Die Vorgeschichte von 9/11

22.08.2007
Der amerikanische Autor und Journalist Lawrence Wright beschreibt in seinem Buch "Der Tod wird euch finden" die Entstehung der Terrororganisation Al-Qaida. Wie in einem faktenreichen Politthriller benennt er die verantwortlichen Köpfe und analysiert ihre Ziele. Wright erhielt für sein Werk den diesjährigen Pulitzer-Preis.
Der amerikanische Autor Lawrence Wright, der seit 1992 für das legendäre Wochenmagazin "The New Yorker" arbeitet, unterrichtete vor seiner Karriere als Journalist zwei Jahre Englisch an der Universität von Kairo. Er fühlte sich wohl in dem islamischen Land Ägypten. Umso mehr schockierte ihn, dass seine Heimat 2001 von Islamisten angegriffen wurde.

Er begann sofort zu recherchieren. "Ich wollte verstehen, wer diese Leute waren und warum sie uns angegriffen hatten", begründete er sein Vorhaben. Er unternahm Reisen in den Nahen und Mittleren Osten, traf Al-Qaida-Mitglieder und Geheimdienstmitarbeiter. Er führte Interviews mit mehr als 600 Personen zwischen New York, Hamburg, Kairo und Kabul, verfasste 3900 Seiten handschriftlicher Notizen, trug kistenweise Archivmaterial zusammen. Nach fünf Jahren Arbeit legt Wright nun ein Buch vor, das umfassend wie kein anderes die Vorgeschichte von 9/11 dokumentiert.

"Der Tod wird euch finden. Al Qaida und der Weg zum 11. September", über 500 Seiten stark, ist in diesem Jahr vielfach, unter anderem mit dem begehrten Pulitzer-Preis, ausgezeichnet worden.

Wright macht die Tragödie des 11. September fassbar, indem er über Individuen schreibt und deren Geschichten verbindet. So gibt es - wie in einem Drehbuch - eine klare Hierarchie von Haupt- und Nebendarstellern sowie dramaturgisch geschickte, Spannung erzeugende Wechsel der Schauplätze. Am Ende des Buches steht der Anschlag selbst, bei dem auch der Sicherheitschef des World Trade Centers, John O’Neill, den Tod findet.

O’Neill ist eine von Wrights Hauptfiguren. Bis kurz vor seinem Tod hatte er als Leiter der Abteilung für Nationale Sicherheit im New Yorker FBI-Büro immer wieder vor Al-Qaida gewarnt. Er war einer der wenigen innerhalb der Behörde, die einen Terroranschlag in den USA voraussahen. O’Neill, durchsetzungsfähig und engagiert, hatte sich jedoch Feinde unter seinen Vorgesetzten gemacht. Er quittierte einen Monat vor den Anschlägen seinen Dienst beim FBI.

Osama bin Laden und Ajman al-Sawahiri, Köpfe von Al-Qaida und Konkurrenten um die Führungsposition, der ägyptische Autor Sajid Qutb als geistiger Vater des islamistischen Terrors und Turki al-Faisal, Chef des saudischen Geheimdienstes, sind weitere Hauptfiguren in Wrights Sachbuch, das über weite Strecken Züge eines Politthrillers aufweist. Das erzählerische Talent des Autors steht dabei nie im Widerspruch zu der faktenreichen Darstellung hervorragend recherchierter Zusammenhänge.

Wrights Buch ist faszinierend und erschreckend zugleich. Man erfährt viel über die die Wurzeln des Terrors, seinen ideologischen Nährboden in Ländern wie Ägypten, Saudi-Arabien, Afghanistan. Und auch über die kurzsichtigen Strategien der Weltmacht USA, ihre politischen Fehler im Nahen und Mittleren Osten.

Die schreckliche Logik Al-Qaidas zu verstehen, die Doppelfunktion der Organisation als spirituelle Droge und Job-Agentur verstreuter Fanatiker, dazu waren bis zum 11. September 2001 weder CIA noch FBI, noch irgendeine andere Sicherheitsbehörde in den USA in der Lage. Hätten sie wenigstens zusammengearbeitet und Informationen ausgetauscht, so wären die verheerenden Anschläge wohl zu verhindern gewesen. Das steht für den Autor Lawrence Wright fest. Dass der Antagonismus von CIA und FBI, wie auch die amerikanische Bürokratie, die Anschläge mit ermöglicht haben, ist die bitterste Erkenntnis dieses Buches.

Rezensiert von Carsten Hueck

Lawrence Wright: Der Tod wird euch finden. Al-Qaida und der Weg zum 11. September
Aus dem Amerikanischen von Hans Freundl und Stefan Gebauer
DVA, München 2007
544 Seiten, 24,95 Euro
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