Die Zukunft ist veränderbar
"Ich glaube daran, dass wir durch Einsicht oder durch Wissen eingreifen können in die Prozesse in einer sinnvollen Weise", sagt der Science-Fiction Autor Herbert W. Franke. Man müsse immer berücksichtigen, "dass es eben nicht nur eine Zukunft gibt, sondern viele Zukünfte". Deshalb sei die Erderwärmung nicht nur negativ zu bewerten.
Liane von Billerbeck: FUTURITY NOW! So lautet in diesem Jahr das Motto der transmediale, dem Festival für Kunst und digitale Kultur, das noch bis zum Sonntag in Berlin stattfindet. Viele Zukunftsszenarien, die waren in der Vergangenheit auf das Jahr 2010 ausgerichtet, und das haben wir nun, also wird auf der transmediale auch danach gefragt, ob sich die Zukunftsvisionen erschöpft haben.
Anlass für uns, den Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke nach seinen Vorstellungen von der Zukunft zu fragen und wie sich diese Vorstellungen im Laufe der Zeit verändert haben. Der Österreicher, Jahrgang 1927, gilt nicht nur als der bedeutendste deutschsprachige Science-Fiction-Autor, sondern auch als Pionier der Computerkunst. Der studierte Physiker, Mathematiker, Chemiker, Psychologe und Philosoph – ich hoffe, ich habe jetzt nichts vergessen – ist zudem Höhlenforscher und hat zahlreiche Fachbücher verfasst, und er schreibt seit Langem Science-Fiction-Romane. Dietmar Dath feierte 2007 dessen Buch "Flucht zum Mars" in der "FAZ" und nannte Franke einen "Klassiker auf seinem Feld". Und dieser Klassiker der Science-Fiction ist jetzt bei uns zu Gast: Herzlich willkommen, Herbert W. Franke!
Herbert W. Franke: Danke schön!
von Billerbeck: Als Sie anfingen, Science-Fiction zu schreiben – ich glaube, seit 1957 sind Sie freier Schriftsteller –, welche Vorstellungen von der Zukunft hatten Sie?
Franke: Also diese Sache liegt ganz am Anfang meiner Tätigkeit. Ich hatte Verbindungen mit einer Kulturzeitschrift in Österreich, nach dem Krieg, und habe Gedichte angeboten, wie man als junger Mensch eben welche zur Verfügung hat. Und der Redakteur sagte zu mir: Also ich kann davon nichts nehmen, ich kriege Waschkörbe voll Gedichte, und die sind alle gleich gut, und also jedenfalls sind Ihre ja auch nicht viel besser als die anderen. Aber Sie haben mir erzählt, dass Sie Naturwissenschaftler sind, es wäre doch sehr interessant, wenn Sie aus dem Gebiet der Naturwissenschaft etwas schreiben, was die Zukunft betrifft, also wie wirkt sich eine Neuentdeckung aus und wie kann man das in der Technik anwenden. Wollen Sie das für mich tun? Und ich habe natürlich gern zugesagt. Und ich habe dann über mehrere Jahre hinweg immer wieder Artikel in diese Zeitschrift gebracht. Die heißt "Neue Wege" und ist in Österreich sehr angesehen als ein historisches Gebilde.
von Billerbeck: Welche Visionen hatten Sie denn nun von der Zukunft, über die Sie damals geschrieben haben?
Franke: Na ja, ich erinnere mich beispielsweise, dass ich damals schon einen Artikel über die Zukunft der Kunst geschrieben habe und dabei überlegt habe, ob es nicht beispielsweise, so wie man heute mit einem Instrument Musik macht, in der Zukunft Instrumente geben könnte, denen man Farben in Verbindung setzt, verteilt in einer Zuordnung präsentiert. Und das ist ja heute durch den Computer auch durchaus möglich geworden. Und solche Überlegungen habe ich also dann verbunden mit dem technischen Wissen, das ich hatte.
von Billerbeck: Aber nun ist ja Literatur, auch Science-Fiction-Literatur, etwas, das mit Fiktion zu tun hat, also mit etwas, was nicht unbedingt plausibel sein muss. In der Welt der Fantasie ist ja viel mehr möglich als möglicherweise in der Welt der Wissenschaft.
Franke: Ich gebe Ihnen völlig recht, im Bereich der Fantasie ist natürlich viel mehr möglich, als wenn man sich da nur beschränkt auf das Plausible oder naturwissenschaftlich Erklärbare. Aber dann sind wir eben nicht mehr bei der echten Science-Fiction, das ist meine Meinung …
von Billerbeck: Also Science-Fiction bei Ihnen muss stimmen sozusagen?
Franke: Wie man halt den Ausdruck deutet. Aber immerhin, wir haben ja gerade in diesem Begriffe Science drin, das heißt, hier ist eine Verpflichtung auch mit, die man übernehmen muss, wenn man utopische Geschichten schreibt. Ich schätze phantastische Literatur sehr, und in früheren Zeiten habe ich also vielen von diesen Autoren – aus dem tschechischen Bereich beispielsweise, Perutz oder Kafka und so weiter – gelesen mit großer Begeisterung. Aber man sollte doch ehrlich sein: Es sind Produkte der Fantasie, die nicht an ein Regelmaß von Naturgesetzen gebunden sind. Und manches von denen ist ja auch sehr anregend und fruchtbar und vielleicht ergibt sich eine Brücke dann zu irgendetwas Machbarem.
von Billerbeck: Aber das ist keine Science-Fiction?
Franke: Das ist für mich nicht Science-Fiction. Und es ist für mich auch nicht Science-Fiction, wenn man antiquierte Vorstellungen über gesellschaftliche Kommunikation oder Verhaltensweisen und so weiter kombiniert mit einer modernsten Technik. Also die Ritter in Rüstungen, die mit Laserschwerten aufeinander eindreschen, die sind lächerlich. Und so sollte man sich die Zukunft nicht vorstellen.
von Billerbeck: Wir blicken zurück in die Zukunft, wie man sie sich früher vorstellte und darüber schrieb, gemeinsam mit dem Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke. Wie ist denn die Zukunft bei Ihnen – eher ein Traum oder ein Albtraum?
Franke: Ich glaube, dass unsere Welt nicht deterministisch ist. Also wir glauben nicht an ein Kismet, das nicht mehr änderbar ist, sondern ich glaube daran, dass wir durch Einsicht oder durch Wissen eingreifen können in die Prozesse in einer sinnvollen Weise. Ich sage, dass wir das können, ob wir das heute tun, sei dahingestellt, aber die prinzipielle Möglichkeit besteht.
Und wenn man das berücksichtigt, dann muss man doch auch in Rechnung stellen, dass es eben nicht nur eine Zukunft gibt, sondern viele Zukünfte. Es kann, um also zwei Extreme zu nennen, so sein, dass wir in relativer Kürze uns selbst umbringen – durch Atomexplosionen, Verseuchung. Es kann auch das Gegenteil eintreten, es können die Menschen – würde ja zu wünschen sein – plötzlich zur Vernunft und zum Frieden tendieren und sich einigen darauf, die Kräfte voll einzusetzen, um im sozialen Leben bessere Zustände zu schaffen. Auch das ist nicht unmöglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich.
von Billerbeck: Das heißt, Sie sind eher pessimistisch für die Zukunft?
Franke: Na, ich will hier überhaupt nicht eine von diesen Deutungsmöglichkeiten bevorzugen. Es ist alles möglich, und wir müssen alles dazu tun, dass wir es zum Besseren wenden. Es gibt viele Möglichkeiten. Schauen Sie, es ist ja an sich auch so, ich habe den Eindruck, dass man bei der Klimadiskussion sich auf eine einzige Entwicklung konzentriert.
von Billerbeck: Den Untergang.
Franke: Ja, das habe ich jetzt eigentlich gar nicht so schlimm gleich kommen lassen wollen, sondern ich meine, dass das Klima sich ständig erwärmen wird und Wasser, Überschwemmungen zu erwarten sind und so weiter, sondern wir müssen doch zugeben, dass wir diese Wetterprozesse noch nicht völlig verstehen. Das heißt also, es kann auch anders kommen. Und es können Szenarien entworfen werden für andere Entwicklungen. Und wir sehen von anderen Entwicklungen völlig ab und stecken alle Möglichkeiten und unser Wissen und auch sehr viel Geld in eine einzige Entwicklung, die zwar gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, aber es kann auch völlig anders kommen. Man denkt immer an die negativen Möglichkeiten, eine allgemeine Erwärmung der Erde hätte auch sehr viele positive Möglichkeiten. Und von denen spricht man nicht, man will sich unbedingt auf die Gefahr festlegen.
von Billerbeck: Sie sind ja nicht nur ein bekannter Science-Fiction-Autor, sondern gelten auch als Pionier der Computerkunst. Wenn Sie da sich das ansehen, was Sie als Künstler, als Computerkünstler gemacht haben, ist das etwas, was Sie mehr mit Optimismus erfüllt als vielleicht der Blick auf den Zustand der Erde?
Franke: Na ja, die Beschäftigung mit Kunst, gerade wenn man das in kreativer Weise macht und nicht nur als Adressat von Kunstwerken, als Leser oder Zuschauer, ist etwas sehr Befriedigendes. Gerade wenn man also auch etwas schaffen kann, zu dem man dann stehen kann, also mit dem man selbst zufrieden ist, das sind sehr positive Phasen. Wenn ich mich mit Kunst beschäftige, dann frage ich mich doch: Ist es jetzt sinnvoll, nur für mich? Da würde ich sofort Ja sagen. Aber ist es auch für andere sinnvoll?
von Billerbeck: Das heißt, der Naturwissenschaftler fragt den Künstler Franke, ist das sinnvoll, was du tust?
Franke: Ja, genauso ist es. Und da bin ich zu Antworten gekommen – das würde vielleicht zu weit führen, wenn ich das jetzt ausführen würde –, dass man doch als ein Künstler, der Innovation schafft, ästhetische Innovation schafft, auf die Gesellschaft und damit auf die Adressaten in einem positiven Sinn wirkt. Und Menschen, die vielleicht selbst nicht so fantasiebegabt sind, profitieren sehr von solchem Gedankengut. Und das ist ein Grund dafür, dass ich also doch davon überzeugt bin, dass der Künstler eine angemessene Rolle und eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Und das gilt nicht nur für die Computerkunst.
von Billerbeck: Wenn wir noch mal auf die Zukunftsvisionen, auf die Geschichte der Zukunftsvisionen und auf die Zukunft der Zukunftsvisionen kommen, was meinen Sie, wie wird in der Zukunft von der weiteren Zukunft gesprochen werden? Also ich bitte Sie jetzt, einen Blick in die Glaskugel zu werfen oder in den Kaffeesatz!
Franke: Also Sie meinen, was ich da eventuell voraussagen würde oder erwarten würde?
von Billerbeck: Das ist natürlich frech, so etwas einen Naturwissenschaftler zu fragen.
Franke: Da gibt es durchaus einige Dinge, die sehr interessant sind und auf der einen Seite wunderbare Möglichkeiten eröffnen und auf der anderen Seite aber ins Verderben führen können. Das ist natürlich etwas, was man literarisch sehr gut anwenden kann in Erzählungen oder Romanen. Ich habe das Thema auch oft behandelt. Es hängt zusammen mit der Computerkunst.
Es geht ja auch darum, dass man mit diesen technischen Möglichkeiten Kunst in einer Weise ausdrücken kann, wie das vorher nicht der Fall war, also durch die virtuellen Welten, dass nämlich der Künstler sich nicht nur mit so einem kleinen Rahmen begnügt, durch die er eine neue Welt anbietet, da darf man dann hineinschauen – ein Bild ist dann ein solcher Rahmen in eine Vorstellungswelt des Künstlers beispielsweise –, sondern dass man mit den neuen Mitteln den Adressaten einbetten kann in eine vom Künstler erdachte Welt.
Und da kommen wir zu einer weiteren interessanten Seite unserer Kultur, die nämlich eine Sprachkultur ist: Wir stehen an der Schwelle einer Bildkultur, und das muss erst von den Verantwortlichen gelernt werden, die Bilder immer noch als etwas Minderwertiges sehen. Aber ich kann mir vorstellen, dass man nicht nur zu einem neuen Ausdrucksmittel kommt, sondern dass man hier ein Mittel in der Hand hat, wo man alles das, was sich der Erklärung bisher entzogen hat, weil es zu komplex war, also mehrdimensional, rückbezüglich, kreisfunktional und dergleichen mehr, sehr gut verständlich machen kann.
Und eine große Gefahr in unserem Leben, in unserer Gesellschaft ist das, dass es heute nur noch wenige Leute gibt, die diese Hintergründe unserer Wissenschaftler und Techniker verstehen, weil wir kein Mittel finden, es der Allgemeinheit zu erklären. Und hier, glaube ich, können wir durch das, was ich hier angedeutet habe, zu einem solchen Mittel kommen.
von Billerbeck: Über die Geschichte und Zukunft der Zukunftsvisionen sprachen wir mit dem Wissenschaftler, Künstler und Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke. Ganz herzlichen Dank für Ihren Besuch!
Franke: Bitte sehr!
Anlass für uns, den Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke nach seinen Vorstellungen von der Zukunft zu fragen und wie sich diese Vorstellungen im Laufe der Zeit verändert haben. Der Österreicher, Jahrgang 1927, gilt nicht nur als der bedeutendste deutschsprachige Science-Fiction-Autor, sondern auch als Pionier der Computerkunst. Der studierte Physiker, Mathematiker, Chemiker, Psychologe und Philosoph – ich hoffe, ich habe jetzt nichts vergessen – ist zudem Höhlenforscher und hat zahlreiche Fachbücher verfasst, und er schreibt seit Langem Science-Fiction-Romane. Dietmar Dath feierte 2007 dessen Buch "Flucht zum Mars" in der "FAZ" und nannte Franke einen "Klassiker auf seinem Feld". Und dieser Klassiker der Science-Fiction ist jetzt bei uns zu Gast: Herzlich willkommen, Herbert W. Franke!
Herbert W. Franke: Danke schön!
von Billerbeck: Als Sie anfingen, Science-Fiction zu schreiben – ich glaube, seit 1957 sind Sie freier Schriftsteller –, welche Vorstellungen von der Zukunft hatten Sie?
Franke: Also diese Sache liegt ganz am Anfang meiner Tätigkeit. Ich hatte Verbindungen mit einer Kulturzeitschrift in Österreich, nach dem Krieg, und habe Gedichte angeboten, wie man als junger Mensch eben welche zur Verfügung hat. Und der Redakteur sagte zu mir: Also ich kann davon nichts nehmen, ich kriege Waschkörbe voll Gedichte, und die sind alle gleich gut, und also jedenfalls sind Ihre ja auch nicht viel besser als die anderen. Aber Sie haben mir erzählt, dass Sie Naturwissenschaftler sind, es wäre doch sehr interessant, wenn Sie aus dem Gebiet der Naturwissenschaft etwas schreiben, was die Zukunft betrifft, also wie wirkt sich eine Neuentdeckung aus und wie kann man das in der Technik anwenden. Wollen Sie das für mich tun? Und ich habe natürlich gern zugesagt. Und ich habe dann über mehrere Jahre hinweg immer wieder Artikel in diese Zeitschrift gebracht. Die heißt "Neue Wege" und ist in Österreich sehr angesehen als ein historisches Gebilde.
von Billerbeck: Welche Visionen hatten Sie denn nun von der Zukunft, über die Sie damals geschrieben haben?
Franke: Na ja, ich erinnere mich beispielsweise, dass ich damals schon einen Artikel über die Zukunft der Kunst geschrieben habe und dabei überlegt habe, ob es nicht beispielsweise, so wie man heute mit einem Instrument Musik macht, in der Zukunft Instrumente geben könnte, denen man Farben in Verbindung setzt, verteilt in einer Zuordnung präsentiert. Und das ist ja heute durch den Computer auch durchaus möglich geworden. Und solche Überlegungen habe ich also dann verbunden mit dem technischen Wissen, das ich hatte.
von Billerbeck: Aber nun ist ja Literatur, auch Science-Fiction-Literatur, etwas, das mit Fiktion zu tun hat, also mit etwas, was nicht unbedingt plausibel sein muss. In der Welt der Fantasie ist ja viel mehr möglich als möglicherweise in der Welt der Wissenschaft.
Franke: Ich gebe Ihnen völlig recht, im Bereich der Fantasie ist natürlich viel mehr möglich, als wenn man sich da nur beschränkt auf das Plausible oder naturwissenschaftlich Erklärbare. Aber dann sind wir eben nicht mehr bei der echten Science-Fiction, das ist meine Meinung …
von Billerbeck: Also Science-Fiction bei Ihnen muss stimmen sozusagen?
Franke: Wie man halt den Ausdruck deutet. Aber immerhin, wir haben ja gerade in diesem Begriffe Science drin, das heißt, hier ist eine Verpflichtung auch mit, die man übernehmen muss, wenn man utopische Geschichten schreibt. Ich schätze phantastische Literatur sehr, und in früheren Zeiten habe ich also vielen von diesen Autoren – aus dem tschechischen Bereich beispielsweise, Perutz oder Kafka und so weiter – gelesen mit großer Begeisterung. Aber man sollte doch ehrlich sein: Es sind Produkte der Fantasie, die nicht an ein Regelmaß von Naturgesetzen gebunden sind. Und manches von denen ist ja auch sehr anregend und fruchtbar und vielleicht ergibt sich eine Brücke dann zu irgendetwas Machbarem.
von Billerbeck: Aber das ist keine Science-Fiction?
Franke: Das ist für mich nicht Science-Fiction. Und es ist für mich auch nicht Science-Fiction, wenn man antiquierte Vorstellungen über gesellschaftliche Kommunikation oder Verhaltensweisen und so weiter kombiniert mit einer modernsten Technik. Also die Ritter in Rüstungen, die mit Laserschwerten aufeinander eindreschen, die sind lächerlich. Und so sollte man sich die Zukunft nicht vorstellen.
von Billerbeck: Wir blicken zurück in die Zukunft, wie man sie sich früher vorstellte und darüber schrieb, gemeinsam mit dem Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke. Wie ist denn die Zukunft bei Ihnen – eher ein Traum oder ein Albtraum?
Franke: Ich glaube, dass unsere Welt nicht deterministisch ist. Also wir glauben nicht an ein Kismet, das nicht mehr änderbar ist, sondern ich glaube daran, dass wir durch Einsicht oder durch Wissen eingreifen können in die Prozesse in einer sinnvollen Weise. Ich sage, dass wir das können, ob wir das heute tun, sei dahingestellt, aber die prinzipielle Möglichkeit besteht.
Und wenn man das berücksichtigt, dann muss man doch auch in Rechnung stellen, dass es eben nicht nur eine Zukunft gibt, sondern viele Zukünfte. Es kann, um also zwei Extreme zu nennen, so sein, dass wir in relativer Kürze uns selbst umbringen – durch Atomexplosionen, Verseuchung. Es kann auch das Gegenteil eintreten, es können die Menschen – würde ja zu wünschen sein – plötzlich zur Vernunft und zum Frieden tendieren und sich einigen darauf, die Kräfte voll einzusetzen, um im sozialen Leben bessere Zustände zu schaffen. Auch das ist nicht unmöglich, wenn auch sehr unwahrscheinlich.
von Billerbeck: Das heißt, Sie sind eher pessimistisch für die Zukunft?
Franke: Na, ich will hier überhaupt nicht eine von diesen Deutungsmöglichkeiten bevorzugen. Es ist alles möglich, und wir müssen alles dazu tun, dass wir es zum Besseren wenden. Es gibt viele Möglichkeiten. Schauen Sie, es ist ja an sich auch so, ich habe den Eindruck, dass man bei der Klimadiskussion sich auf eine einzige Entwicklung konzentriert.
von Billerbeck: Den Untergang.
Franke: Ja, das habe ich jetzt eigentlich gar nicht so schlimm gleich kommen lassen wollen, sondern ich meine, dass das Klima sich ständig erwärmen wird und Wasser, Überschwemmungen zu erwarten sind und so weiter, sondern wir müssen doch zugeben, dass wir diese Wetterprozesse noch nicht völlig verstehen. Das heißt also, es kann auch anders kommen. Und es können Szenarien entworfen werden für andere Entwicklungen. Und wir sehen von anderen Entwicklungen völlig ab und stecken alle Möglichkeiten und unser Wissen und auch sehr viel Geld in eine einzige Entwicklung, die zwar gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, aber es kann auch völlig anders kommen. Man denkt immer an die negativen Möglichkeiten, eine allgemeine Erwärmung der Erde hätte auch sehr viele positive Möglichkeiten. Und von denen spricht man nicht, man will sich unbedingt auf die Gefahr festlegen.
von Billerbeck: Sie sind ja nicht nur ein bekannter Science-Fiction-Autor, sondern gelten auch als Pionier der Computerkunst. Wenn Sie da sich das ansehen, was Sie als Künstler, als Computerkünstler gemacht haben, ist das etwas, was Sie mehr mit Optimismus erfüllt als vielleicht der Blick auf den Zustand der Erde?
Franke: Na ja, die Beschäftigung mit Kunst, gerade wenn man das in kreativer Weise macht und nicht nur als Adressat von Kunstwerken, als Leser oder Zuschauer, ist etwas sehr Befriedigendes. Gerade wenn man also auch etwas schaffen kann, zu dem man dann stehen kann, also mit dem man selbst zufrieden ist, das sind sehr positive Phasen. Wenn ich mich mit Kunst beschäftige, dann frage ich mich doch: Ist es jetzt sinnvoll, nur für mich? Da würde ich sofort Ja sagen. Aber ist es auch für andere sinnvoll?
von Billerbeck: Das heißt, der Naturwissenschaftler fragt den Künstler Franke, ist das sinnvoll, was du tust?
Franke: Ja, genauso ist es. Und da bin ich zu Antworten gekommen – das würde vielleicht zu weit führen, wenn ich das jetzt ausführen würde –, dass man doch als ein Künstler, der Innovation schafft, ästhetische Innovation schafft, auf die Gesellschaft und damit auf die Adressaten in einem positiven Sinn wirkt. Und Menschen, die vielleicht selbst nicht so fantasiebegabt sind, profitieren sehr von solchem Gedankengut. Und das ist ein Grund dafür, dass ich also doch davon überzeugt bin, dass der Künstler eine angemessene Rolle und eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielt. Und das gilt nicht nur für die Computerkunst.
von Billerbeck: Wenn wir noch mal auf die Zukunftsvisionen, auf die Geschichte der Zukunftsvisionen und auf die Zukunft der Zukunftsvisionen kommen, was meinen Sie, wie wird in der Zukunft von der weiteren Zukunft gesprochen werden? Also ich bitte Sie jetzt, einen Blick in die Glaskugel zu werfen oder in den Kaffeesatz!
Franke: Also Sie meinen, was ich da eventuell voraussagen würde oder erwarten würde?
von Billerbeck: Das ist natürlich frech, so etwas einen Naturwissenschaftler zu fragen.
Franke: Da gibt es durchaus einige Dinge, die sehr interessant sind und auf der einen Seite wunderbare Möglichkeiten eröffnen und auf der anderen Seite aber ins Verderben führen können. Das ist natürlich etwas, was man literarisch sehr gut anwenden kann in Erzählungen oder Romanen. Ich habe das Thema auch oft behandelt. Es hängt zusammen mit der Computerkunst.
Es geht ja auch darum, dass man mit diesen technischen Möglichkeiten Kunst in einer Weise ausdrücken kann, wie das vorher nicht der Fall war, also durch die virtuellen Welten, dass nämlich der Künstler sich nicht nur mit so einem kleinen Rahmen begnügt, durch die er eine neue Welt anbietet, da darf man dann hineinschauen – ein Bild ist dann ein solcher Rahmen in eine Vorstellungswelt des Künstlers beispielsweise –, sondern dass man mit den neuen Mitteln den Adressaten einbetten kann in eine vom Künstler erdachte Welt.
Und da kommen wir zu einer weiteren interessanten Seite unserer Kultur, die nämlich eine Sprachkultur ist: Wir stehen an der Schwelle einer Bildkultur, und das muss erst von den Verantwortlichen gelernt werden, die Bilder immer noch als etwas Minderwertiges sehen. Aber ich kann mir vorstellen, dass man nicht nur zu einem neuen Ausdrucksmittel kommt, sondern dass man hier ein Mittel in der Hand hat, wo man alles das, was sich der Erklärung bisher entzogen hat, weil es zu komplex war, also mehrdimensional, rückbezüglich, kreisfunktional und dergleichen mehr, sehr gut verständlich machen kann.
Und eine große Gefahr in unserem Leben, in unserer Gesellschaft ist das, dass es heute nur noch wenige Leute gibt, die diese Hintergründe unserer Wissenschaftler und Techniker verstehen, weil wir kein Mittel finden, es der Allgemeinheit zu erklären. Und hier, glaube ich, können wir durch das, was ich hier angedeutet habe, zu einem solchen Mittel kommen.
von Billerbeck: Über die Geschichte und Zukunft der Zukunftsvisionen sprachen wir mit dem Wissenschaftler, Künstler und Science-Fiction-Autor Herbert W. Franke. Ganz herzlichen Dank für Ihren Besuch!
Franke: Bitte sehr!