Die zauberhaft realen Musikautomaten des Musée Mécanique in San Francisco

Musikalische Zeitmaschinen

55:05 Minuten
300 Automaten beherrbergt das Musée Mécanique, und jeden einzelnen davon können die Besucherinnen mit Vierteldollar-Münzen zum Leben erwecken.
Mit Vierteldollar-Münzen können die Besucher alle Musikmaschinen in Gang setzen. © deutschlandradio / Golo Föllmer
Von Golo Föllmer · 13.03.2020
Dan Zelinsky in San Francisco besitzt eine außergewöhnliche Sammlung historischer Musikautomaten und mechanischer Spielmaschinen. Sie alle funktionieren noch und dürfen benutzt werden.
Die alte Lagerhalle an Pier 45 liegt gleich links neben Fisherman's Wharf, der Touristen-Attraktion am Golden Gate, am alten Hafen von San Francisco. Hier ist 365 Tage im Jahr etwas los, an Imbissständen und Souvenir-Shops. Gaukler lassen sich gegen Geld fotografieren, Straßenmusiker unterhalten die ziellos umher schiebenden Besucher.

Instrumente aus Blech, Glas und Bakelit

Und ein paar davon stolpern immer mal unversehens ins Musée Mécanique. Angelockt vom quirligen Lärm, vom Lachen und von Musik, die irgendwie altmodisch klingt. Überraschenderweise verlangt niemand eine Eintrittsgebühr.
Das Orchestrion "North Tonawanda L", gebaut ca. 1922, mit der Notenrolle A-1972, die zehn Stücke nacheinander abspielen kann. 
Das Orchestrion "North Tonawanda L", gebaut ca. 1922, mit der Notenrolle A-1972, die zehn Stücke nacheinander abspielen kann.© deutschlandradio / Golo Föllmer
Und schon bewegt man sich zwischen 300 Apparaten, Maschinen, Geräten aus Holz, Blech, Glas und Bakelit-Kunststoff, ein großer Teil um das Jahr 1900 gebaut, einige aber auch aus den 1970er Jahren.
Dan Zelinsky, Inhaber der Sammlung und Betreiber des Musée Mécanique. Die Roller Skates braucht er, um schnell durch die Halle zu kommen. Der Knieschoner hilft beim ständigen Reparieren. 
Dan Zelinsky, Inhaber der Sammlung und Betreiber des Musée Mécanique. Die Roller Skates braucht er, um schnell durch die Halle zu kommen. © deutschlandradio / Golo Föllmer
Die Sammlung gehört Dan Zelinsky. Den Tagesbetrieb betreuen auch diverse Kollegen, weil er oft mit der Reparatur der Geräte beschäftigt ist. Aber wenn er in der Halle ist, wechselt auch er Geld, erklärt, wie die Automaten funktionieren und zeigt den Weg zur Toilette.

Die lachende Sally

Dan Zelinsky erklärt, wie die Stimme der lebensgroßen lachenden Puppe über die Jahrzehnte wiedergegeben wurde: Zuerst von einem Drahtrekorder, dann von einem Endlos-Tonband. Es folgte ein sogenanntes Eighttrack, wie man es früher in amerikanischen Autos hatte, dann ein Autoreverse-Kassettenrekorder, später ein DAT-Rekorder und heute irgendwie von MP3 oder so, genau weiß Dan das gar nicht. Hier geht es nicht um denkmalpflegerische Originaltreue, die Apparate sollen spielen, funktionieren, Spaß machen.
Eine Puppe mit auffallend aufgerissenem Mund in einer Vitrine.
Die "Lachende Sally" funktioniert schon seit ein paar Jahrzehnten.© Musée Mécanique / Archiv
Begonnen hat die Geschichte der Musikautomaten mit mechanischen Musikinstrumenten wie der Jahrmarktsorgel, die schon ab etwa 1860 auf keiner besseren Kirmes mehr fehlen durfte. Vor allem in Deutschland, Frankreich, Italien, England und den USA entstanden im Zuge der Industrialisierung Fabriken wie die von Wilhelm Bruder in Waldkirch, oder die von Rudolph Wurlitzer aus Schöneck im Vogtland. Wurlitzer wanderte 1853 in die USA aus und baute sein Unternehmen dort zu einem der größten Hersteller für Jahrmarktorgeln und andere mechanische Instrumente aus.

Musik von der Wachswalze

Das andere Medium, neben den mechanischen Musikinstrumenten, das die Welt zu einem neuen Musikhören brachte, war der 1877 von Thomas Edison konstruierte Phonograph. Jegliche Klänge, aber eben auch Musik konnten damit erstmals in der Geschichte der Menschheit auf Wachswalzen aufgezeichnet und wiedergegeben werden. Für die Walzen brauchten die Hersteller Futter, als sie erkannten, dass das Volk sich damit nicht bilden, sondern lieber musikalisch unterhalten lassen wollte.
Besucher des Museums bewegen sich durch einen Gang, der links und rechts diverse Automaten zum Ausprobieren bietet.
Ein Blick in die Sammlung der Musikautomaten im Musée Mécanique in San Francisco.© deutschlandradio / Golo Föllmer
Sousas Musik gehört zu den ersten Aufzeichnungen, die auf Phonographenwalzen verbreitet wurde. Mit Tschingderassabum läuteten seine Märsche den Siegeszug der heutigen Musikindustrie ein, und damit einer Zeit, in der das Hören von Live-Musik, zumindest im reichen Norden der Welt, in den einstelligen Prozentbereich gerutscht ist.

Ein Instrument aus Instrumenten

Ken Eaton ist Dan Zelinskys Trumpfkarte. Ken kann alles reparieren, was mit Klavieren, Orgeln und pneumatischen Spielmechanismen zu tun. Er demonstriert das Prunkstück der Sammlung, die "Mighty Wurlitzer Military Band Organ", ein wunderschön bunt bemaltes Monstrum, aus dem eine Orgel, Glockenspiel, Trommeln und vieles mehr heraus blicken.
Ken erklärt am "Mighty Wurlitzer" die Grundprinzipien pneumatischer Musikautomaten. Bei den meisten späteren mechanischen Musikinstrumente wird die Spielmechanik durch das Vakuum einer Pumpe betrieben. Die Noten sind als lange Löcher in ein Papierband gestanzt und laufen über eine gelochte Leseschiene, in der ein Vakuum herrscht.
Ein Blick in die Walzenmechanik der "Mighty Wurlitzer" im Musée Mécanique.
Ein Blick in die Walzenmechanik der "Mighty Wurlitzer" im Musée Mécanique.© deutschlandradio / Golo Föllmer
Kommt durch ein gestanztes Loch Luft in die feine Bohrung eines Tones auf der Leseschiene, dann löst das ein Ventil aus, das die Luft aus dem dazugehörigen kleinen Balg saugt, und durch das Zusammenziehen drückt der Balg eine Klaviertaste, öffnet ein Orgelventil oder betätigt einen Trommelstock. Die Überdruckpumpe dagegen braucht man für die Orgelpfeifen, denn Pfeifen müssen mit Druck angeblasen werden.
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