Die Zukunft der Stasi-Akten

Von André Hatting |
Am 27. Januar wurde Marianne Birthler erneut zur Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewählt. Bei ihrem erstem Auftritt vor dem Bundeskulturausschuss plädierte sie unter anderem dafür, den Zugang zu den Stasi-Akten zu lockern. Birthler vermutete, dass die Behörde noch rund 15 Jahre bestehen werde. Anschließend könnten die Unterlagen in einer Stiftung verwaltet werden.
Freundlich, sachlich, unaufgeregt. Die eben bestätigte Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hatte leichtes Spiel vor dem Kulturausschuss. Birthlers gewünschte Änderungen am Stasi-Unterlagen-Gesetz fanden fast alle Abgeordneten richtig und gut. Zumindest im Großen und Ganzen:

"Ich habe keine Erkenntnisse gefunden, dass – mit Ausnahme der Linken - die Fraktionen hier wirklich in zentralen Fragen auseinander liegen. Es gibt eine Reihe von durchaus strittigen Detailfragen. Auch der Bundesminister für Kultur und Medien hat deutlich gemacht, dass er nicht in allen Detailfragen mit Frau Birthler übereinstimmt. Aber im Kern gibt es eine parteiübergreifende Übereinstimmung."

Das Fazit des Ausschussvorsitzenden, Hans-Joachim Otto, FPD. Die strittigen Detailfragen betreffen vor allem den Zugang zu den Akten. Marianne Birthler hofft, dass die Zweckbindung, also die exakte Begründung, wann wer welche Akten einsehen darf, in Zukunft gelockert wird:

"Unsere Erfahrung ist die, dass, ohne dass Datenschutzgründe dem entgegen stehen, wir manche Anträge gar nicht bearbeiten können, weil zum Beispiel jemand eine Arbeit schreibt über die Tätigkeit der FDJ und dazu auch MfS-Unterlagen nutzen will, und wir müssen diesen Antrag ablehnen, weil wir sagen, das ist durch die Zweckbindung nicht gedeckt."

Denn bislang dürfen nur die Wissenschaftler Akten einsehen, die an einem Stasi-Thema forschen. Das bedeutet auch: Die Birthler-Behörde muss Akten unter Verschluss halten, die den Aufstand am 17. Juni 1953 oder den Mauerbau 1961 betreffen. Ein weiteres Problem: Wie mit den Akten Verstorbener umgehen? Marianne Birthler will in Zukunft auch diese Daten zugänglich machen. Die Linke/PDS lehnt das strikt ab. Lukrezia Jochimsen, die für die Linke im Kulturausschuss sitzt, wirft der Bundesbehörde – so wörtlich – eine "Zurschaustellung von Menschen" vor. Sie warnt außerdem davor, dass der Behörde auf diese Weise eine "Ewigkeitsaufgabe" zufalle. Nicht ewig, sondern etwa 15 Jahre werde die Behörde noch bestehen, vermutet dagegen Marianne Birthler. Und fügt hinzu, dass die Stasi-Unterlagen anschließend in einer Stiftung verwaltet werden könnten. Unter dem Dach eines Bundesarchivs:

"Ich plädiere dafür, dass die Stasi-Unterlagen in einer Institution aufbewahrt und verwaltet werden, unter anderem, weil sie nur so nach den gleichen Regeln verwaltet werden können. Ich weiß aber, dass es auch andere Auffassungen gibt und schließlich wird der Bundestag abzuwägen haben, wie das letztlich auszusehen hat."

Etwas überrascht zeigt sich die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen darüber, dass es offenbar keine nennenswerten Initiativen gebe, die Frist für die Regelanfragen zu verlängern. 15 Jahre lange konnten Mitarbeiter im öffentlichen Dienst und den Parlamenten durch die Behörde überprüft werden. Ende 2006 ist damit Schluss:

"Es scheint einen großen Konsens zu geben, mit diesen 15 Jahren ist es gut. Ich glaube, dass es jetzt erst mal ein Stück Meinungsbildung im Bundestag braucht, ob man so eine Auffangregelung überhaupt will. Wenn das gewünscht wird, würden wir einen Vorschlag dafür erarbeiten, wie das aussehen könnte, der müsste dann diskutiert werden. Ich bin an dieser Stelle, das habe ich vorhin auch gegenüber den Abgeordneten zum Ausdruck gebracht, noch etwas unentschieden, weil ich nicht weiß, wie es machbar wäre."

Das gleiche gilt für die Strukturreform der Behörde. Auch hier sind sich alle einig: Das dichte Netz von Anlaufstellen in den neuen Bundesländern ist zu teuer. Statt drei, soll zum Beispiel künftig nur noch ein Archiv pro Bundesland ausreichen. So der Vorschlag aus der Birthler-Behörde. Bleibt die Nachfrage in der Bevölkerung ungemindert stark, dann dürften vor allem die Mitarbeiter mit dieser Verkleinerung Probleme bekommen.
Im vergangenen Jahr wurden 80.000 Anträge auf Akteneinsicht gestellt.