Die Zukunft gehört dem deutschen Fußball

Jürgen Rothenbücher im Gespräch mit Nana Brink |
Grund für den Erfolg der deutschen Fußballclubs ist laut Jürgen Rothenbücher von der Beraterfirma A.T. Kearney das solide wirtschaftliche Management aufgrund finanzieller Regularien und eine systematische Jugendarbeit. Andere europäische Vereine seien „massiv verschuldet“.
Nana Brink: Heute Abend also das Spiel der Spiele, das Fußballereignis des Jahres – mit Sicherheit mal aus deutscher Sicht: Dortmund und Bayern München, zwei deutsche Mannschaften im Endspiel der Champions League. Das gab es noch nie seit der Gründung der Champions League 1992 – ein guter Anlass für uns, um einmal auf die europäischen Topligen des Fußballs zu blicken, speziell auf die großen Vereine, um die es ja nicht besonders gut bestellt ist, vielleicht mal abgesehen von der Bundesliga hierzulande. Jürgen Rothenbücher ist Partner der Unternehmensberatung A. T. Kearny. Schönen guten Morgen, Herr Rothenbücher!

Jürgen Rothenbücher: Hallo, guten Morgen!

Brink: Sie haben europäische Vereine in den Topligen auf sportliche Erfolge und Wirtschaftlichkeit untersucht, und man muss ja nicht lange suchen: Spanische und englische Vereine, deren Macht ja mit diesem Finale vielleicht ja nun auch gebrochen scheint, stehen finanziell nicht gut da. Ist das noch milde ausgedrückt?

Rothenbücher: Absolut, ja, wären das normale wirtschaftliche Unternehmen, müssten die alle über kurz, aber viel mehr über kurz als lang, Bankrott anmelden, denn die Vereine sind massiv überschuldet. Und wir haben das ja auch mal vor einem Jahr so auf Ligaebene insgesamt untersucht: wenn man mal die Gewinne oder Verluste der Ligen sich anschaut in Summe, dann ist ausschließlich die Bundesliga im positiven Bereich, alle anderen großen europäischen Ligen sind im negativen Bereich, also machen laufend Schulden. Das heißt, die müssen laufend irgendwie bezuschusst werden, sonst würden sie illiquide werden und Insolvenz anmelden.

Brink: Können Sie das vielleicht mal an zwei Beispielen klar machen, vielleicht an einem englischen oder an einem spanischen?

Rothenbücher: Also die spanischen Clubs insgesamt haben zum Beispiel über vier Milliarden Schulden. Und wenn man sich überlegt, wie klein Fußballvereine als Unternehmen sind, ist es eine wahnsinnige Summe, und einzelne Vereine, die Top-Vereine, die haben teilweise … also jetzt ManU hat über eine Milliarde Schulden, Chelsea hat über eine Milliarde Schulden, Real Madrid hat 400, 500 Millionen Schulden, Barcelona hat 400 Millionen Schulden, und, und, und. Die Liste ist lang, da sehen sowohl die namhaften wie die nicht namhaften Vereine gar nicht gut aus. Valencia hat im Januar nicht mehr die Schulden bezahlen können, Málaga ist wegen der Finanzprobleme ausgeschlossen worden von weiteren europäischen Wettbewerben, und, und, und – also es sieht grauenhafter aus, wenn man es rein finanziell betrachtet. Natürlich sind die sportlich gut, die englischen und spanischen Vereine, aber finanziell liegen sie sehr danieder, und das ist aus unserer Sicht auch ein Hauptgrund, warum die Bundesliga jetzt immer besser wird, weil sie eben solider gemanagt und gewirtschaftet wird.

Brink: Ich möchte trotzdem noch mal verstehen, wie konnte das passieren? Nehmen wir doch mal das Beispiel Manchester zum Beispiel oder Barcelona. Wie kommt denn das, dass die so überschuldet sind?

Rothenbücher: Sie geben einfach viel zu viel für die Spiele aus, sei es jetzt über Transfererlöse oder Investitionen, sei es jetzt über Einkommen. Und da wird diesen Vereinen einfach kein Riegel vorgeschoben, die geben einfach immer mehr aus, als sie sich leisten können, kriegen dadurch natürlich in den letzten Jahren auch sehr gute Spieler, oder haben dadurch sehr viele gute Spieler bekommen, aber eben zulasten von Verlusten und bis hin zur Insolvenz von manchen Vereinen.

Brink: Sie haben ja schon einen Ausblick auf die Bundesliga gegeben. Warum steht denn die Bundesliga so gut da?

Rothenbücher: Also die Bundesliga beziehungsweise der DFB hat eben vor einigen Jahren Regeln definiert, die es eben nicht erlauben, dass die Vereine so unwirtschaftlich agieren, das heißt, kommerzielle Kontrollmechanismen schon seit über zehn Jahren, sodass eben die deutschen Vereine solide gemanagt werden müssen. Es gab auch weitere Regulierungen, die sehr helfen, wie zum Beispiel die Fußballakademien, die gegründet werden mussten, also um eben mehr Nachwuchsarbeit zu machen und damit auch eher günstiger an eigene Spieler zu kommen, und darüber hinaus haben die deutschen Vereine jetzt auch noch mal ein bisschen Glück im Sinne der WM 2006, dadurch wurden natürlich viele Stadien renoviert, was denen natürlich auch noch mal hilft, gut dazustehen. Aber vor allen Dingen sind die ersten zwei Punkte, dass eben Finanzkontrolle eingeführt wurde und eben auch mehr in die Jugendarbeit gesteckt wurde.

Brink: Ist das auch ein Grund, warum Dortmund dann ja auch jetzt besser dasteht, das ja vor acht Jahren gerade noch vom OP-Tisch geholt und wiederbelebt werden musste?

Rothenbücher: Absolut, und ich meine, Sie schauen sich an, die haben ja lattenweise Superspieler aus der eigenen Jugend, aus der eigenen Nachwuchsarbeit, wie einen Götze und so weiter, also von daher hat das voll positiv für Dortmund gewirkt, ganz klar.

Brink: Ich möchte noch mal zu einem zweiten Verein, einem deutschen, gucken, nämlich Bayern München, die schieben ja auch so den Mythos der finanziellen Potenz vor mich her, also Mia san mia, wir haben genug auf der hohen Kante. Stimmt das wirklich so? Das macht einen ja ein bisschen misstrauisch.

Rothenbücher: Nein, es ist tatsächlich so, Bayern steht hervorragend da, ein sehr reicher Verein im Vergleich in Europa, die machen zwar nicht so viel Umsatz, es gibt in Europa noch neun andere Vereine, die ähnlich hohe Umsätze realisieren, nur in Deutschland wird eben vernünftig, gerade auch bei Bayern, sehr vernünftig gewirtschaftet, sodass die auch Guthaben haben, dass die nicht überschuldet sind und insofern auch wirklich finanziell sehr, sehr stark sind, das ist völlig richtig.

Brink: Aber manchmal hat man doch den Eindruck, die gehen auch ein bisschen den Weg der englischen und, sagen wir mal auch besser noch, der spanischen Clubs, nämlich für viel, viel Geld teure Spieler einkaufen.

Rothenbücher: Ja, natürlich haben die bekannterweise viel ausgegeben für Transfers, nur die konnten es sich halt leisten. Also jetzt Real Madrid ist völlig überschuldet und gibt dann eben knapp 100 Millionen für einen Spieler aus, während Bayern dann eben 40 Millionen ausgibt, und kann sich es eben leisten. Also von daher – dass war relativ – für einen deutschen Verein – hoch, und auch natürlich sind es Riesensummen, aber es ist solide gemanagt.

Brink: Sie haben eine kühne These aufgestellt, nämlich dem Fußball wird es so ergehen wie den Banken, und sie haben das Beispiel der Glasgow Rangers angeführt, die mussten ja 2012 Insolvenz anmelden, und das könnte eine Signalwirkung haben wie seinerzeit die Pleite von Lehman Brothers. Ist denn der Fußball too popular to fail, also einfach zu populär, um Bankrott zu gehen?

Rothenbücher: Ja, im Grunde genommen too popular to fail deswegen, weil im Grunde genommen sind ja alle überschuldet, oder ein Großteil der Vereine ist überschuldet, und würde eigentlich pleite gehen, aber er ist so beliebt, der Fußball, dass eben immer wieder ein Sponsor oder immer wieder ein Trick gefunden wird, um den Vereinen zu helfen. Es sind ja häufig dann auch die Städte, die irgendwie mithelfen, gerade auch in Spanien, um den Vereinen da entgegenzukommen, und, und, und. Aber es ist ja kein normaler wirtschaftlicher Mechanismus, normalerweise müssten sie ja Insolvenz anmelden.

Brink: Gehen wir da noch mal zurück, wirklich noch auch zum europäischen Fußball, zu heute Abend. Ist das ein Fingerzeit, wo es in der Champions League hingeht? Wer macht denn den Bayern oder den Dortmundern da noch Konkurrenz?

Rothenbücher: Also schön wäre es, wenn das so eindeutig wäre, wie sie es zum Ausdruck bringen, aber nichtsdestotrotz, was Sie gesagt haben, enthält einen Kern Wahrheit aus unserer Sicht. Wir glauben, die Bundesliga hat eben zehn Jahre gebraucht, um an den Punkt zu kommen, wo sie jetzt ist, hat einen Riesenaufschwung genommen, relativ zu den anderen, weil einfach wesentlich besser gemanagt wird, insofern glauben wir, dass das nächste Jahrzehnt dem deutschen Fußball gehört, sodass wir mehr deutsche Erfolge im internationalen Umfeld – sei es in der Nationalmannschaft oder auch bei den Vereinen – sehen werden. Heißt das, das jedes Jahr eine deutsche Mannschaft im Champions-League-Finale steht? Nein, natürlich nicht, natürlich können die anderen gut Fußball spielen, hervorragend Fußball spielen, wir sind ja früher auch immer mal wieder im Finale gewesen. Also insofern wird es umgekehrt genau so weitergehen, aber trotzdem glauben wir, dass sich das Fußballgewicht doch sehr stark Richtung Deutschland in Europa verändert und wir insofern auf schöne zehn Jahre für den deutschen Fußball blicken können.

Brink: Was für ein Schlusswort! Herzlichen Dank, Jürgen Rothenbücher, Partner der Unternehmensberatung A. T. Kearny. Schönen Dank für das Gespräch!

Rothenbücher: Sehr gerne! Schönen Tag!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.