Die Zwickmühle

Von Michael Groth |
Was sollten sie auch anderes sagen. Wenn führende Regierungsmitglieder die deutsche Afghanistanpolitik verteidigen, hört sich das ungefähr so an: Wir wollen den Aufbau am Hindukusch unterstützen, wir verstärken die Entwicklungshilfe, aber wir müssen dies alles militärisch sichern.
Deshalb die Bundeswehr dort, mit dreieinhalbtausend Soldatinnen und Soldaten, in der Schutztruppe ISAF und mit sechs Tornadojets im Aufklärungseinsatz. Demnächst mit einem Mandat – unter dem Dach der Nato.

Kurz gefasst: ohne Sicherheit kein Aufbau, ohne Aufbau aber auch langfristig nicht Sicherheit und Frieden für die geschundene Region.
Soweit wird jeder vernunftbegabte Abgeordnete der Regierung folgen. Für das in zwei Wochen zu verabschiedende gemeinsame ISAF/Tornado-Mandat ist die Parlamentsmehrheit sicher. Dabei macht es nicht nur inhaltlich Sinn, die ursprünglich getrennten Missionen zusammenzulegen. Es dient auch der Pflege des Koalitionsfriedens. Im Frühjahr, bei der ersten Tornado-Abstimmung im Parlament, gab es 69 sozialdemokratische Neinstimmen. Den Damen und Herren dürfte die Ablehnung diesmal schwer fallen: gegen ISAF und damit vor allem gegen den stellvertretenden Parteivorsitzenden in spe Steinmeier werden wohl nur wenige rebellieren.

Während auch die FDP der Regierung folgt, wird es bei den Grünen interessant. Ein Sonderparteitag hat sich zwar für die Beteiligung an ISAF, aber eben gegen den Tornado-Einsatz ausgesprochen. Und daran die Forderung gekoppelt, das gemeinsame Mandat abzulehnen. Die Fraktion war im Frühjahr anderer Ansicht, als etwa die Hälfte der Grünenabgeordneten dem Mandat zustimmte. Wie es jetzt wird, war der Rede des Fraktionsvorsitzenden Kuhn nicht zu entnehmen. Stattdessen wird weiter geeiert. Weitgehende Enthaltungen sind die wahrscheinlichste Variante.

Mit dem Hinweis auf eine jetzt nicht anstehende, aber weitaus umstrittenere Mandatsverlängerung, lenkte Kuhn von der eigenen Ratlosigkeit ab. Dabei geht es um die „Operation Enduring Freedom“, kurz OEF. Das ist der von den USA in Afghanistan – aber nicht nur dort – geführte Antiterroreinsatz. 100 Soldaten des geheimen Kommandos Spezialkräfte sah die Bündnisentscheidung der Schröder-Regierung nach dem 1. September 2001 für OEF/Afghanistan vor – 100 Soldaten, die seit Jahren nicht mehr angefordert wurden.

OEF ist aber inzwischen zum Kürzel dessen geworden, was nicht stimmt am internationalen Afghanistaneinsatz. Robustes Vorgehen der Amerikaner, zivile Opfer, wenig Abstimmung mit den Partnern: die Klageliste ist lang, und sie reicht den Grünen und der FDP bis zu – nicht wenigen – in der SPD und – einigen – in der Union.

Zwar dürfte auch OEF im November letztlich eine abermalige Parlamentsmehrheit finden: auf die inner- und überparteilichen Debatten bis dahin darf man gespannt sein.

Ein letztes Wort zur Linksfraktion, die jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr ablehnt. Wer es gut meint, der mag ihr Authentizität bescheinigen. Ich mag dem nicht folgen: soviel unausgegorenen, populistischen Unsinn, wie ihn Gregor Gysi heute vortrug, hat man im Bundestag selten erlebt.