"Die waren wie verrückt ..."

Von Michael Meyer |
Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes häufen sich in diesem Jahr die Dokumentarfilme, die sich mit der Nazidiktatur und deren Untergang befassen. Heute Abend läuft im Fernsehprogramm des MDR ein Film, der sich jedoch abhebt von vielen anderen Filmen des Gedenkens: "Die Frauen von Ravensbrück" von Loretta Walz ist ein Film über die Überlebenden des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück an der Havel. Der Film stellt 50 Frauen in den Mittelpunkt und ist für die Filmemacherin Loretta Walz eine Art Essenz aus 25 Jahren Arbeit zum Thema Frauen im KZ.
"Und da kommst Du hin an einem Sommertag..."

Der Film "Die Frauen von Ravensbrück" zeichnet die Lebensbedingungen der Frauen von der Eröffnung des KZs im Mai 1939 bis zum Kriegsende nach. Die Frauen, die hierher kamen, stammten nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Frankreich, Belgien, Österreich und osteuropäischen Ländern. Die Gründe für ihre Einlieferung waren vielfältig: Neben politischen Gefangenen waren in Ravensbrück auch Sinti und Roma, Zeugen Jehovas und Jüdinnen. Diese standen auf der untersten Stufe der lagerinternen Hierarchie.

Loretta Walz lässt in ihrem Film 50 Zeitzeuginnen zu Wort kommen, jede mit ganz unterschiedlichen Empfindungen. Während einige das Glück hatten, relativ leichte Tätigkeiten verrichten zu dürfen, mussten die meisten Lagerinsassinnen bis zur Erschöpfung schuften - und das bei im Laufe der Jahre immer knapper werdenden Essensrationen.

"Was da für Rezepte ausgetauscht wurden ... dieses Gefühl hat alles andere überlagert. "

Die überragende Stärke des Films ist es, dass er weitgehend auf Kommentare verzichtet, und nur die Frauen zu Wort kommen lässt. In ihren Stimmen liegt Verbitterung, Wut, Verzweiflung, manchmal aber auch Hoffnung, etwa, wenn eine polnische Frau über die Überlebensstrategien im Lager spricht:

"Wir organisierten Themenabende..."

Die Erzählungen der Frauen deuten auch die zum Teil tragischen Lebenslinien nach dem Kriege an. Während einige an ein halbwegs intaktes Leben anknüpfen konnten, mussten gerade die Frauen aus Osteuropa völlig neu anfangen, erzählt die Filmemacherin Loretta Walz.

"Wenn man in den Kreis einer Familie aufgenommen wurde, die Verständnis hatte für die Haft, dann ist es anders, als wenn man nach Hause kam, und es wurde gesagt: Du hast Schande über die Familie gebracht, oder gar, wie viele sowjetische Frauen, die danach wieder in die Gefängnisse eingewandert sind, als Verräterrinnen. Das heißt: Die Nachgeschichte spielt eine ganz große Rolle für die Verarbeitung solcher Erlebnisse. Wenn ich an die Weißrussin denke: Die kam zurück, die Dörfer waren niedergebrannt, die Familie erschossen und das kann man dann natürlich anders verarbeiten als etwa Anita Ekman, die charmante Belgierin, die wirklich in eine Familie zurückkam, wo sie aufgenommen wurde. Da ist es dann tatsächlich ein anderes Empfinden."

Eine weitere Qualität des Films ist es, dass er völlig auf die Verwendung von historischem Bildmaterial verzichtet. Die Erinnerungen der Frauen sind auch ohne diese Bilder über weite Strecken für die Zuschauer kaum erträglich, etwa, wenn sie die unmenschlichen medizinischen Versuche schildern oder wenn sie erzählen, wie gegen Ende des Krieges die Nazis begannen, immer mehr Insassinnen zu erschießen:

"Januar 45 war es besonders schlimm, die waren wie verrückt ... und da sagte der Lagerkommandant: Glaubt nicht, dass ihr hier lebend rauskommen werdet. "

"Die Frauen von Ravensbrück" ist ein erschütternder Film, der allerdings zuweilen ein wenig unter der Vielzahl der Interviewpartnerinnen leidet. Dennoch ist er ein wichtiges Dokument, das einzig und allein durch die bewegenden Schilderungen der Zeitzeuginnen lebt.

"Die Frauen von Ravensbrück" kommt heute Abend im MDR-Fernsehen um 23 Uhr 30. In der kommenden Woche, am 21.04., läuft der Film im RBB-Fernsehen, dann um 22 Uhr 45. Weitere Ausstrahlungen in den anderen Dritten Programmen der ARD sind geplant.