Die wirren Wunder des Alltags

23.10.2008
David Sedaris wurde durch Bücher wie "Nackt" oder "Ich ein Tag sprechen hübsch" bekannt und beliebt, in denen er die Erfahrungen mit seiner seltsamen Familie und als amerikanischer Homosexueller in Frankreich ironisch beschreibt. Das Prinzip der in heiteres Kurzweil verpackten Short Stories führt er auch in seinem neuen Erzählband fort.
Es gibt in dieser neuen Wundertüte aus der Produktion von David Sedaris all dies: Tagebuch-Aufzeichnungen über den Versuch, sich in Tokio das Rauchen abzugewöhnen, skurril überdrehte Familenfeier-Erinnerungen, Kindheits- und Jugendmedaillons von nahezu Truman Capotescher Grazie, dazu Überlegungen, wie man als schwules Langzeitpaar monogam bleiben kann bzw. auf einem Transatlantikflug einen weniger um seine tote Mutter als um sich selbst trauernden polnischen Egoisten tröstet.

Wer das Privat-Universum des 1956 im Staat New York geborenen und seit einigen Jahren zusammen mit seinem Partner in der Normandie lebenden Sedaris bislang noch nicht kannte, vermag also fündig zu werden. Ein bisschen Max Gold, ein wenig Günter Ohnemus zu Zeiten von dessen Erzählband "Zähneputzen in Helsinki" und dazu eine Prise misanthropischer Witz a la Oscar Wilde.

Wer vor "Schöner wird's nicht" jedoch bereits die zu Weltbestsellern avancierten Bände "Nackt", "Holidays on Ice" oder "Ich ein Tag sprechen hübsch" gelesen, nein: verschlungen hat, wird sich allerdings eine entscheidene Frage stellen. Sie lautet: Wie lange kann ein ironisch-urbaner, griechischstämmig homosexueller, in Frankreich lebender und inzwischen durchaus in die Jahre gekommener Amerikaner noch seine Privatschatullen öffnen, um weiterhin allerlei Alltagskram zum Glänzen zu bringen?

Die Antwort fällt knapp aus: Noch eine gane Weile - auch wenn ein Ende dieser gutgelaunt-absurden Kurzweil irgendwann absehbar ist. Noch immer aber funktioniert das retrospektive Sich-Einblenden in amerikanische Familien- und Collegewelten und ein witziges Schreiben, dass nicht auf eine Pointe hinhechelt und auch nicht simpel wieder erzählbar ist im Sinne eines Rätsel lösenden Plots.

Das wirkliche Wunder besteht nämlich darin, eine in Dreißiger Jahre Trödel verliebte Vermieterin und ihren juvenil verwirrten Logiergast so zu schildern, dass man am Schluss mit einem Lächeln die nächste Geschichte zu lesen beginnt - jedoch niemals weiss, ob man sich gerade ein hinreissend erzähltes Feuilleton oder eine gekonnt-subversiv auf Plauderton gestellte Stort Story zu Gemüte geführt hat.

Große Literatur? Gewiss nicht nach konventionellen Standards. Wohl aber in jenem Sinne, dass es immer "groß" ist, aus Erlebnissen Erfahrungen zu filtern und unserem irdischen Tohuwabohu mit wissend tapferer Trotz-allem-Gutgelauntheit zu begegnen.

David Sedaris: Schöner wird's nicht
Aus dem Amerikanischen von Georg Deggerich
Karl Blessing Verlag, München 2008
320 Seiten, geb., 21, 20 Euro