"Die Zukunft klingt anders"

Von Elke Pressler · 26.07.2012
Um bei der Hausmusik nicht außen vor zu bleiben, lernt Leopold Hurt schon früh das Zither-Spiel - nichts Außergewöhnliches in Regensburg. Doch schon bald stört ihn das Almhütten-Image seines Instruments. Inzwischen hat Hurt der Zither zu einem völlig neuen Klang verholfen, mit Hilfe diverser Effektgeräte.
"Da ist ein ganzer Saal, der einem an den Fingern klebt und genau guckt: was passiert jetzt da mit diesem - ja für Hamburg jetzt eigentlich - fremdartigen Instrumentarium.

Mir macht es Spaß!"

Als im Mai in der ehrwürdigen Hamburger Musikhalle die Uraufführung seiner Auftrags-Komposition mit dem kryptischen Titel: "Seuring I Schalter" für E-Zither, Elektronik und großes Orchester über die Bühne geht, da zittern dem jungen, bayerischen Zither-Spieler Leopold Hurt die Finger kein bisschen.

Total locker verlegt der 33-Jährige ganz vorn an der Bühnenrampe - vor vollbesetztem Saal und erwartungsgespannten Gesichtern - die Kabel für sein Instrument, stöpselt minutenlang Gerätschaften an, kontrolliert ausdauernd Funktionen.

"Ja, das war von Anfang an für mich so’n Bild, als ich begonnen habe, das Stück zu komponieren, dass ich quasi so einen großen Schaltapparat baue."

Die stolzen und zuweilen auch sturen Hamburger Philharmoniker, das klassische Sinfonie-Orchester - als Teil einer elektronischen Versuchsanordnung? Leopold Hurt plagen keine Respekts-Probleme. Er will sein vermeintlich biederes Instrument Zither vorführen. Dafür wagt er sich selbstbewusst vor...

"Das sind ja sehr exzentrische Stücke."

... und unterläuft jede Erwartung.

Ein sogenanntes Spielbuch des oberbayerischen Musikanten Friedrich Seuring aus dem 19. Jahrhundert hat er sich vorgenommen - und es frech mit mikrotonalen und elektronischen Mitteln kommentiert. Für Hamburger Abonnentenohren: gewöhnungsbedürftig!

"Natürlich ist das ältere Publikum dann etwas schockiert.

Die sind für Klarinetten ursprünglich geschrieben, diese Ländler, dadurch gibt es extrem große Tonsprünge und ziemlich verzackte Rhythmen, die man normalerweise von braveren Ländlern nicht so kennt.
Und dieses schnelle Hin- und Her-Switchen zwischen den Rhythmen und den extremen Tonhöhen-Abständen entspricht dann auch wieder dem Bild des Schalters: und das bestimmt dann auch die Form des Stücks, wo bestimmte Episoden stark aneinander gecuttet werden, wie in einem harten Filmschnitt."

Dass der Bayer in Hamburg am Ende ein paar heftige Buhrufe einstecken muss, ficht ihn nicht an. Leopold Hurt ist ein bubenhafter, verbindlicher Typ, doch ein sorgfältig getrimmter Kinnbart verleiht ihm einen markanten, ja kantigen Zug. Viele Preise und Ehrungen hat das Talent schon eingeheimst.

"Dass die Sinfonie oder das Orchesterstück das Größte ist, was man überhaupt schreiben kann neben der großen Oper, diese Zeiten sind natürlich schon längst vorbei."

Und Komponisten-Größen der Musikgeschichte wie Anton Bruckner als Konkurrenten im Konzertsaal beeindrucken ihn überhaupt nicht.

"Ich hab da nix dagegen: erstens, dass man es gegenüberstellt, zweitens, dass man überhaupt solche Sachen kombiniert; also die Angst, dass ich mich da an Anton Bruckner messen lassen muss, die existiert bei mir gar nicht. Also in gewisser Weise ist mir diese Vermittlungsarbeit, die ich da auf der Bühne leisten muss, schon vertraut."

Diskant-Zither: Zither in der normalen Stimmung
Alt-Zither: eine Quarte tiefer gestimmt als die normale Diskant-Zither
Bass-Zither: eine Oktave tiefer gestimmt als die normale Diskant-Zither
E-Zither: ein elektrifiziertes Sonderinstrument mit gänzlich anderer Klangerzeugung

"Mit bestimmten Effektgeräten, mit Computer oder mit diesen Bodenpedalen, die ich auch benutze, Verzerrer, Distortion, Ringmodulator."

Geboren wird Leopold Hurt 1979 im ostbayerischen Regensburg und sitzt schon mit sieben Jahren an diesem Kasten, einem kleinen Klangkörper mit immerhin fünfeinhalb Oktaven Tonumfang und der Aufteilung in fünf Griffbrettsaiten und 34 frei schwingende Basssaiten.

"Mit der Zither war es so, dass mein Vater Zither gespielt hat zum Hausgebrauch als Hobby. Jedes Geschwister hat ein Instrument gelernt, da wurde mir vorgeschlagen, ob ich nicht Zither lernen wollte."

Zum Glück gerät er an einen anspruchsvollen Lehrer, der ihn an die klassische und zeitgenössische Musik heranführt, denn:

"Es gibt ja kaum ein Instrument heutzutage, was so stark von Klischees beeinträchtigt ist. Also, wenn die Leute hier Zither hören, speziell hier in Hamburg, wo’s ja kaum Zitherspieler gibt, wo ich ein bisschen ein einsames Dasein führe, dann ist es ganz klar ein Instrument, was auf der Almhütte gespielt wird.

Als Kind hat mich das immer sehr genervt; ich wollte dann immer klassische Musik darbieten und wurde dann immer reduziert auf entweder Volksmusik oder auf den Dritten Mann. Ich wollte von Anfang an keine Klischees bedienen. Das ist auch bis heute so geblieben, wie man hört."

Leopold Hurt, der Zither-Künstler-Kämpfer im Norden, wirkt stolz, wenn er so von seinem immer noch leise belächelten Instrument erzählt. Und sein hartnäckiger Einsatz trägt Früchte. Neben etlichen Ensemble-Neugründungen und Aufträgen wird sein kompositorisches Werk ab 2014 in der Reihe Edition Zeitgenössische Musik beim renommierten Label WERGO erscheinen.

"Da darf man sich nicht beschweren."