Die Woche in den Feuilletons

Eine Frau für die Kultur, eine für die Truppe

Monika Grütters und Ursula von der Leyen
Monika Grütters und Ursula von der Leyen © dpa / picture alliance
Von Arno Orzessek |
Monika Grütters und Ursula von der Leyen - diese zwei Personalien der Großen Koalition haben in den Feuilletons in dieser Woche besonders viel Aufmerksamkeit gefunden.
"Fack ju Göhte" – Fack übrigens mit a, ju mit j-u, Göhte mit ö statt o-e und h vor dem t statt danach; drei Worte, vier Rechtschreibfehler. "Fack ju Göhte" heißt die Schulkomödie, die in diesem Jahr der erfolgreichste Film in den hiesigen Kinos war.
Leise befremdet klärte deshalb die Tageszeitung DIE WELT, "Wie das Unwort ins Deutsche kam". Matthias Heine verschwieg alte Wortwurzeln nicht, machte aber letztlich die Anthologie "Fuck you!" verantwortlich, in der Ralf-Rainer Rygulla 1968 amerikanische Underground-Lyrik vorgestellt hat.
"Zu den vertretenen Autoren [so Heine], gehörte auch Charles Bukowski. Von dem erschien 1977 ein Sammelband mit Erzählungen auf Deutsch, der ‚Fuck machine‘ hieß. Das Buch, das damals wirklich jeder gelesen hat, machte ‚das vulgärste Wort der englischen Sprache‘ auch im Deutschen heimisch. Schon um 1980 war der Ausruf Fuck! zum Modefluch in Szenekreisen geworden."
Fa… vorisieren wir nun wieder das Hochsprachliche.
Wobei: Weiß noch jemand, ob die letzte Große Koalition auch ständig als GroKo verjuxt wurde?
Wir haben‘s vergessen – nicht aber, dass Friedrich Küppersbusch in der TAGESZEITUNG den Koalitionsvertrag der neuen GroKo wenig vertragsreif fand.
"Dieser Ehevertrag regelt das ordnungsgemäße Zudrehen der Zahnpastatube im Bad; nicht jedoch die Frage: Warum jetzt diese Ehe?"
Trotzdem wollte die TAZ wissen, auf wen sich Küppersbusch im Kabinett besonders freue.
"Ursula von der Leyen! [antwortete Küppersbusch wie aus dem G3 geschossen]. […] Die irrste Personalie seit mindestens Rommel. Die Gottmutter der frisierten Helmpflicht wird zum unregierbarsten Ministerium verurteilt. Es fraß Jungs mit zweistelligen Tauglichkeitsstufen wie Jung, Guttenberg, Scharping. Als es auch de Maizière zu zerlegen begann, konnte man ahnen, dass nicht nur die Minister das Problem sind, sondern vor allem das Ministerium. Aus Merkels Perspektive irrlichtert Bundesuschi zwischen Illoyalität und einzigem Kerl im Kabinett. Also – zur Bewährung an die Front",
lästerte Friedrich Küppersbusch.
Den Feuilletons näher als Ursula von der Leyen ging indessen Monika Grütters, die neue Kulturstaatsministerin.
In der BERLINER ZEITUNG kommentierte Harry Nutt:
"Die Zeit ist durchaus reif für einen kulturpolitischen Schemawechsel. Während [ihr Vorgänger Bernd] Neumann vor allem Verdienste bei der Konsolidierung des Amtes […] bewiesen hat, wird Monika Grütters in den nächsten Jahren vor der Aufgabe stehen, die kulturpolitischen Parameter auf die digitale Herausforderung auszurichten."
Unter der steifleinenen Überschrift "Eine Frau, ihr Amt neu zu erfinden" umriss Jens Bisky in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG die Spezifika des Kulturstaatsministeriums.
"Der Etat ist mit etwa 1,28 Milliarden Euro klein im Vergleich zu anderen Ressorts, die öffentliche Aufmerksamkeit aber groß, größer noch die Gelegenheit, mit wenig viel zu erreichen oder durch Ungeschick viel zu verderben. Der Koalitionsvertrag ist in Sachen Kultur kleinteilig und vollmundig zugleich. […] Bund und Länder wollen in Sachen Kultur intensiver und systematisch zusammenarbeiten […]. So vernünftig das klingt, so verwickelt wird es im Detail",
meinte Jens Bisky in der SZ. -
Verwickelt wird’s auch in Ägypten…
In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG skizzierte Angela Schader die Mühen einer Kairoer Konferenz, auch nur das richtige Vokabular für eine Zivilgesellschaft zu finden
Der Begriff ‚Neutralität‘ etwa wurde strikt abgelehnt, so Schader,
"[denn] den ägyptischen Teilnehmern suggerierte er eine Farb- und Standpunktlosigkeit, die sich in keiner Weise mit ihrem Selbstverständnis als soziale Akteure vereinbaren liess. […] Überraschend war allerdings, dass dann auch das Wort ‚Objektivität‘ – eins aus dem Begriffsfeld, mit dem man die ungeliebte ‚Neutralität‘ zu ersetzen suchte – eine Rekordzahl ablehnender Voten einfuhr."
Unterdessen eroberte der Erste Weltkrieg, der düstere Hunderter-Jubilar des nächsten Jahres, weiteres Feuilleton-Terrain.
In der FRANKFURTER RUNDSCHAU widersprach der Historiker Hans-Ulrich Wehler der Alle-sind-irgendwie-Hineingeschlittert-These seines Kollegen Christopher Clark, machte aber auch seinerseits ein Motiv-Kuddelmuddel verantwortlich:
"Die Franzosen wollen das ihnen geraubte Elsaß-Lothringen wiederhaben. Die Engländer wollen endlich die deutsche Schlachtflotte ausschalten, die Amerikaner wollen ihrer vertrauten Macht England beistehen […]. Zudem wurden durch den deutschen U-Boot-Krieg amerikanische Schiffe versenkt, zum Teil mit 1000 Amerikanern an Bord. Es kamen immer weitere Motive hinzu, die den Krieg totalisierten."
Laut SZ gilt übrigens Christopher Clarks Buch "Die Schlafwandler" in Serbien, einem Mit-Urheber des Kriegs, als Ärgernis.
"Serbiens führende Tageszeitung Politika […] verknüpfte Clarks Buch mit ‚dem Wunsch des mächtigsten europäischen Landes, Deutschland, sich nicht nur von der Schuld für den Ersten Weltkrieg zu befreien, sondern auch für den Zweiten Weltkrieg‘, der, nach angeblich deutscher Meinung, durch den 1. Weltkrieg hervorgerufen worden sei."
Wir werden diese Dinge ein Jahr lang vertiefen…