist auch der Grund, warum wir zum Beispiel auf europäischer und internationaler Ebene eintreten für eine Finanzmarkttransaktionssteuer, warum wir eintreten für vernünftige Finanzmarktregulierungen, weil wir freie Märkte wollen, aber nicht wollen, dass diejenigen, die besonders brutal sich als Spekulanten betätigen oder ohne jede ethische Fundamentierung versuchen ihren Vorteil zu realisieren, das darf nicht hingenommen werden vom Staat, sondern hier muss der Staat versuchen klare Vorgaben zu machen.
Deutschlandradio Kultur: Wenn das so ist, wie Sie das erzählen, dann zeigt es ja auch Kontinuität in der Politik der Union. Gleichzeitig haben Sie aber gesagt mit Amtsbeginn dieser schwarz-gelben Koalition, dass es auch einer "neue Profilierung, eine Neuausrichtung der Union bedarf". Was versteckt sich dahinter, wenn Sie das so klar formuliert haben?
Peter Altmeier: Wir müssen ja unsere grundsätzlichen Vorstellungen immer wieder auch anpassen an veränderte Wirklichkeiten. Das ist in der Vergangenheit geschehen. Das ist auch zu Beginn dieser Wahlperiode geschehen, weil wir am Ende der größten Wirtschaftskrise, die es in Deutschland, Europa und weltweit bislang gegeben hat, mit einem Wirtschaftseinbruch von fünf Prozent, ja die Frage beantworten mussten, wie die Wirtschaftspolitik sich künftig aufstellt. Wir haben immer gesagt, wir müssen irgendwann den Schalter umlegen von der Flankierung in Zeiten des Abschwungs, um den Abschwung abzumildern, hin zu einer Politik der aktiven Haushaltskonsolidierung, um Spielräume zu erhalten und neue Spielräume zu eröffnen.
Und genau in dieser Phase befinden wir uns im Augenblick. Mit dem Haushalt 2011 machen wir eine sehr ambitionierte Kraftanstrengung, die im Übrigen auch nur deshalb zu diesem Zeitpunkt gelingen kann, weil inzwischen feststeht, dass Deutschland besser über die wirtschaftliche Krise gekommen ist als fast alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten und weil sich herausgestellt hat, dass der Aufschwung in Deutschland sehr viel robuster ist als es alle Wirtschaftsforschungsinstitute noch vor einem Jahr prognostiziert hätten.
Deutschlandradio Kultur: Die politische Wirklichkeit sieht aber doch so aus, dass die Wähler die Arbeit der schwarz-gelben Koalition immer weniger schätzen. Da muss man sich ja nur die Umfragen anschauen. Liegt das vielleicht auch daran, dass CDU/CSU und FDP viel schlechter zusammenarbeiten als beispielsweise die Union mit der SPD in der Großen Koalition? Andersrum gefragt: Wünschen Sie sich nicht manchmal die Große Koalition zurück?
Peter Altmeier: Nein, überhaupt nicht. Wir haben in der Großen Koalition vernünftig zusammengearbeitet. Jetzt geht es aber darum, den Aufschwung zu stärken. Es geht darum, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und dafür haben sich bürgerliche Koalitionen immer als wesentlich geeigneter erwiesen. Und wenn Sie sich anschauen, was an gesetzgeberischen Weichenstellungen in den ersten Monaten gelungen ist, dann ist das mehr als die Große Koalition im vergleichbaren Zeitraum zustande gebracht hat.
Deutschlandradio Kultur: Das behaupten Sie. Da wird es bestimmt Leute geben, die dagegen halten.
Peter Altmeier: Das ist ja nun objektiv nachvollziehbar. Wir haben den großen Schutzschirm zunächst gespannt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und verhindert, dass die Krise zu höheren Lohnnebenkosten geführt hat. Wir haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz das Kindergeld erhöht, Unternehmenssteuer, Erbschaftssteuerreform entscheidend verbessert. Wir haben die Eurokrise im Hinblick auf Griechenland und im Hinblick auf den großen Euro-Schutzschirm in einer vernünftigen Weise parlamentarisch gelöst.
Und wir haben jetzt das größte Sparpaket auf den Weg gebracht und dabei gleichzeitig noch Akzente gesetzt. Gestern hat der Deutsche Bundestag das Bafög erhöht für Hunderttauende von Studentinnen und Studenten in Deutschland. Das zeigt, dass wir auch in der Krise und auch unter sehr engen Voraussetzungen gestalten können.
Ich bin überzeugt, dass diese Koalition in der jetzigen Zeit ein Projekt zu erfüllen hat. Dieses Projekt besteht darin, zu beweisen, dass die Soziale Marktwirtschaft auch unter den Voraussetzungen der Globalisierung überlebens- und leistungsfähig ist und dass wir imstande sind, das Niveau an Wohlstand und das Niveau an sozialer Sicherheit, was wir erreicht haben, auch unter veränderten weltwirtschaftlichen Bedingungen im Wesentlichen zu erhalten und zu garantieren. Das ist sehr ambitioniert, aber ich denke, wir können das schaffen.
Deutschlandradio Kultur: Herr Altmaier, in 12 Tagen wird ein neuer Bundespräsident gewählt. Sachsens FDP-Männer wollen für Joachim Gauck stimmen. Das ist die eine Geschichte. Zum anderen hat sich auch Kurt Biedenkopf zu Wort gemeldet. Der sagt, es wäre doch vielleicht ganz sinnvoll, wenn man die Freigabe der Wahl des Bundespräsidenten ermöglichen würde. Das fordert er von der Kanzlerin. Was ist eigentlich an dieser Forderung falsch?
Peter Altmeier: Sie ist im Grunde genommen nur eine Bestätigung dessen, was die geltende Rechtslage besagt. Diese Wahl ist frei und sie ist geheim. Ich bin trotzdem überzeugt, dass eine ganz, ganz große Mehrheit der Wahlfrauen und Wahlmänner von CDU/CSU und FDP für unseren Kandidaten Christian Wulff stimmen werden, und zwar nicht, weil sie glauben, dass sie keine andere Möglichkeit hätten, sondern weil es eine erhebliche Zustimmung zu diesem Kandidaten gibt, und auch, weil wir glauben, dass Christian Wulff mit seinem Hintergrund, mit seiner Situation als junger Familienvater, der trotzdem bereits mehrere Jahrzehnte politische Erfahrungen hat, dass er ein guter Bundespräsident sein wird.
Deutschlandradio Kultur: Einige Eigenschaften von Christian Wulff haben Sie genannt. Ich möchte trotzdem noch mal nachfragen. Was hat denn Herr Wulff zu bieten, was der Kandidat der SPD und der Grünen Joachim Gauck nicht zu bieten hat?
Peter Altmeier: Zunächst einmal finde ich, dass es für die Demokratie eine gute Sache ist, wenn es nicht nur einen, sondern zwei valable Kandidaten gibt, die beide über hervorragende Voraussetzungen verfügen. Wir haben uns für Christian Wulff entschieden, weil wir glauben, dass es wichtig ist, auch einmal jemanden in das Schloss Bellevue zu entsenden, der nicht am Ende seines politischen Lebens steht, sondern mitten drin, der die Sorgen und Nöte der meisten jungen Familien aus eigener Anschauung kennt, auch das Lebensgefühl junger Menschen aus eigener Anschauung kennt. Wir hatten in der Vergangenheit oftmals Präsidenten, die zum Zeitpunkt ihrer Wahl Mitte 60, Anfang 70 waren. Auch das hat übrigens gut funktioniert, aber wir glauben, dass wir bei dieser Wahl einmal einen neuen Akzent setzen sollten.
Im Übrigen ist es so, dass Christian Wulff als positives Element auch mitbringt seine jahrelange politische Erfahrung. Wir stehen vor ganz entscheidenden politischen Debatten und Entscheidungen. Der Bundespräsident hat eine wichtige ausgleichende Rolle in diesen Debatten. Das fällt Christian Wulff besonders leicht, weil der nämlich durch seine jahrelange Tätigkeit in führenden Positionen nicht nur alle Akteure persönlich kennt, nicht nur die Spielregeln dieses Betriebes kennt, sondern immer wieder auch gezeigt hat, dass er Brücken bauen kann und dass er dazu beitragen kann, Konsens zu erreichen, wo andere möglicherweise die Bemühungen bereits eingestellt hätten.
Deutschlandradio Kultur: Aber dennoch hat Herr Gauck große Sympathien bei der Bevölkerung, wenn man den Umfragen Glauben schenken möchte. Es gibt Abweichler, die auch bei der FDP sind. Wir haben darüber geredet. Deshalb die Frage: Wie viele Abweichler kann sich eigentlich die Koalition aus CDU und FDP leisten, ohne dass sie da einen Schaden nimmt?
Peter Altmeier: Wir haben ja zum Glück die Situation, dass beide Kandidaten große Sympathien in der Bevölkerung haben. Der Abstand zwischen Herrn Gauck und Christian Wulff wird im Übrigen in den letzten Tagen regelmäßig geringer mit jeder neuen Umfrage. Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, jetzt darüber zu spekulieren, wie die Wahlergebnisse in geheimer Wahl ausgehen werden. Ich bin mir auch nicht sicher, ob alle Wahlmänner und Wahlfrauen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ihren Kandidaten stimmen werden, weil es eben eine freie Wahl ist.
Deutschlandradio Kultur: Da Sie die FDP ja bei der Wahl von Christian Wulff brauchen und da andererseits beim Gestalten, wie Sie das nennen, in letzter Zeit ja sehr viel Streit und Zwist zu beobachten war, kann man ja davon ausgehen, dass man erst mal bis zur Wahl des Bundespräsidenten die Eintracht pflegt. Dann kommt die Sommerpause. Der Bürger bekommt den Eindruck, da werden Entscheidungen eigentlich immer verschoben. Man sucht sich irgendwelche Anlässe, aber eigentlich entscheidet man nicht, weil man auch gar nicht zusammenkommt. Ist dieser Eindruck ganz falsch?
Peter Altmeier: Ich will nicht bestreiten, dass manch einer diesen Eindruck haben mag. Aber ich glaube, dass er nicht der Situation in der Koalition gerecht wird. Wir haben ja entschieden. Wir haben beispielsweise entschieden, dass es keine Steuerreformen in den Jahren 2011/ 2012 geben kann, weil es dafür keine Spielräume gibt. Wir sitzen an diesem Wochenende zusammen und sprechen über Einsparungen im Gesundheitswesen – auch das eine ganz schwierige Entscheidung, weil es 40 Mio. Versicherte betrifft. Wir haben über das Sparpaket entschieden, auch wenn das nicht jedermann gefällt, was die einzelnen Maßnahmen angeht.
Und uns stehen nun nach der Sommerpause noch zwei fundamentale politische Entscheidungen ins Haus. Das eine ist die Entscheidung über das Energiekonzept der Bundesregierung. Da wird es nicht nur um die Frage der Laufzeiten von Kernkraftwerken gehen, sondern ganz entscheidend um die Frage, wie wir den Übergang in das Zeitalter der erneuerbaren Energien erreichen, wie wir es erreichen können, dass wir in Deutschland ökologisch saubere Energie zu ökonomisch vertretbaren Preisen produzieren können.
Und die zweite große Richtungsentscheidung ist die Entscheidung über die Zukunft der Wehrpflicht. Auch dort werden wir uns die Diskussion nicht einfach machen. Die dritte große Aufgabe, die wir ja bereits angehen an diesem Wochenende mit der Gesundheitsklausur, besteht darin, dass wir das Gesundheitswesen und die Krankenversicherung dauerhaft auf tragfähige Füße stellen wollen. Das ist eine Jahrhundertaufgabe, an der viele Regierungen vor uns gescheitert sind. Und wir haben uns vorgenommen, dies in den nächsten ein, zwei Jahren als CDU/FDP-Regierung zu schaffen. Ich bin auch optimistisch, dass das gelingen wird.
Deutschlandradio Kultur: Aber wie soll das denn gelingen, wenn beispielsweise die FDP auch heute noch mal sagt: "Wir halten an der Gesundheitsprämie fest", wenn die CSU sagt, "nein, so eine Gesundheitsprämie, wie die FDP sich das vorstellt, ist unsozial, das machen wir überhaupt nicht". Das sind zwei unterschiedliche Positionen. Die können Sie doch gar nicht vernetzen. Da muss einer nachgeben.
Peter Altmeier: Nun, am Beginn politischer Debatte ist es oftmals so, dass Positionen unversöhnbar scheinen und dass es trotzdem dann möglich sein muss, im Laufe der Diskussion einen Kompromiss zu finden. Das war im Übrigen zu Zeiten der rot-grünen Koalition genauso. Es war auch in der Großen Koalition so. Wir haben zum Beispiel in der Großen Koalition über das Thema Mindestlöhne jahrelang diskutiert. Am Ende haben wir einen Kompromiss gefunden, der von vielen als wenig überzeugend angesehen wurde, aber inzwischen in der Praxis hervorragend funktioniert und dazu geführt hat, dass im Einvernehmen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in vielen Branchen Mindestlöhne beschlossen worden sind.
Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass uns dies auch in der Koalition mit der FDP gelingen kann. Wir müssen in einigen Bereichen ganz sicher noch besser werden. Das gilt auch für den öffentlichen Umgang miteinander. Aber hier ist meine Erfahrung, dass sich dies seit einer Woche sehr deutlich geändert hat, weil die Streitereien und die Konflikte, die es in dem Bereich gegeben hat, doch allen Beteiligten klargemacht haben, dass wir eine Verantwortung haben gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber denjenigen, die uns gewählt haben.
Und diese Verantwortung verlangt von allen Beteiligten ein gewisses Maß an Disziplin und auch an bürgerlichen Umgangsformen. Deshalb glaube ich, die Koalition hat aus den Debatten der letzten Wochen gelernt und wird sich in der Zeit bis zur Sommerpause und auch hoffentlich danach in einer wesentlich besseren Verfassung präsentieren.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben jetzt schon mehrfach von der CDU-FDP-Regierung gesprochen. Das bestätigt meinen Eindruck, dass in dieser Regierung der eigentliche Störfaktor die CSU ist, die in Bayern sitzt und – das wird ja an der Gesundheitspolitik sehr deutlich – die gehen da mit einer Verweigerungshaltung rein, sagen nein zu allem, was der FDP-Minister vorschlägt, und ziehen sich bei Bedarf dann wieder nach München zurück, weil das, was hier in Berlin möglicherweise scheitert, dann auch an Seehofer abprallen mag.
Peter Altmeier: Die CSU war immer schon eine eigenständige politische Kraft im Rahmen der Union insgesamt, mit eigenen Akzentsetzungen. Hinzu kommt, dass die CSU mit Horst Seehofer über einen Ministerpräsidenten verfügt, der selbst jahrelang Gesundheitsminister war und über eine unbestrittene Expertise in diesem Bereich verfügt. Ich sehe das im Übrigen als Chance für die Koalition, das wir am Ende tatsächlich nach ruhigen und vernünftigen Diskussionen zu einem Gesamtkonzept kommen können, das trägt. Es gab in der Vergangenheit zu viele Gesundheitsreformen, die mit heißer Nadel gestrickt waren, die am Ende dann nach ein oder zwei Jahren nicht mehr tragfähig und belastbar waren.
Deshalb müssen wir – so wie das bei der Rente auch gelungen ist im Übrigen – die Gesundheitspolitik auf eine Grundlage stellen, die einerseits wissenschaftlichen und technischen Fortschritt ermöglicht, andererseits den Menschen den Zugang zu diesen Gesundheitsleistungen ermöglicht. Deutschland war in den letzten 40 Jahren Spitzenreiter weltweit im Hinblick auf das Niveau der Gesundheitsversorgung. Das soll auch so bleiben. Deshalb sage ich: Debatten über den richtigen Weg in der Gesundheitspolitik müssen bisweilen geführt werden, aber die Menschen erwarten zu Recht, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten dann auch zu kohärenten und nachvollziehbaren Ergebnissen kommen.
Deutschlandradio Kultur: Sie hatten vorher auch das Thema Wehr- und Zivildienst angesprochen. Wahrscheinlich werden wir im Zusammenhang mit den Sparmaßnahmen im Herbst die ganze Diskussion noch mal neu führen und möglicherweise auch darüber nachdenken, ob wir überhaupt den Wehrdienst in der Form, wie wir ihn jetzt haben, abschaffen müssen.
Ist das eigentlich eine Diskussion, die nur auf Ministerebene geführt werden kann, oder müsste da eigentlich nicht auch eine Volkspartei, wie die CDU, dieses mal grundsätzlich diskutieren, wohin sie mit der Bundeswehr hin will?
Peter Altmeier: Nun, diese Diskussionen sind ja in der Union seit Jahr und Tag geführt worden. Es gibt in der Union eine sehr große Unterstützung und Mehrheit für den Grundwehrdienst, weil wir aus staatspolitischen Erwägungen glauben, dass er nicht nur im Interesse der Bundeswehr, sondern im staatspolitischen Interesse notwendig und wichtig ist.
Andererseits hat der Bundesverteidigungsminister erklärt, dass wir im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung, im Hinblick auch auf gewachsene Anforderungen an die Bundeswehr vor strukturellen Veränderungen stehen, die dann möglicherweise auch Auswirkungen auf die Frage des Wehrdienstes haben. Wir werden diese Frage diskutieren in der Tat nicht nur auf Ebene der Bundesregierung, sondern auch dort, wo sie als politisch wichtige Fragen hingehören, das heißt, in der Bundestagsfraktion, in der Partei selbst. Es ist auch richtig, sich deshalb nicht unter Zeitdruck setzen zu lassen.
Und ich sage ausdrücklich, die Entscheidung ist durchaus offen. Es gibt in der Union nach wie vor eine ganz breite Sympathie für den Gedanken der Wehrpflicht. Deshalb sehe ich diese Entscheidung als offen an. Es wird wichtig sein, dass man sie so vorbereitet und so führt, dass am Ende dann auch nachvollziehbar ist, warum wir zu welchem Ergebnis gekommen sind. Für uns ist entscheidend, dass wir die Bundeswehr so organisieren, wie es dem deutschen Verfassungsverständnis entspricht. Und deshalb darf auch Verteidigungspolitik nicht nur und nicht in erster Linie unter dem Gesichtspunkt von Haushaltstitel gemacht werden.
Deutschlandradio Kultur: Noch mal zum Thema Brennelementesteuer. Herr Altmeier, wenn ich das richtig sehe, gibt’s da einen Dissens zwischen Regierung und Fraktion. Die Regierung möchte die Brennelementesteuer auf jeden Fall einführen. Herr Kauder hat in einem Interview gesagt, der Fraktionsvorsitzende, das sollte nur geschehen, "wenn sie verbunden ist mit einer Verlängerung der Laufzeiten". Also, er stellt ein Junktim her. Wie lässt sich dieser Dissens auflösen?
Peter Altmeier: Wir werden am Ende diesen Dissens ganz leicht dadurch auflösen, dass wir in enger zeitlicher Verknüpfung über beide Fragen entscheiden. Nach den Planungen ist es so, dass wir über das Sparpaket parlamentarisch etwa im November entscheiden werden. Und wir werden im Herbst auch entscheiden über das neue Energiekonzept der Bundesregierung.
Nach meiner Beobachtung ist es so, dass alle in der Union, auch Umweltpolitiker, der Auffassung sind, dass wir nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ökologischen Gründen nicht um eine Verlängerung der Laufzeiten herumkommen werden. Wir diskutieren über die Frage, wie lang diese Verlängerung ausfallen soll. Und weil dies so ist, dass es hier eine breite Konsenssituation gibt, bin ich überzeugt, dass wir am Ende dann sowohl die Brennelementesteuer wie auch die Laufzeitverlängerung beschließen werden, so dass dann dieser Dissens keinerlei Auswirkungen hat auf die tatsächliche Politik.
Deutschlandradio Kultur: Und das machen Sie auch, wenn sich die Bundesratsmehrheiten – Beispiel Nordrhein-Westfalen, Frau Kraft möchte sich ja zur Ministerpräsidentin wählen lassen -, auch wenn diese Mehrheiten nicht mehr da sind?
Peter Altmeier: Ich finde zunächst, dass Frau Kraft einen ganz schweren Fehler gemacht hat, indem sie innerhalb von wenigen Tagen ihre politischen Ankündigungen um 180 Grad verändert hat. Das ist kein Beitrag zu mehr Vertrauen in die politischen Akteure. Wir werden aber völlig unbeeinflusst von diesen Entwicklungen das tun, was wir in der Sache für richtig halten. Und dann werden wir dafür werben, dass es eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag gibt.
Daran habe ich keinen Zweifel. Und im Übrigen sagen uns viele Verfassungsexperten, dass es möglich ist, die notwendigen Änderungen auch zustimmungsfrei im Bundesrat auszugestalten. Das ist im Übrigen das Interesse jeder Regierung, dass sie die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze möglichst klein halten will.
Und das gilt dann selbstverständlich auch für diese Bundesregierung, so wie es vorher für die rot-grüne Bundesregierung gegolten hat und für viele Regierungen davor. Ich gehe davon aus, dass wir im Übrigen für die Frage des Energiekonzepts eine Mehrheit in den Parlamenten sehr leicht finden werden. Unser Anspruch ist aber darüber hinaus, dass wir auch eine gesellschaftspolitische Mehrheit für ein Konzept wollen, von dem wir überzeugt sind, dass es im Interesse unseres Landes richtig ist.
Deutschlandradio Kultur: Herr Altmeier, wir bedanken und für dieses Gespräch.