Die Wüste im Kalender
Ab heute läuft im Jüdischen Museum Berlin eine Ausstellung über Laubhütten. Das Fest erinnert an die Zeit in der Wüste, als die Kinder Israels nur provisorische Behausungen bauen konnten. Ein wichtiges Thema für eine Ausstellung. Nur der Termin ist eigenwillig: Denn Juden in aller Welt haben das Laubhüttenfest dieses Jahr im September gefeiert.
Hat das Museum das Laubhüttenfest Sukkot einfach verpennt? Oder will das Museum noch mal nachfeiern, weil Sukkot so schön war und es noch viel schöner ist, Laubhütten zu betrachten, wenn es draußen richtig ungemütlich ist und kein Jude Lust hat, in einer zugigen, kalten Hütte zu sitzen?
Wenn die Münchner das Oktoberfest im September feiern und Christen schon im August eifrig Lebkuchen mampfen, dann wird doch wohl ein Museum ein Fest vom September in den November verlegen können. Zudem erinnert das Laubhüttenfest an die Zeit der Israeliten in der Wüste – und die hat 40 Jahre gedauert. Da sollte man beim Feiern nicht so pingelig sein.
Die Laxheit mit dem Jüdischen Kalender hat übrigens Tradition: Schon die Sekte von Qumran stellte den jüdischen Mondkalender kurzerhand auf Sonne um, was den Vorteil hatte, dass Juden ihre Feste endlich an festen Wochentagen feiern konnten: Wie die Christen ihren Ostermontag haben, konnten Juden ihren Pessachdienstag feiern. Zwar konnte sich die Qumran-Sekte nicht wirklich durchsetzen, aber nach kaum 19 Jahrhunderten wurden ihre Schriftrollen wiederentdeckt und befinden sich jetzt staatstragend im Schrein des Buches in Jerusalem gleich neben der Knesset. Woraus wir lernen: Kalender verstellen muss kein Nachteil sein.
Ohnehin sind ja alle Kalender willkürlich. Eigentlich könnte man den Montag Dienstag nennen und den Mittwoch Schnurkeltag. Kein Mensch muss sich vorschreiben lassen, wann er Feste feiert. Christen können an Karfreitag den Stollen auspacken, wenn sie wollen, und Juden können an Jom Kippur gefillte Fisch servieren.
Doch es gibt einen Grund, warum man den Montag Montag nennt. Weil man sich dann besser verabreden kann. Wenn ich zum Termin komme, wenn nach meinem Privatkalender Montag ist, bei allen anderen aber Dienstag, kucke ich extrem dämlich aus der Laubhütte. Gleiches gilt für religiöse Feste: Wer den Sederabend an Jom Kippur feiern möchte, wenn allgemein Fasten auf dem Programm steht, der könnte Schwierigkeiten haben, genug jüdische Gäste zu finden.
Die Sekte von Qumran konnte die Feste nur so souverän verlegen, weil sie eine Sekte war: eine Abspaltung. Man blieb beim Feiern unter sich und hatte mit der Außenwelt nichts zu tun. Doch das Jüdische Museum hält sich bedeckt: In den Pressemitteilungen findet sich kein Wort von einer bevorstehenden Sektengründung mit Privatkalender. Für alle, die keine Sekte gründen, gilt jedenfalls: Kalender vernetzen uns mit der Außenwelt, sorgen dafür, dass wir einigermaßen pünktlich beim Termin mit Frau Müller und Herrn Meier erscheinen, dass wir die Feste feiern, wie sie fallen.
Bei der Ausstellungseröffnung erklärte ein Architekturkritiker, Sukkot sei ein transitorisches Fest. Das Wort "transitorisch" stammt aus dem Kultursprech, wo es todschick ist, und bedeutet: irgendwie nicht fertig. Oder auch: nicht hier, nicht dort - im Übergang begriffen. Da hat der Architekturkritiker sicher recht: Eine notdürftig gezimmerte Laubhütte ist etwas anderes als ein schickes Einfamilienhaus mit Erkern und Einbauküche. Laubhütten sind trotz Festtagsstimmung ungemütlich: In manchen Jahren friert man an den unteren Extremitäten wie an einem kalten Wüstenabend. Und wann ist für moderne Stadtmenschen so richtig Wüste? Wenn im Kalender nichts mehr stimmt.
Homepage zur Ausstellung
Wenn die Münchner das Oktoberfest im September feiern und Christen schon im August eifrig Lebkuchen mampfen, dann wird doch wohl ein Museum ein Fest vom September in den November verlegen können. Zudem erinnert das Laubhüttenfest an die Zeit der Israeliten in der Wüste – und die hat 40 Jahre gedauert. Da sollte man beim Feiern nicht so pingelig sein.
Die Laxheit mit dem Jüdischen Kalender hat übrigens Tradition: Schon die Sekte von Qumran stellte den jüdischen Mondkalender kurzerhand auf Sonne um, was den Vorteil hatte, dass Juden ihre Feste endlich an festen Wochentagen feiern konnten: Wie die Christen ihren Ostermontag haben, konnten Juden ihren Pessachdienstag feiern. Zwar konnte sich die Qumran-Sekte nicht wirklich durchsetzen, aber nach kaum 19 Jahrhunderten wurden ihre Schriftrollen wiederentdeckt und befinden sich jetzt staatstragend im Schrein des Buches in Jerusalem gleich neben der Knesset. Woraus wir lernen: Kalender verstellen muss kein Nachteil sein.
Ohnehin sind ja alle Kalender willkürlich. Eigentlich könnte man den Montag Dienstag nennen und den Mittwoch Schnurkeltag. Kein Mensch muss sich vorschreiben lassen, wann er Feste feiert. Christen können an Karfreitag den Stollen auspacken, wenn sie wollen, und Juden können an Jom Kippur gefillte Fisch servieren.
Doch es gibt einen Grund, warum man den Montag Montag nennt. Weil man sich dann besser verabreden kann. Wenn ich zum Termin komme, wenn nach meinem Privatkalender Montag ist, bei allen anderen aber Dienstag, kucke ich extrem dämlich aus der Laubhütte. Gleiches gilt für religiöse Feste: Wer den Sederabend an Jom Kippur feiern möchte, wenn allgemein Fasten auf dem Programm steht, der könnte Schwierigkeiten haben, genug jüdische Gäste zu finden.
Die Sekte von Qumran konnte die Feste nur so souverän verlegen, weil sie eine Sekte war: eine Abspaltung. Man blieb beim Feiern unter sich und hatte mit der Außenwelt nichts zu tun. Doch das Jüdische Museum hält sich bedeckt: In den Pressemitteilungen findet sich kein Wort von einer bevorstehenden Sektengründung mit Privatkalender. Für alle, die keine Sekte gründen, gilt jedenfalls: Kalender vernetzen uns mit der Außenwelt, sorgen dafür, dass wir einigermaßen pünktlich beim Termin mit Frau Müller und Herrn Meier erscheinen, dass wir die Feste feiern, wie sie fallen.
Bei der Ausstellungseröffnung erklärte ein Architekturkritiker, Sukkot sei ein transitorisches Fest. Das Wort "transitorisch" stammt aus dem Kultursprech, wo es todschick ist, und bedeutet: irgendwie nicht fertig. Oder auch: nicht hier, nicht dort - im Übergang begriffen. Da hat der Architekturkritiker sicher recht: Eine notdürftig gezimmerte Laubhütte ist etwas anderes als ein schickes Einfamilienhaus mit Erkern und Einbauküche. Laubhütten sind trotz Festtagsstimmung ungemütlich: In manchen Jahren friert man an den unteren Extremitäten wie an einem kalten Wüstenabend. Und wann ist für moderne Stadtmenschen so richtig Wüste? Wenn im Kalender nichts mehr stimmt.
Homepage zur Ausstellung