Die Wiedergeburt eines Filmklassikers

Von Holger Hettinger · 06.04.2010
Als Fritz Langs "Metropolis" 1927 in die Kinos kam, war es ein finanzielles Fiasko. Weil der Film bei Kritik und Publikum durchfiel, kürzte die Filmgesellschaft UFA den Streifen um ein Viertel. So gab es seitdem nie wieder die von Lang ersonnene Version zu sehen - bis heute.
So etwas hatte man noch nicht gesehen, da waren sich die Filmkritiker einig – einig in der Ablehnung. "Immer wird mit Gefühlsphrasen gearbeitet – schrecklich", jammerte der Berliner Börsen-Courier nach der Uraufführung 1927: "Ein sachliches Thema grausam verkitscht". An der Kinokasse erwies sich Metropolis ebenfalls als Fiasko: Gerade mal 15.000 Zuschauer wollten den Film sehen. Die finanziell ohnehin klamme Filmgesellschaft UFA geriet an den Rand des Konkurses.

Um zumindest ansatzweise die extrem aufwendige und teuere Produktion zu retten, wurde "Metropolis" gekürzt und umgestellt. Die enorme Länge von zweieinhalb Stunden schien nach Meinung der UFA der Hauptgrund dafür zu sein, dass das Publikum den Film verschmähte. Die herausgeschnittenen Teile - immerhin ein knappes Viertel des Films - wurden vernichtet; weniger aus mangelndem Respekt vor Fritz Langs Arbeit, sondern aus praktischen Gründen: Das Filmmaterial aus Nitrozellulose war extrem brandgefährlich und ließ sich nur unter hohem Risiko lagern.

Zur Legende wurde Metropolis erst in den Folgejahren, als sich Filmemacher immer wieder auf die revolutionäre Filmsprache Fritz Langs beriefen. Obwohl der Film nur stark verstümmelt erhalten war, hat ihn die UNESCO als ersten Film in das Register des "Gedächtnisses der Welt" aufgenommen.

Ein eindrucksvoller Versuch, "Metropolis" wieder seine ursprüngliche Dramaturgie mit eindrucksvoller Bildqualität zurückzugeben, wurde 2001 vorgestellt: die Filmhistoriker Enno Patalas und Martin Koerber führten alles Material zusammen, das über die Jahre gefunden worden war – und doch fehlten etliche Szenen. Immerhin hatte man zwischenzeitlich die Originalpartitur der Filmmusik entdeckt, und konnte so zusammen mit dem Dirigenten Frank Strobel recht verlässlich die Reihenfolge der Szenen und Episoden rekonstruieren.

Der Durchbruch kam dann unverhofft, als im Sommer 2008 im Filmmuseum Buenos Aires eine 16-Milimeter-Kopie der Auslandsversion gefunden wurde. Die war zwar immer noch weit entfernt von der Originalfassung – enthielt aber 30 Minuten Material, das bis dahin verloren geglaubt wurde. Zusammen mit der Rekonstruktion von 2001 hatte man nun endlich eine verlässliche Vorlage, um die Originalfassung des Filmklassikers wiederzubeleben.

Nur noch knapp 8 Minuten fehlen in dieser Fassung, die bei der diesjährigen Berlinale vorgestellt wurde. Der Mythos Metropolis hat somit annähernd wieder seine ursprüngliche Gestalt. Derzeit ist das Metropolis-Projekt auf Welt-Tournee – zu den Original-Bildern von Fritz Lang dirigiert Frank Strobel die Filmmusik von Gottfried Huppertz. Die Auftaktvorführung in Hongkong fand im größten Veranstaltungssaal der Metropole statt – und war doch innerhalb weniger Stunden ausverkauft.
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