Die verpasste Bekämpfung des Rechtsextremismus

Von Claudia van Laak, Deutschlandradio Kultur · 17.11.2011
"Das ist Thüringen – hier hat Zukunft Tradition" – lautet die aktuelle Imagekampagne für den Freistaat. Flugzeugtriebwerke sind zu sehen, Goethe und Schiller, Bobpiloten im Eiskanal. Diese Imagekampagne hat das Land heute kurzerhand gestoppt. Eine gute Entscheidung, sonst käme noch ein Witzbold auf die Idee, Fotos der drei Nazi-Terroristen mit der Überschrift: "Das ist Thüringen, hier hat braune Tradition Zukunft" zu versehen.
Das kleine Land in der Mitte Deutschlands bekommt mit den Enthüllungen eine Quittung für die seit zwanzig Jahren versäumte Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Szene. Als es längst schon ein Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus gab, schlossen die Thüringer noch ihre Augen, verweigerten als einziges ostdeutsches Land die Kofinanzierung – und die so wichtigen Bürgerinitiativen in den Kleinstädten konnten nicht von diesem sinnvollen Bundesprogramm profitieren.

Dabei weiß jeder, der sich schon einmal mit der Bekämpfung des Rechtsextremismus beschäftigt hat, dass die Initiativen von unten die wichtigsten Akteure sind. Wenn Neonazis aufmarschieren und die Migranten in einer Kleinstadt terrorisieren, wenn sie versuchen, ein Klima der Angst zu schüren, wenn die NPD im Stadtrat große Sprüche klopft, dann dürfen die Demokraten sich nicht einschüchtern lassen, sie müssen dagegenhalten. Gar nicht so einfach, wenn der NPD-Funktionär plötzlich als Investor auftritt. Gar nicht so einfach, wenn der örtliche Neonazi der Sohn des Schuldirektors ist. Bürgerinitiativen gegen Rechtsextremismus, Bürgermeister, die ihre Stadthalle nicht der NPD vermieten und Landräte, die sich gegen die Neonazi-Demo wehren wollen, sie alle brauchen Unterstützung. Beratung von gewieften Juristen aus dem Innenministerium zum Beispiel, vielleicht den anerkennenden Besuch des Ministerpräsidenten, ein paar Euro, um ein buntes Straßenfest gegen den braunen Aufmarsch zu organisieren.

All das hat lange Jahre gefehlt in Thüringen. Makaber genug, dass es zehn Morde brauchte, um die Landesregierung aus dem Schlaf zu holen. Dabei hätte sich die in Thüringen dominierende CDU einfach Rat beim Parteifreund in Brandenburg holen können - beim früheren Potsdamer Innenminister Jörg Schönbohm. Abgehobene Extremismus-Debatten waren dem Generalleutnant a.D. schon immer fremd. Anti-Demokraten gehören hart bekämpft, und zwar mit allen Mitteln, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen - das war seine erfolgreiche Devise. Dazu kommt: das Land Brandenburg hilft schon lange lokalen Initiativen gegen Rechtsextremismus - zuletzt am vergangenen Samstag, als mehrere Minister nach Neuruppin fuhren, um persönlich die Proteste gegen den NPD-Bundesparteitag zu unterstützen. Der Kampf vor Ort gegen den Rechtsextremismus ist mühsam und langwierig, aber er lohnt sich. Thüringen hat diese Aufgabe noch vor sich.