Die Verwendung einer Erfindung

Von Petra Marchewka und Knut Benzner |
Er ist rechteckig, stapelbar und der Star der Globalisierung: Der Container, kurz TEU für Twenty-Foot Equivalent Unit. Er ist standardisierter Behälter für alles und jedes: In die 20-Fuß-Standard-Box passen zum Beispiel 297 Kartons Weißblechdosen, 360 Vogelhäuser, 26 Paletten Stahlschrauben, 125 Strandkörbe oder 4 Asylbewerber. Die bunten Kisten bestimmen besonders das Bild von Hamburg. Sie haben den Hafen verändert, das maritime Flair und jede Romantik aus ihnen vertrieben.
"Leer. Voll. Nein, er darf voll inklusive Ladung 30 Tonnen wiegen."

Und was wiegt er leer?

"Vierzig Fuß circa 4 Tonnen, 20 Fuß circa 2,2 Tonnen. Was immer noch mehr ist als ein durchschnittlicher Pkw."

Der wiegt, wenn er etwas extravaganter ist, anderthalb Tonnen.

"Ja, anderthalb, wie auch immer, die Dinger sind einfach aus `nem deutlich dickeren Stahl gebaut, sehr einfache Bauweise, das sind einfach nur vier Wände, eine Tür, ein Dach, ein Boden mit ein paar Querträgern und `n Holzboden drin, aber das alles so stark und stabil, dass da einfach Gewicht zusammen kommt, wobei das Gewicht beim äh Seetransport ja nicht so furchtbar entscheidend ist."

Denn da findet er...
...der Container...
...in der Regel seinen Einsatz.

"Die Außenmaße, das sind englische Maße, 20 Fuß die Länge, das sind 6 Meter und fünf Außenlänge, Breite 8 Fuß gleich 2,44 Höhe meistens, da variiert es etwas, aber das Standardmaß sind 8 Fuß 6 Zoll, gleich 2,59. ... 126 Diese Maße werden überall weltweit benutzt, um die Container überall bewegen zu können."

Von oben, von unten, seitlich und ganz egal, wo.
Standard.

"Standard. Absolut weltweiter Standard. ISO-Maße. ... ISO, International Standard Organisation."

Die Länge kann verschieden sein.

"20 Fuß hatte ich eben gesagt, 40 Fuß ist im Prinzip, Breite und Höhe sind die selben, nur die Länge ist doppelt so lang, bzw. noch etwas länger, 12 Meter 20, weil man zwischen zwei 20er, wenn man die nebeneinander lädt, ein bisschen Abstand lässt und der 40er passt genau auf zwei 20er Stellplätze."

Stefan Geißler, 53, arbeitet seit sechs Jahren bei Container-Pahl.

"Und mache Container - Handel, Container - Reparatur, Container-Lagerung"

Container - Handel, Container - Reparatur, Container - Lagerung.
Das heißt, auch ein Container kann kaputt gehen.

"Oh, natürlich. Davon leben wir."

Hamburger Hafen.
Östlich der Köhlbrandbrücke, auf Steinwerder, im Tollerortweg.
Tollerort ist eines von Dutzenden von Hamburger Containerterminals.

Im Hamburger Branchenbuch nimmt das Stichwort "Container" ...
...Container, Containerbau, Containerdienste, Containertransporte, Containerunterkünfte, Containerverleih, Containerverschiffungen...
...zwölf Spalten ein.

Im Internet, auf den Seiten einer Suchmaschine, ergeben die Begriffe "Container" und "Hamburg" 2.130.000 Eintragungen.

Abfallcontainer, Baucontainer, Baustellencontainer, Bürocontainer, Materialcontainer, Mietcontainer, Sanitärcontainer, Standardcontainer, High-Cube-, Hard-Top-, Open-Top-, Flat-, Plat-, Bulk- und Tank-Container.

Stefan Geißler: "Drüben, am Burchardtkai, ich möchte nicht wissen, was da für Containermengen rum stehen, das sind sicherlich um die um die 50, 100.000 oder irgend so was."

Hamburg ist eine Art Container-Hauptstadt.

"Sicherlich, ja."

Geißler kann sich kaum vorstellen, in einem Container zu leben.

"Wenn ich nich’ muss, nich’, nee. Also es geht sicherlich, aber ´n Vergnügen wär’s nich’ und sehr schön sind die Dinger natürlich auch nich’."
"Telefon Neue Wohnung, Containerplatz Altona, Leonardi."

Brigitte Leonardi, 56, Sozialarbeiterin. Sie wohnt in Eppendorf. Der Containerplatz Altona ist an der Ecke Kieler/Langenfelder Straße. Von außen kaum zu sehen, dieses Projekt "Neue Wohnung". 18 Wohncontainer, in jedem Container wohnt ein Mensch, ein ehemals Obdachloser, der hier 33,1 qm3 Hamburg gefunden hat.

"Wir haben hier ne Gemeinschaftsküche, die is immer auf, man kann also rund um die Uhr hier kochen, weil in den Containern is auch aus Sicherheitsgründen das Kochen nicht möglich."

Die Küche: ein Container. Die Gemeinschaftstoilette: ein Container. Die Werkstatt: ein Container. Das Büro: ein Container. Der Aufenthaltsraum: ein Container. Das Lager: ein Container...

"Dann haben wir hier unseren HEW-Container, da ist die Elektrik drin für die Heizung, für die Beleuchtung, und dann sieht man hier eben, hinter jeder Tür befindet sich ein Container und hinter jeder Tür wohnt ein Mensch."

Die Türen abwechselnd gelb und rot, die Container selbst mit Dächern, vor den Containern etwas, das man als Veranda bezeichnen könnte. Wollte man es positiv formulieren: Das Containerdorf sieht aus wie eine Kleingartenanlage. Eine Kleingartenanlage aus Standardcontainern.

"Ja, das sind die kleineren Container, ja. Und die sind innen ausgestattet mit einem Bett, Tisch, zwei Stühlen, Kühlschrank, n Einbauschrank, ne Kommode."
"Das ist wohl noch n ganz alter, der dann früher auf See gewesen ist, ne."

Ein Mal innen.

"Ja zuerst, ich bin seit Januar hier, seit 6. Januar, also da war’s erst n bisschen gewöhnungsbedürftig, das ist normal, man muss erst mal die Leute kennen lernen. Ich wusste auch nicht, warum es geht zuerst, aber man hat sich eingelebt, also das ist, das ist schon in Ordnung."

Die 33,1 Kubik- werden zu 14,7 Quadratmetern. Der Fernseher läuft.

"850...Wohnlage."
"RTL. Einsatz in vier Wänden."

Die Einrichtung ist wie der Container selbst. Standard.

"Also meiste Zeit verbringt man ja hier mit Fernsehgucken oder man ist mit Kollegen hier zusammen und und und ...aber sonst ist das hier ganz in Ordnung."

Brigitte Leonardi, die Sozialarbeiterin:

"Es erleichtert Menschen, die jahrelang draußen gelebt zu haben, sich langsam wieder an einen festen Raum zu gewöhnen,... die Menschen, die draußen schlafen, bezeichnen ihren Schlafplatz als Platte, und man kann salopp sagen, dieses Wohnprojekt hier ist eine warme Platte."

Containerkunst

Ballindamm, Ecke Lombardsbrücke. Dort standen, zeitlich begrenzt, ein par Container übereinander.

"Ja, der, äh, das Tor, was da mal stand über Jahre."

Das Tor zur Welt.

"Hab’ ich gesehen, fand ich auch sehr witzig, das erste und einzige Mal, das ich gesehen hab’, dass 40-Fuß-Container auf der Stirnseite stehen."

Das Tor zur Welt, das sollten diese 40-Fuß-Container, die auf der Stirnseite standen...
...recht unüblich das...
...spielerisch andeuten.

Der Historiker Professor Volker Plagemann, Autor u.a. von "Kunst im öffentlichen Raum", hatte die TEUs, die Twenty-Foot Equivalent Units dort hingestellt.

Der Hamburger Fotograf Jens Ullheimer hat Container in Farbbildern fest gehalten, weil sie so wunderbare Linien zeichnen.

Peter Borchardt ist Galerist mit eigener Galerie, unten am Hafen, in einem umgebauten Lagerhaus.
Auf was blickt er, wenn er aus dem Fenster schaut? Auf Container. Borchardt ist der Organisator des Skulpturenprojektes "Sculpture @ City Nord".

"Also, es sind 30 künstlerische Beiträge, und einige dieser Beiträge haben mit im weiteren oder engeren Sinne mit Container und Containern zu tun."

Die City Nord, neben dem Hamburger Stadtpark, ist eine Bürostadt.
Heute haben in der City Nord 300 Unternehmen und 30.000 Beschäftigte ihre habituelle Heimat. Die City Nord ist eine Ansammlung von Waben. Somit: Die umnutzbare Wabe, der Container, zwischen der betonierten Bürowabe. Peter Borchardt:

"Ja. Also z.B. der Beitrag von Anna Schuster, das ist ein originärer Container, der zwölf Löcher hat, in den dann Monitore untergebracht sind, und das ist ein Container, der quasi dieses Innen-Außen-Prinzip umkehrt und seine eigene Reise von Helmstedt nach Hannover in diesen Monitoren widerspiegelt bzw. zeigt, d.h. der Container verliert seine Mobilität, statt dessen reist eben die Landschaft an uns vorbei, in dem man auf dem Monitor sie vorbei reisen sieht."

Der Container als Tunnel, der miteinander verbundene Seecontainer, fünf zueinander aufgestellte, aufklappbare Container...

"Er ist stapelbar, man kann ihn nebeneinander stellen, man weiß immer, wie groß er ist, und man hat die Möglichkeit, eben damit wie mit Bausteinen zu arbeiten und modulartige Dinge, so, wie man sie braucht, zu gestalten und hinzustellen."

Der Container

"Man hat einen Raum, der definiert ist, den hat man im Kopf, der ist universell, der ist überall auf der Welt gleich, ... so kann man sich auf etwas zurückziehen oder berufen bzw. etwas als Basis nutzen, was es einfach gibt, was jeder kennt und was im Grunde überhaupt nicht mehr in Frage gestellt wird, als Raum, ne, ... also er ist im Grunde genommen eine Matrize, ... für den Nomaden der Neuzeit ist das eigentlich, sag’ ich mal, ´n sehr schöner Baustein, mit dem dann, wie gesagt, auch gestalterisch tätig werden kann."

Hat ein Container ein Eigenleben?

"Hahaha. Er entwickelt eines. Wenn sich jemand sozusagen ordentlich um ihn kümmert, also ich weiß nicht, ob sie’s gerade erkennen können, man vergisst geradezu, also an dem Infopoint, der hat eben ne andere Farbe, und er hat eben Öffnungen, wo man dann Getränke usw. oder die Info-Guides, Zeitungen usw. draus beziehen kann, insofern vergisst man fast, dass es mal ein Container war. Aber er bietet eben die Vorzüge, er ist stabil, sicher, ... und flexibel, was diesen Umbau anbelangt."

"Ein Großteil unserer Container wird verkauft an alle möglichen Firmen, die Lagerflächen brauchen, und sich nen Container dafür hin stellen, weil das die schnellste, einfachste und billigste Art ist, Lagerraum zu kriegen."

Er ist trocken.

"Er ist trocken, ja."

Er ist aber nicht unbedingt witterungssicher.

"Er ist wind- und wasserdicht."

Doch wenn es außen warm ist, ist es im Container ebenfalls warm, und wenn es außen kalt ist, ist es im Container kalt.

"Das ist nur ein 2mm Stahlblech, da ist keine Isolation und nichts, das ist Außentemperatur. Außentemperatur, aber nicht Außenfeuchtigkeit."

Wieder im Hafen. Stefan Geißler, der Mann bei Container-Pahl.

Ich könnte meinen Container in den Hafen stellen?

"Hmmm, wenn Sie ein Container haben, können Sie mal fragen, ob den jemand hinstellt, das wird nicht so einfach, weil Fläche gerade im Hafen knapp ist."

Den Burchardtkai, kurz vor respektive kurz hinter dem Elbtunnel, erwähnte Geißler. Da stehen Container, die seit 20 Jahren dort stehen und in 20 Jahren auch noch.

"Nein, das glaube ich nicht. Da Container sich alle ähnlich sehen, wird es kaum möglich sein, die Bewegung festzustellen, ähm. Da bewegt sich ne ganze Menge, und es sind täglich tausende, die sich da bewegen, äh, wenn Sie die Autobahn von Süden auf den Elbtunnel zu fahren, haben Sie rechts das Leerlager, und da stehen also riesige Berge von Containern, aber die drehen sich ziemlich schnell. Also es gibt einige Berge von Containern, einige Stocks, wie es heißt, die stehen länger, ... aber sonst bewegt sich das alles relativ schnell."

Wenn wir bei Geißler einen Container mieten wollten, der Mietpreis käme natürlich auf die Ausstattung an...

"Na, das ist klar, aber n normaler Bürocontainer, müssen Sie rechnen mit `ner Miete von circa 150 Euro im Monat, äh, das ist die reine Miete ohne irgendwelche Serviceleistung dazu, da käme also noch An- und Abtransport da drauf, ... ein Materialcontainer, also letztlich `n Seecontainer, `n gebrauchter, müssten Sie mit 90 Euro etwa rechnen."

Und wenn wir einen kaufen würden?

"Ah, für nen gebrauchten 20-Fuß-Container verlangen wir im Moment knapp tausend Euro, für `n gebrauchten 40er knapp 13 hundert Euro, Bürocontainer, je nach Zustand, aber müssen Sie mit zwischen 2 und 2 1/2 tausend Euro etwa rechnen."

Doch wohin damit?
Ja nicht auf den Spielbudenplatz...

"Wird keiner wollen."

...oder aufs Heiligengeistfeld.

Wohin damit?

"Äh, Privatgelände. Wer immer da irgendwo was hat, ha’m wir auch schon gehabt, dass Leute kommen und sagen: Wir bauen unser Haus neu, wir wollen zwischendurch irgendwo wohnen, das alte wird abgerissen, das neue wird gebaut, zwischendurch müssen wir entweder unsere Sachen irgendwo hinpacken oder wie auch immer. Das Problem der Stellfläche muss immer derjenige lösen, der den Container benutzen will."
Ein Frachtschiff wird am Eurokai im Hafen von Hamburg mit Containern beladen.
Hamburg ist die Container-Hauptstadt© AP
Hamburger Hafen
Szene im Hamburger Hafen.© AP
Dampfschlepper Claus D. auf der Elbe im Hamburger Hafen
Im Hamburger Hafen ist Platz knapp.© Stefan Lampe