Die Zeichen der Kirche
11.02.2009
Was ist ein Graduale? Wie sieht eine Volute aus? Und welcher Heilige präsentiert eine Pestbeule auf dem nackten Oberschenkel? In seinem Bilderlexikon entschlüsselt Eckhard Bieger, Jesuit und langjähriger katholische Beauftragte beim ZDF, die Symbole und Zeichen und macht Kirchenräume erfahrbar.
Adler, Löwen, Blumen, Heilige - Kirchen sind gefüllt mit Bildern und Zeichen. Viele von ihnen erscheinen vertraut und sind es doch nicht. Oder sind zumindest mehrdeutig. Denn ein Löwe draußen über dem Portal am Westeingang bedeutet etwas anderes als einer am Fuße der Kanzel.
Draußen ist der Löwe ein Zeichen des Bösen, gegen das die Kirche Schutz und Abwehr bietet. Drinnen an der Kanzel, auf der der Prediger Gottes Wort auslegt, symbolisiert der Löwe dagegen den Evangelisten Markus.
Natürlich sind nicht alle Symbole so mehrdeutig. Die Taube zum Beispiel ist ganz eindeutig dem Heiligen Geist zugeordnet. Dementsprechend findet sie sich auch an ganz besonders herausgehobenen Stellen, der höchsten Stelle der Vierungskuppel in der klassischen Kathedrale zum Beispiel. Wo die Taube ist, da ist der Himmel nicht weit.
Auch ein Symbol wie der Tod ist viel weniger ambivalent, als man vielleicht denkt. Der Tod droht nicht und verlockt niemanden zum Bösen, egal wie beeindruckend die Sense ist, mit der er winkt. Er kommt, um zu ernten - das heißt: Der Tod ist unausweichlich und hat deswegen auch seinen Platz im Kirchenraum.
"Das Bilderlexikon der christlichen Symbole" von Eckhard Bieger schlüsselt solche Symbole auf, natürlich. Aber es will noch viel mehr. Eckhard Bieger ist davon überzeugt, dass die Kirche sozusagen der natürliche Lebensraum des christlichen Symbols ist und es nur dort auch wirklich verstanden werden kann.
Kirche versteht er dabei immer im doppelten Sinne: als Kirchengebäude und als Gemeinschaft derer, die an Christus glauben und sich deshalb als Kirche verstehen. Bieger möchte also verständlich und überhaupt erst sichtbar machen, wie die Bilder und Zeichen in einem Kirchengebäude einer jeweiligen Epoche im Gottesdienst lebendig werden.
Kirchen sind nicht einfach Gehäuse für liturgische Gerätschaften. Sie sind im besten Falle gebaute Theologie. Der jeweilige Ausdruck wiederum, den diese Theologie gefunden hat, beeinflusst auch das gottesdienstliche Geschehen und damit letztlich wiederum die Theologie.
Zum Beispiel haben die frühen Christen, nachdem sie erst einmal öffentlich Gottesdienst feiern durften, römische Basiliken übernommen. Diese waren aber ganz säkulare Versammlungshallen, in denen Bittsteller nach vorne gingen und einem Vertreter der Autorität ihr Anliegen vortrugen. Der Raum war also für eine Bewegung nach vorne ausgelegt.
Die Christen nun entwickelten eine Form des Gottesdienstes, in dem Prozessionen ganz wesentlich wurden. Also: Einzug der Liturgen, bewegtes Geschehen am Altar, Auszug der Liturgen. Der Raum bedingte die Form, die Form aber wurde eigenständig - sodass viel später die Zentralbauten der Renaissance mit ihrem einen runden Kirchenraum sich nicht durchsetzen konnten. Sie passten schlicht nicht zur liturgischen Bewegung.
Solche Zusammenhänge macht Eckhard Bieger in seinem Buch deutlich. Kirchen werden darin quasi zu einem atmenden Organismus, von der Krypta bis zur höchsten Kuppel gefüllt mit vielschichtigen Bedeutungen. Bieger ist Jesuit und war 20 Jahre lang katholischer Beauftragter beim ZDF. Er hat also reichlich Erfahrung damit, wie man Kirchenräume inszeniert und erfahrbar macht.
Bieger hat sich außerdem auch ganz der katholischen Liturgie verschrieben. Was sein Verständnis begründet, was allerdings auch zu einer gewissen Einseitigkeit führt: Denn eigentlich ist sein Buch ein Bilderlexikon der katholischen Symbole. Protestanten verbindet Bieger mit dem Wort und der Hallenkirche, weil da die Akustik besonders gut ist.
Und auch wenn es natürlich stimmt, dass protestantische Gottesdienste liturgisch nicht vergleichbar sind mit dem liturgischen Geschehen, das gotische Kathedralen geprägt hat, ist der Protestantismus doch nicht frei von Symbolen. Aber so etwas wie die Lutherrose oder ganz schlicht einen Eintrag unter "Bibel" sucht man vergeblich.
Rezensiert von Kirsten Dietrich
Eckhard Bieger: Das Bilderlexikon der christlichen Symbole
St. Benno Verlag 2008,
288 Seiten, 19,90 Euro
Draußen ist der Löwe ein Zeichen des Bösen, gegen das die Kirche Schutz und Abwehr bietet. Drinnen an der Kanzel, auf der der Prediger Gottes Wort auslegt, symbolisiert der Löwe dagegen den Evangelisten Markus.
Natürlich sind nicht alle Symbole so mehrdeutig. Die Taube zum Beispiel ist ganz eindeutig dem Heiligen Geist zugeordnet. Dementsprechend findet sie sich auch an ganz besonders herausgehobenen Stellen, der höchsten Stelle der Vierungskuppel in der klassischen Kathedrale zum Beispiel. Wo die Taube ist, da ist der Himmel nicht weit.
Auch ein Symbol wie der Tod ist viel weniger ambivalent, als man vielleicht denkt. Der Tod droht nicht und verlockt niemanden zum Bösen, egal wie beeindruckend die Sense ist, mit der er winkt. Er kommt, um zu ernten - das heißt: Der Tod ist unausweichlich und hat deswegen auch seinen Platz im Kirchenraum.
"Das Bilderlexikon der christlichen Symbole" von Eckhard Bieger schlüsselt solche Symbole auf, natürlich. Aber es will noch viel mehr. Eckhard Bieger ist davon überzeugt, dass die Kirche sozusagen der natürliche Lebensraum des christlichen Symbols ist und es nur dort auch wirklich verstanden werden kann.
Kirche versteht er dabei immer im doppelten Sinne: als Kirchengebäude und als Gemeinschaft derer, die an Christus glauben und sich deshalb als Kirche verstehen. Bieger möchte also verständlich und überhaupt erst sichtbar machen, wie die Bilder und Zeichen in einem Kirchengebäude einer jeweiligen Epoche im Gottesdienst lebendig werden.
Kirchen sind nicht einfach Gehäuse für liturgische Gerätschaften. Sie sind im besten Falle gebaute Theologie. Der jeweilige Ausdruck wiederum, den diese Theologie gefunden hat, beeinflusst auch das gottesdienstliche Geschehen und damit letztlich wiederum die Theologie.
Zum Beispiel haben die frühen Christen, nachdem sie erst einmal öffentlich Gottesdienst feiern durften, römische Basiliken übernommen. Diese waren aber ganz säkulare Versammlungshallen, in denen Bittsteller nach vorne gingen und einem Vertreter der Autorität ihr Anliegen vortrugen. Der Raum war also für eine Bewegung nach vorne ausgelegt.
Die Christen nun entwickelten eine Form des Gottesdienstes, in dem Prozessionen ganz wesentlich wurden. Also: Einzug der Liturgen, bewegtes Geschehen am Altar, Auszug der Liturgen. Der Raum bedingte die Form, die Form aber wurde eigenständig - sodass viel später die Zentralbauten der Renaissance mit ihrem einen runden Kirchenraum sich nicht durchsetzen konnten. Sie passten schlicht nicht zur liturgischen Bewegung.
Solche Zusammenhänge macht Eckhard Bieger in seinem Buch deutlich. Kirchen werden darin quasi zu einem atmenden Organismus, von der Krypta bis zur höchsten Kuppel gefüllt mit vielschichtigen Bedeutungen. Bieger ist Jesuit und war 20 Jahre lang katholischer Beauftragter beim ZDF. Er hat also reichlich Erfahrung damit, wie man Kirchenräume inszeniert und erfahrbar macht.
Bieger hat sich außerdem auch ganz der katholischen Liturgie verschrieben. Was sein Verständnis begründet, was allerdings auch zu einer gewissen Einseitigkeit führt: Denn eigentlich ist sein Buch ein Bilderlexikon der katholischen Symbole. Protestanten verbindet Bieger mit dem Wort und der Hallenkirche, weil da die Akustik besonders gut ist.
Und auch wenn es natürlich stimmt, dass protestantische Gottesdienste liturgisch nicht vergleichbar sind mit dem liturgischen Geschehen, das gotische Kathedralen geprägt hat, ist der Protestantismus doch nicht frei von Symbolen. Aber so etwas wie die Lutherrose oder ganz schlicht einen Eintrag unter "Bibel" sucht man vergeblich.
Rezensiert von Kirsten Dietrich
Eckhard Bieger: Das Bilderlexikon der christlichen Symbole
St. Benno Verlag 2008,
288 Seiten, 19,90 Euro