"Die Wahrheit ist schrecklicher, als ich sie darstelle"

Von Volkhard App · 09.12.2007
Den in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsene Arnold Schwarzenegger malt er mit einem hölzernen Schnuller, die österreichische Jugend sieht bei ihm genauso aus wie der umstrittene Populist Jörg Haider - der Karikaturist Manfred Deix kennt beim Zeichnen keine Tabus. Das Wilhelm-Busch-Museum Hannover zeigt 238 Arbeiten des 58-jährigen Österreichers. Darunter sind politische Motive ebenso wie drastische Alltagsszenen.
Ein muskelbepackter Österreicher bringt es in Hollywood zum "Terminator" und steigt anschließend auf zum Gouverneur von Kalifornien - diese abenteuerliche Biografie seines Landsmannes lässt sich der bissige Cartoonist Manfred Deix nicht entgehen:

"Die Amerikaner haben gesagt: 'Ein neuer Gott ist geboren, das ist unser Wegbereiter. Der ist so gesund und muskulös - so muss der ideale Mensch aussehen.' Ich habe das immer verabscheut, im Laufe der Jahre aber gemerkt, dass der nicht so dumm ist, wie ich ihn eingestuft habe.

So ist es vielen Leuten gegangen. Der hat ganz bewusst seine Ziele verwirklicht. Der hat eine Naturintelligenz gehabt, aber aufgrund seines mickrigen Elternhauses nicht über die Bildung verfügt. Aber er ist ein kluger Mann geworden. Man kann ihn nicht als Primitivling bezeichnen, der es nur durch den Terminator zu etwas gebracht hat."

Dabei birgt die Laufbahn dieses Bodybuilders schon soviel Selbstparodie, dass sich Deix sichtlich anstrengen muss, groteske Details zusätzlich zu erfinden. Auf seinen liebevoll gemalten Cartoons muss sich das Kind Arnold, das in ärmlichen Verhältnissen aufwächst, mit einem hölzernen Schnuller begnügen. Mit den Hanteln ist der Jüngling bald auf Du und Du. In einer Fußgängerzone bittet er als notleidender "Kraftstudent” zwar noch um Almosen - als er aber an den Gestaden Kaliforniens seinen Körper vorzeigt, beginnt die Traum-Karriere.

Auch wenn er in Hollywood aufgrund seines gutturalen Englisch zunächst nicht sprechen darf und mit Quak-Tönen den Donald Duck spielen muss, wird er bald zum Mittelpunkt des öffentlichen Interesses: Christo verpackt das Muskelungetüm kunstgerecht, und Andy Warhol lässt es auf einem Ausstellungs-Sockel Campbell-Suppendose löffeln. Deix über seine Mühe mit Schwarzenegger:
"Mir ist der Knoten aufgegangen im Hirn und ich habe entdeckt, dass man über ihn selbstverständlich ein Buch machen kann. Ich habe sein Leben neu interpretiert und erfunden - dass er auch sensibel ist und zu Hause bei Liebesentzug bitterlich weint. Ich habe den Schwarzenegger also entmystifiziert und als Menschen dargestellt."

Wenn Arnold als Gouverneur Todesurteile unterzeichnet und Gnadengesuche ablehnt, fängt er an, Tränen zu vergießen. Aber das Volk wünsche schließlich eine strenge Bestrafung. Spätestens hier gewinnt die Schwarzenegger-Serie auch ein wenig an zynischer Schärfe, ist im ganzen aber fast schon verkappte Sympathiewerbung.
Deix hat immer wieder politische Protagonisten auf den Zeichenkarton gebracht: Kurt Waldheim gab er bei angeblichen Versuchen, verkleidet in die USA einzureisen und die "Watchlist" zu umgehen, der Lächerlichkeit preis. Und früh schon hat sich der Cartoonist des forschen Jörg Haider angenommen und sogar ein nationales Schreckensbild gemalt: Dort sieht die österreichische Jugend genauso aus wie der umstrittene Populist.

Aktuelle Einlassungen von Deix, seine Attacken auf Politiker, sind nicht denkbar ohne den Hintergrund des kleinbürgerlichen österreichischen Milieus, das er nimmermüde seit den späten siebziger Jahren mit dem Stift und vor allem dem Pinsel auf seinen Sittenbildern festhält.

Es sind monströse Zeitgenossen: lüstern, rücksichtslos und reaktionär - hinter ihrer Gemütlichkeit lauert oft abgrundtiefe Bosheit, die sich von der Pädophilie bis zum Antisemitismus erstreckt. Eine bedrohliche Mentalität wird hier plakativ in Fleisch und Fett überführt und mit hässlichen, meist pickligen Gesichtern zur Kenntlichkeit entstellt. Dabei ist der Zeichner und Maler der Meinung, die wirklichen Menschen noch geschönt zu haben:
"Ich bin nicht der große Übertreiber. Es gibt Karikaturisten, die ganz verzerrte Gesichter zeichnen. Das mache ich überhaupt nicht. Die Wahrheit ist schrecklicher und hässlicher, als ich sie darstelle. Ich habe schon Minderwertigkeitskomplexe, als ob ich ein Behübscher wäre und die rosarote Brille aufhätte."

Mit seinen Blättern war Deix, der abgebrochene Wiener Kunststudent, in den späten siebziger und den achtziger Jahren noch "enfant terrible” der Szene. Heute sind die abstoßenden voluminösen Figuren sein Markenzeichen. Museumsdirektor Hans Joachim Neyer zum Stellenwert des Manfred Deix:
"Deix ist ein malender Karikaturist: in der Tradition, die Erich Sokol begründet hat und in der auch ein Gerhard Haderer steht. Aber er ist doch in der gnadenlosen Darstellung der familiären, der klein- und spießbürgerlichen Umstände einmalig in seiner Art. Da kenne ich keinen anderen."

Dabei machen es die Figuren dem Betrachter zuweilen leicht, denn er kann sich mühelos von ihren distanzieren: die monströsen Kleinbürger - das sind immer die anderen. Deix:
"Den Effekt gibt es - bei Leuten, die genauso aussehen wie die, die ich gemalt habe. Und denen muss man schonend beibringen: Das bist Du selber! So ist die Welt, in der Du lebst. Und allmählich kommen die Leute dahinter und merken, dass ich sie gemeint habe. Für jeden Euro, den ich kassiere, zahle ich 50 Prozent Steuer. Aber das ist gerecht. Ich zahle praktisch meinen Models im Lande ihre Gage."

Doch ob Deix nun namenlose Zeitgenossen vorführt, die vieldiskutierten Politiker daheim aufspießt oder dem Arnold im fernen US-Amerika huldigt - zur Routine ist seine künstlerische Arbeit längst nicht erstarrt. Sich selbst tituliert er als "Lustzeichner":
"So wie es Triebtäter gibt, die nicht anders können, so geht es mir, wenn ich Themen sehe. Ich bin nicht so bösartig wie die und tue niemandem was. Aber wenn ich irgendwelche Situationen erlebe, im Cafehaus am Nebentisch mitkriege oder anderswo, habe ich das dringende Bedürfnis, das Ganze zu Hause zeichnerisch umzusetzen. Ich muss das einfach tun. Ich könnte nicht Blumenbilder malen oder Landschaften. Es ist ein Trieb in mir, die Dinge zu kommentieren, die mir widerfahren."


Service:
Die Ausstellung "Deix in the City" ist bis zum 2. März 2008 im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zu sehen.